runtergeschluckt (III)

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Und doch,
steh' ich jetzt wieder hier
und kann nur daran denken,
wie sehr,
ach, verdammt,
wie sehr ich jetzt,
genau in dem Moment,
einfach nur geh'n würde.
Raus,
raus aus der Tür,
raus aus dem Laden,
Hauptsache nur weit, ganz weit,
weit weg von hier.

Denn,
gerade eben,
eben in diesem Moment,
kam wieder einer von der and'ren Sorte.

Von der unerträglichen Sorte,
bei der ich einfach nur
flüchten möchte.

Der Kunde
- ich nenn ihn mal Herrn Haas-
kommt samstags oft hierher,
um Kaffee zu trinken,
mit Milch,
ja bitte,
und 'ne Laugensemmel
samt etwas Butter.

Er zahlt gut
und gibt auch Trinkgeld,
das ist nicht das Problem,
nein.
Das Problem sitzt tiefer
so viel tiefer.
Es bringt mein Innerstes zum Kochen.

Ich kann es nicht leiden,
wenn er kommt.

Ich kann mich nicht leiden,
wenn er kommt.

Weil das bedeutet,
dass ich ihm
und seinen Reden
für mindestens 30 Minuten
ausgesetzt bin.
Schonungslos.
Erbarmungslos.

Ich muss mir anhör'n,
wie schlecht,
ach, verdammt,
wie schlecht doch diese Welt ist,
in der wir alle heute leben.
Wie korrupt die Bildungspolitik,
wie dumm die Grünen,
die doch tatsächlich
an den Klimawandel glauben,
wie
- ach, ich kann es nicht mehr hören!

Hilflos
bin ich ihm ausgeliefert.
Hör' mir sein Reden an
und
kann nur nicken
und lächeln
und zustimm'n.
Selbst wenn mir innerlich
nach Schrei'n
zumute ist.

Er lässt nicht zu,
das jemand
es auch nur wagt,
sein Weltbild zu verändern.
Er sitzt auf seiner Meinung fest,
engstirnig.

Und hat vergessen,
dass er selbst
das Einzige ist,
was er ändern könnte
- in der ach-so-schlechten-Welt -
und das auch sollte.

Ich tu also
's Einzige,
was geht:
Ich hör' ihm zu.

Und ich schluck' ihn 'runter,
meinen Ärger,
denn,
ich kann
schließlich
nicht geh'n.

Ich schluck' ihn 'runter,
meinen Ärger,
kleb' mir ein neues Lächeln ins Gesicht
und versuch' zu retten,
was nicht mehr
zu retten
ist.

Poetry Slams - meine kleine SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt