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Thalia

Während sich der Großteil meiner Freundinnen stets auf Partys und mit Männern herumtrieben, war ich die Bodenständige, die eigentlich nur für die Firma und ihre Familie lebte.

Also, nicht um das falsch zu verstehen, natürlich ging ich hier und dort mit den Mädels aus und ich habe auch ein Sexleben. Na ja, zumindest hatte. Nichts Festes. Eher belanglos, aber meine Eltern hatten mir heute anscheinend die Option genommen für mich selbst entscheiden zu können, ob und wann ich mich an einen Mann binde. Während ich auf meinem Sofa lag und den dampfenden Tee besah, der auf dem Wohnzimmertisch stand, kam mir hier und da der Gedanke nicht doch einmal nach Matthew Johnson zu Googeln. Ich würde mich nicht als neugierig bezeichnen, das war ich schon als Kind nicht. Aber irgendwo in mir drin wollte ich doch wissen, worauf ich mich einlassen müsste.

Der Name Johnson war mir natürlich ein Begriff. Schon damals, als ich für mein Studium in England war, kam ich mit dem Namen in Berührung. Sie waren immer auf der Suche nach Nachwuchstalenten, die sie fördern und in ihre Firma aufnehmen konnten. Dafür blickten sie auch über den großen Teich. Ich habe es ja selbst nicht anders gemacht. Nie hatte ich das Gefühl mich, hier in Anaheim, nicht wohlzufühlen. Doch als die Chance kam, habe ich sie ergriffen, um Stolz zu meiner Familie zurückzukehren, nachdem ich meinem Abschluss in der Tasche hatte.

Hier ist mein Zuhause, hier sind die Menschen, die ich Liebe und denen ich vertraue. Wenn Matthew und ich diese Verbindung eingehen sollten, wie würde es dann am anderen Ende des Landes für mich sein?

Würde dann dort mein Zuhause sein?
Würde ich mich eingliedern können?
Was erwarten diese Menschen überhaupt von mir?

Mein Gedankenfluss wurde unterbrochen, als mein Handy mir signalisierte, dass ich eine Nachricht bekommen habe. Resigniert nahm ich es in meine Hand und hoffte, dass es keines meiner Elternteile sein würde, die das Gespräch auf die Johnsons lenken. Doch ein Blick genügte und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich erkannte, dass es Nora war. Meine beste Freundin.

Wir kennen uns schon seit über fünf Jahren. Sie ist sechs Jahre älter als ich und lebt gemeinsam mit ihrem Langzeitfreund Jeff in Los Angeles. Wir haben uns abends in einem Club kennengelernt, als sie mir ihren Rotwein übers Shirt kippte, nachdem sie gestolpert ist und ich sie, aus Reflex, auffing. Einige Drinks und viel Gelächter später tauschten wir Nummern aus und sind seitdem unzertrennlich. Wie konnte ich mich auch nicht an dieses großartige Mädchen mit den brauen Augen hängen, die mir die Schwester war, die ich mir immer wünschte.

Sowie ich ihre Wahlschwester wurde denn ihre eigene, Bridget, war nun wirklich ein spezieller Fall. Wenn man nicht wüsste, dass sie Schwestern sind, würde man es auch nie erkennen. Während Nora mit ihren braunen Augen und den Kastanienfarbenden Haar einfach nur Wärme ausstrahlt, ist Bridget, die sich zwar die Augen- sowie Haarfarbe mit ihrer Schwester teilt, das komplette Gegenteil. Allein das Auftreten macht den Unterschied zwischen den beiden klar. Während Nora die Bodenständige der beiden ist, zählt für Bridget nur ihr eigener Vorteil. Und den verschafft sie sich, vor allem finanziell, mithilfe von Männern.

Mit ihren 31 Jahren sieht sie nicht die Notwendigkeit, darin sich einem Partner zu verschreiben, sondern hüpft gerne von Bett zu Bett. Ob sie damit ganze Familien auseinanderreißt, ist ihr egal. Denn, ob das Objekt ihrer Begierde verheiratet ist, oder nicht, interessiert sie schlichtweg nicht. Ich wusste lange Zeit nicht einmal, dass die beiden Geschwister sind. Bridget arbeitet bei uns in der Firma am Empfang, gibt sich aber zumindest dort meist professionell und schmachtet die Kunden nur im Stillen an.

Als Nora mir offenbarte, wer sie ist, bin ich glatt aus allen Wolken gefallen. Nie im Leben wäre ich drauf gekommen, dass sie Schwestern sind und wenn ich ehrlich bin, sehe ich Bridget auch lieber von hinten als von vorne.

Babe, wie war das Frühstück?

Wir beide haben vor Jahren, irgendwann einmal damit angefangen, uns gegenseitig Kosenamen zu verpassen und unserer Kreativität sind dort keine Grenzen gesetzt. Zum Glück versteht Jeff uns und hat bezüglich unser Anreden für einander nie eine Szene gemacht. Gerade in der Öffentlichkeit haben wir damit schon so einige Blicke auf uns gezogen.

Liebe meines Lebens... Es war eine Katastrophe!

Wie sollte ich meiner besten Freundin, die möchte-gern-Verlobung erklären, ohne dass sie komplett ausflippt. Denn so liebevoll sie auch mit Jeff und mir umgeht, so schnell kann sie in die Luft gehen wie eine Rakete.

Sekt-Katastrophe oder etwas Stärkeres?

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es gerade einmal elf Uhr vormittags war. Obwohl ich die Woche frei hatte, konnte und wollte ich um diese Uhrzeit noch keinen Alkohol zu mir nehmen.

Nach Alkohol ist mir gerade wirklich nicht. Aber wie wäre es mit einem Mittagessen? The Palm? Ich würde mich sofort auf den Weg machen. In einer Stunde könnte ich da sein. Reservierst du?

Ich liebe das Essen im The Palm. Generell liebe ich gutes Essen und Danke Gott dafür das er mich mit guten Genen gesegnet hat. Ich bin nicht faul, aber Sport zählt nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Deshalb war ich froh, dass man mir auch mein häufiges Verlangen nach Süßem nicht ansieht. Da ich auch weiß, dass Nora gerne gut isst, erhob ich mich von meinem Sofa, um meine Handtasche zu packen und überprüfte im Spiegel schnell mein Make-up und die Frisur. Als eitel würde ich mich nicht bezeichnen, aber gutes Aussehen kann einem einige Türen öffnen.

Meine Eltern hatten bei John und mir wirklich gute Arbeit geleistet. Beide blond, beide grünäugig und beide mit einem IQ gesegnet, der andere in den Schatten stellt. Jenes kann schnell Neider anziehen, doch aufgrund unseres Engagements für wohltätige Zwecke wirkten wir zumindest diesen etwas entgegen. In der Öffentlichkeit zu stehen hatte auch seine Schattenseiten, aber ich kannte es nicht anders und war stets bemüht, niemandem eine Angriffsfläche zu bieten.

Die Antwort meiner besten Freundin ließ nicht lange auf sich warten und gerade, als ich die Wohnungstür hinter mir schloss, um zu meinem Auto zu gehen, gab mir mein Handy auch schon anhand des Signaltons zu verstehen, dass Nora antwortete.

Erledigt. Ich freu mich :*

Mein verfluchter VerlobterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt