Es hat fast eine ganze Stunde gedauert, bis Marlene vor Erschöpfung eingeschlafen ist und Eden nun im Wohnzimmer ihre Sachen zusammenräumen kann. ,,Dilara, weißt du wo Rovan hin ist?", fragt sie schließlich und betritt die Küche, wo die junge Frau vor der Spülmaschine steht.
,,Er ist in seinem Zimmer, aber lass ihn lieber alleine, er ist nicht nüchtern.", meint die Frau mit ruhiger Stimme und deutet auf die Treppe. Sie hat eine Wirkung auf ihre Mitmenschen, die faszinierend ist. Sie selbst wirkt immer ausgelassen und entspannt, wodurch die Menschen um sie herum ebenfall ruhiger werden. Noch nie hat sie
Jemanden angeschrieen oder war, trotz ihrer Arbeit, in Hektik.,,Danke.", lächelt sie, ignoriert jedoch den Ratschlag ihrer Freundin. Wütend stampft sie die Treppe hinauf und betritt schließlich das Zimmer des Jungens. Rovan stolpert gerade benebelt aus dem Badezimmer und wischt, sich mit dem Ärmel, den Mund ab. Wiedereinmal verzieht das Mädchen ihr Gesicht. Er sieht noch schlimmer aus als vorhin und gekotzt hat er offensichtlich auch. Dies hindert sie jedoch nicht daran, was sie vor hat.
,,Verschwinde endlich. Ich will nichts von dir!", schnauft der junge Grace genervt auf, als er sie in seinem Zimmer stehen sieht. Eigentlich hasst er es, wenn fremde Menschen sein Zimmer betreten.
,,Ich bin keine deiner Nutten!", stellt sie wütend klar und richtet sich mit verschränkten Armen vor seinem Bett auf.
,, Fuck!... Schrei nicht, du Miststück!", erwidert er sauer und hält sich die Hand vor die Augen. Sein Kopf fühlt sich an, als würde Jemand darauf einschlagen.
,,Hör auf mich zu beleidigen! Und was fällt dir eigentlich ein, deine Schwester eine fucking Schlampe zu nennen!? Hast du schon einen Gehirnschaden, wegen den Drogen?! Es kann ja sein, dass du eine schwere Zeit und Probleme hast, aber Marlene ist nicht Schuld daran! Man behandelt ein Mädchen nicht so!", Eden wird mit jeder Sekunde wütender und auch ihre anfängliche Angst vor ihm ist verflogen. Kein Problem der Welt, ist eine Entschuldigung, für solch ein Verhalten.
,,Was glaubst du eigentlich wer zu Hölle du bist?! Was gehen dich fremde Angelegenheiten an?", Rovan ist nun von seinem Bett aufgesprungen und geht auf sie zu, doch überraschenderweise weicht sie nicht zurück. Mit kalter Miene und verschränkten Armen steht sie in seinem Zimmer und sieht zu wie der schwarzhaarige Junge auf sie zu stürmt.
Im Normalfall wäre er nun auf sie los gegangen und hätte angefangen zu schreien, doch wegen des Alkohols und der Drogen, fängt alles an sich zu drehen. Rovan verliert das Gleichgewicht und ehe er sich versieht, stürzt er zu Boden und reißt dabei Eden mit sich mit.
Unsnaft landet sie auf dem Boden, hat sich beim Sturz auch noch an einer Kiste gestossen. Ein weiteres Übel ist der rund 90 Kilo schwere Junge, welcher auf ihr liegt, und dessen widerlicher Gestank. Mit verzogenem Gesicht, rappelt sich das Mädchen wieder auf die Beine und blickt auf den Jungen vor sich. Er liegt immer noch am Boden und es sieht nicht so aus als könnte er sich selbst wieder auf helfen. Egal wie gemein Rovan ist, sie kann nicht anders als ihm zu helfen.
,,Komm schon.", murmelt sie nun leiser, jedoch immer noch wütend, und hockt sich vor ihm hin. Sanft legt sie seinen Arm um ihre Schulter und hilft ihm auf die Beine. Gemeinsam stolpern sie zum Bett und mit einem leisen Murren lässt er sich fallen. Seufzend steht Eden nun vor ihm und zieht ihm langsam die unbequemen Schuhe aus. Zum Schluß holt sie noch ein Glas mit Wasser und Aspirin, welches sie auf den Nachttisch neben ihm stellt.
Still verlässt sie nun das Zimmer des schlafenden Jungens und trotter die Treppe hinunter. Schnell holt sie noch ihre Sachen und verlässt schließlich das Anwesen der Grace Familie und wandert zu ihrer Station. Die 23 Minuten, in denen sie im Zug sitzt, nutzt das Mädchen für eine kurze Auszeit.
Es ihre liebste Zeit des Tages. 23 Minuten in denen sie keine Verantwortung trägt, nichts zu tun hat und auf niemanden achten muss. Mit einem kleinen Lächeln, schaltet sie ihre Musik laut und starrt aus dem Fenster. Die Häuser kann sie kaum erkennen, doch dies stört sie keines Wegs. Manchmal beobachtet sie die Menschen im Zug, oder spielt auf ihrem Handy ein dummes Spiel, welches ihre Schwestern installiert haben. Ein paar Mal, ist sie sogar vor Erschöpfung eingeschlafen. Doch die meiste Zeit, verbringt sie mit träumen. Von einem eigenem, kleinen Atelier, bis him zu einer Liebesgeschichte im Zug. Liebendgerne taucht sie in andere Welten ein und vergisst die Realität. Doch diese Träume dauern immer nur wenige Minuten. Danach ist sie wieder in der Realität und richtet ihre Tasche, um auszusteigen. Selbst wenn Eden gerne träumt, so kann man sie nicht als träumerisch bezeichnen. Diese Gedanken sind oft kindisch und keineswegs Realitätsnah. Sie wagt es nicht über etwas zu träumen, was sie am Ende nur verletzten würde. Sie weiß, dass sie nie eine berühmte Künstlerin werden würde und auch das sie sehr wahrscheinlich nicht studieren wird. Beim Gedanken, dass sie ihr Schwarm, Jackson Clarke, sie ebenfalls mögen würde muss sie schon fast lachen. Sie hat sich längst mit der Tatsache abgefunden, dass es nicht so kommen wird, wie sie es will, doch dies ist vollkommen in Ordnung. Eden ist, auch ohne all das, glücklich, denn sie hat ihre Schwestern und Felicitas, vielleicht wird sie ja auch einen guten Job finden der ihr gefallen wird.
Immer noch in Gedanken, spaziert sie von der Station zum Wohnkomplex wo sie mit ihrer Familie lebt. Vollkommen erschöpft besteigt sie noch die Treppe bis in den vierten Stock und öffnet schließlich die Türe.
Maria und Cora sitzen im Wohnzimmer auf der Couch und spielen mit ihren Puppen während Katharina in der Küche steht und aufräumt.
,,Schon wieder da?", meint die junge Frau verblüfft und dreht sich kurz um. Sie selbst ist auch erst vor einer Stunde angekommen und hat sich noch nicht einmal umgezogen. In einer unbequemen Jeans und einem Hemd des Supermarktes, steht sie in der Küche und erledigt den Abwasch.
,,Ja. Ich wollte lieber zuhause lernen.", antwortet Eden schulterzuckend und zieht sich ihre Jacke aus.
,,Okay.", nickt die älteste der Romero-Schwestern, während das braunhaarige Mädchen sich Kaffe in eine große Tasse gießt.,,Hast du hunger?"
,,Nein. Wenn du mich brauchst, ich bin in meinem Zimmer.", murmelt sie und verschwindet mit ihrer Tasche im Raum nebenan.
Es ist erst halb acht abends und entspannt, da sie noch Zeit hat, fängt sie an ihre Hausaufgaben zu erledigen und zu lernen. Es vergehen ein paar Stunden, in denen sie arbeitet, ihren Schwestern hilft und aufräumt, als sie schließlich ihren Blick vom Buch hebt, um auf die Uhr zu blicken, entscheid sie sich aufzuhören.
Kurz nach Mitternacht, nachdem sie sich endlich umgezogen und geduscht hat, schleicht das Mädchen ins Wohnzimmer. Katharina hat längst alles aufgeräumt und liegt nun schlafend auf der Couch, welche sie auch als Bett benutzt. Sie schnarcht leise vor sich hin, während der Fernseher immer noch läuft. Stumm schaltet Eden diesen aus und verlässt ihre ältere Schwester, um nach den Zwillingen zu sehen. Ihr Zimmer liegt genau gegenüber von dem ihren und ist ein wenig größer. Auch Cora und Maria schlafen längst, nur noch das grünäugige Mädchen geistert in diesem Haus herum.
Es ist schließlich 01: 41, als sich Eden durch das Fenster in ihrem Zimmer quetscht und auf die Feuerleiter klettert. Tief atmet sie die kalte Nachtluft ein und schließt ihre Augen. In ihrer Hand befindet sich eine Zigarette und mit der Anderen fährt sie sich übers Gesicht. Ein weiterer Tag ist vorbei und den nächsten kann sie schon fast sehen. Sie hat nur noch ein paar Stunden zum schlafen und selbst in diesen kann sie keine Ruhe finden. Für einen kurzen Augenblick sieht sie auf die Stadt, vor ihren Füßen, ehe sie ihren Blick abwendet, den Zigarettenstummel Weg wirft und wieder nach drinnen geht.
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E X H A L E
Teen Fiction| German | Eden and Rovan. Two sides of the same coin. Start: 08. 03. 2020