Kapitel 4 Eine alternative Begegnung

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Es war bereits später Nachmittag, als Franzi mit dem Zug im Bahnhof ankam. Mannomann, jetzt konnte sie Michi schon etwas verstehen. Es war wirklich ein riesen Aufwand von ihrer Heimatstadt hierhin zu kommen. Sie musste 5 Mal umsteigen und war zwischenzeitlich 2 Mal am selben Bahnhof, weil die Züge nicht anders fuhren oder einfach ausfielen. Sowas macht eine Fernbeziehung natürlich noch härter, als sie eh schon ist. Wenn dann irgendwas dazwischen kommt, was der Detektivclub ja öfters mal macht, dann musste das für Michi echt frustrierend gewesen sein. Naja, machste nix, jetzt isses wie es is und dat kannste auch nich mehr ändern. Also, Konzentration auf den Fall. Franzi hat die Adresse von Kim zugemailt bekommen. Hoffentlich ist sie noch aktuell. Franzi wusste, dass Studenten öfter mal umziehen. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben. Manchmal kommen sie mit ihren WG-Mitbewohnern nicht klar oder sie müssen flüchten, weil sie ihre Schulden, welche sie für ihr wildes Partyleben aufnehmen, an den Kredithai nicht mehr zurückzahlen können. Moskauinkasso kennt da nichts.

"Ah, hier ist es. Lurchstraße 5b.", Franzi klingelte bei "Milbrandt und Schulze". Ein Summer ertönte und Franzi konnte die Tür öffnen. Sie ging ein schäbiges Treppenhaus hinauf. Von den Wänden rieselte der Putz und Franzi hörte die Ratten in den Wänden. Nettes Ambiente, dachte sie sich. Im zweiten Stock war die Tür zu einer Wohnung bereits offen und eine Person stand im Eingang, angelehnt am Türrahmen. Die Person hatte schulterlanges Haar und kräftige Arme. Generell war sie sehr breit gebaut, doch das Gesicht hatte zarte feminine Züge und kein einziges Barthaar war zu erkennen. Franzi würde einfach nach ihrem Vorname fragen, dann wüsste sie welches Geschlecht sie hat. "Hi, ich bin Franzi Winkler und du bist?". "Robin. Robin Schulze.", antwortete die Person. Verdammt, ein Unisexname! Robin schaute sie fragend an: "Und was willst du jetzt?". "Oh, ah, na klar. Hier ist unsere Karte.", Franzi übergab Robin die Visitenkarte der drei !!!. "Soso, die drei Ausrufezeichen. Die drei Detektivinnen. Wir lösen jeden Fall. Kim Jülich, Franziska Winkler, Marie Grevenbroich. Äh, seid ihr nur Mädchen?", fragte Robin. "Ja, ganz genau.", antwortete Franzi. "Das ist super! Ich bin voll für Feminismus! Die meisten Detektive sind ja ekelhafte, machomäßige weiße Cis-Männer. Du siehst nicht aus wie ne Cis? Bist du eine?", fragte Robin wieder. Franzi war schwer verunsichert. Sie hatte diesen Ausdruck zwar mal am Rande gehört, was das ist weiß sie aber nicht. "Ja, also ich hab schon ne Sis und n Bro. Also bin ich ja auch ne Sis, ne?", versuchte sie in dem Slang von Robin zu antworten. Robin schaute sie lange streng und nachdenklich an. Franzi wurde nervös. Warum reagiert Robin nicht? Dann entspannte sich die Lage: "Na, wenn das so ist, dann komm doch rein. Ich mache gerade veganes Rührei, willst du vielleicht etwas? Oder n laktosefreien Tee?", lud Robin sie ein und machte eine einladene Bewegung. Franzi wurde auch ruhiger: "Einen Tee nehme ich gerne.". Sie betrat eine völlig unordentliche Studentbude. Überall lag Wäsche herum und die Inneneinrichtung war zum Teil sogar umgeschmissen. Diese Studenten leben wirklich, wie die Tiere. Robin wies Franzi in die Küche und sie setzte sich auf einen Stuhl, der merkwürdig klebte. Robin nahm zwei baumwollfreie Teebeutel der Sorte "Rooiboos Marmite". Diese übergoss er mit heißem "Bonaqa" Wasser. "Hier!", Robin gab Franzi eine Tasse mit einem Pinguin der: "Gay is okay" sagt. "Der Tee muss jetzt vierfünffünftel Minuten ziehen. Ich aktiviere meine vegane, plastikfreie, polyesterfreie, palmölfreie Eieruhr. Also..", Robin setzte sich ihr gegenüber. "Lass uns reden." Franzi wollte gerade etwas sagen, da fing Robin auch schon an: "Was hälst du von der Linken?". Franzi verstand die Frage nicht: "Äh, ich bin Rechtshänderin.". Robin nickte nur. "Feminine Form. Finde ich sehr gut. Wenn du nicht für die Linke bist, dann also eher grün?" Robin hatte echt komische Themensprünge, aber Franzi musste mitspielen, wenn sie etwas über Michi erfahren wollte. "Ja, Grün ist schon ne schöne Farbe, aber Blau und Gelb finde ich auch schön". Bei diesen Farbtönen zuckte Robin geradzu zusammen. Das war Franzis Chance: " Robin, ich bin hier um etwas über Michi zu erfahren. Er ist doch dein Mitbewohner oder?". Robin rieb sich das Kinn: " Ja, aber ich hab ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Michi ist echt nett. Er hat mir sogar n Job verschafft. Sein alter Arbeitsplatz in der Hafenkneipe "Zum alten Hafen". Den hab ich jetzt.", Robin grinste. "Ok, gestern hast du ihn das letzte Mal gesehen. War er da irgendwie anders?", fragte Franzi weiter. "Oh, Michi war schon lange nicht mehr er selbst. Er is dem Alkohol verfallen. Er wurde von uns Kommilitonen*innen auch schon "Michi Milzbrandt" genannt." Er lachte kurz:"Ja, wir haben alle kein Biologie studiert. Ich zum Beispiele studiere soziale Arbeit." Michi ist Alkoholiker? Das wäre eine neue Spur! "Hat Michi viel getrunken?". "Oh ja. Er war schon gar nicht mehr er selbst. Wenn er gesprochen hat, hat eigentlich immer der Alkohohl gesprochen." Robin beugte sich zu Franzi rüber: "An unserer Uni munkelt man schon, dass ihn der Baron erwischt hätte.". Franzi erschrak: "D-der Baron?". Robin nickte bedächtig: "Man sagt, dass die Uni damals ein Schloss war und der berüchtige Karl Theodor von Braunschweig III., das hat nichts mit der Stadt zu tun, ist einfach sein Name, darin hauste. Er selbst...". Die Eieruhr klingelte. Viel zu spät. "Oh, Mist! Das verdammte Ding funktioniert einfach nicht zuverlässig. Och man, den Tee können wir jetzt vergessen.". Franzi konnte es nicht fassen: "Ja, is doch egal. Die Legende vom Baron?". "Hä, achso ja, der Baron war selbst sehr alkoholabhängig und hat die Steuern seiner Untertanen immer weiter erhöht und versoffen. Tja, irgendwann kam das wohl raus und die Bevölkerung hat aufbegehrt, sie schnallten ihn auf die Guillotine, also Kopf ab halt.". Franzi war entsetzt: "Boah, ehrlich?". "Ja und das war es noch nicht. Denn kurz bevor das Beil fiel, bereute er seine Sucht und verfluchte sich selbst auf ewig dafür zu sorgen, dass sein Schloss "trocken" bleibe. Man erzählt sich heute, dass er trinklustige Studierende verschwinden lässt, wenn sie sich mal was in der Uni gönnen. Und Michi wurde vorgestern dabei gesehen, aus einem Flachmann getrunken zu haben." Franzi fand die Geschichte unglaubwürdig: "Das ist doch völliger Blödsinn. Wer glaubt denn sowas!?". "Tja, offensichtlich viele Studierende und Michi hing an der Flasche, er lebte förmlich dafür. Ich lebe ja für Mate. Du auch, nicht wahr?". "Äh, also mein Lieblingsfach ist Sport.", Franzi sah auf die Uhr. Robin brummte: "Hm, was hälst du denn von Gras? Der Geruch ist doch herrlich, nicht?". "Äh, ja genau. Ich liebe es, wenn das Gras frisch gemäht ist. Ich komme ja auch vom Hof. Und da muss ich jetzt auch wieder hin. Also...", Franzi stand auf und ging schnell Richtung Tür. "A-aber bleib doch noch! Ich weiß ja noch gar nicht, was du für ne Seife von Lush benutzt!". Franzi knallte die Tür zu. Robin war komisch. Und außerdem wusste sie immernoch nicht, ob er ein Junge oder ein Mädchen war. Auf dem Rückweg zum Bahnhof, glaubte Franzi verfolgt zu werden, doch sie konnte keinen Verfolger ausmachen.

Die drei !!! - Michi wird entführtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt