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Matthew

Meine Mutter und ihre Freundin Josephine waren schwerer zu hüten als eine Horde Kinder. Eigentlich wollte ich die beiden nur in der Stadt herauslassen und danach einen Jugendfreund besuchen. Im Endeffekt hatten sie mich in jeden Laden geschliffen und als Taschenträger missbraucht. Wenn Jos Tochter genauso wie ihre Mutter wäre, dann konnte ich mir die Kugel geben. Dieses Gegacker die ganze Zeit über war kaum zu ertragen.

Die Frauen an meiner Seite bevorzugte ich für gewöhnlich still. Dieses Victoria Secret Model, mit dem ich letztens aus war, hatte eine so unangenehm quietsche Stimme, genauso wie der Rest ihrer Freundinnen an diesem Abend, dass ich Kopfschmerzen bekam. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt jedoch gewusst hätte, in welchen Mist meine Erzeuger mich da ritten, wäre es nicht nur bei einem Drink mit ihr geblieben. Dass ich mit Mitte 30 eine Frau von meinen Eltern vorgesetzt bekam, noch dazu eine zehn Jahre jüngere, hätte ich mir nie zu träumen gewagt.

Dieser Altersunterschied trieb mir regelmäßig den Schweiß ins Gesicht. Ich ging natürlich gerne mit meinen Freunden aus, aber mit Anfang 20 gehen die Leute doch lieber in irgendwelche Clubs, in denen die Musik laut dröhnt. Jedenfalls war es damals bei mir so. Unsere Interessen würden komplett verschieden sein. Während ich das Geld verdiene, schmeißt das verwöhnte Gör dieses wahrscheinlich mit beiden Händen aus dem Fenster. Ich ging schon mit einigen Frauen aus, meist jedoch in meinem Alter und alle hatten es nur auf mein Geld abgesehen. Wieso sollte es also bei Thalia anders sein? Vor meinem inneren Auge sah ich den ganzen Karren schon gegen die Wand fahren. Dieses Kind, wie ich sie gerne in meinem Kopf betitele, wird mein persönlicher Ruin.

„Wir kommen zu spät."

Ich schaute nach hinten auf die Rückbank meines Wagens und blickte Jo und meine Mutter an. „Wenn ihr beide nicht in jeden Laden gestürmt wärt, könnten wir schon längst wieder zurück sein."

„Nicht in diesem Ton", ermahnte meine Mutter mich scharf. „Und nun fahr schon los. Wir wollen doch nicht noch später kommen."

Manchmal hatte ich das Gefühl, sie dachte ich wäre noch zwölf, nicht 32. Ich gab Gas und fädelte mich in den Verkehr ein, um die beiden Drachen auf meiner Rückbank sicher ans Ziel zu bringen, nur um mich dann auch gleich darauf meinen eigenen zu stellen. Ich hatte keine Ahnung wer Thalia St.James war und was da auf mich zu kam. Bash, der Anwalt unserer Firma, mein bester Freund und Zeitgleich ewiger Konkurrent, hatte bei der Verlautbarung meiner Eltern im Büro, bei der er ebenfalls anwesend war, lautstark gelacht und meinte ich bekomme bestimmt eine Fette. So oder so... Ich war am Arsch.

Der Verkehr war, wie zu erwarten, die Hölle und meine beiden liebreizenden Begleitungen auf der Rückbank hatten es nicht besser gemacht. Es kam mir so vor, als würde mein Schädel jeden Augenblick explodieren. Kaum hatte ich den Wagen geparkt, sprangen sie förmlich aus dem Auto. Jedoch nicht ohne mir vorherzusagen, dass ich mich gefälligst beeilen sollte, immerhin wären wir schon 45 Minuten zu spät.

Ich folgte den beiden in das Gebäude, an dessen Empfang eine Mitarbeiterin damit beschäftigt war sich die Nägel zu lackieren. Wo zur Hölle war ich hier nur gelandet? Josephine ging zielstrebig voran und wir folgten ihr durch die Gänge. In einem großen Raum angekommen, sah ich schon meinen Vater stehen. Die beiden neben ihm sind wahrscheinlich Norman St.James und dessen Sohn. Die Unterhaltung, die sie führten, wurde von deren Frauen unterbrochen, die sich zu ihren jeweiligen Partnern gesellten.

Mein Vater blickte nun in meine Richtung und machte eine einladende Handbewegung. „Gut, dass du da bist mein Junge. Ich würde dir gerne Norman St.James und dessen Sohn John vorstellen."

„Sehr erfreut." Ich gab beiden die Hand und während Norman mich bei unserem Händedruck anlächelte, bekam ich das Gefühl, dass John vorhatte mir meine Hand zu brechen. Sein eindeutig aufgesetztes Lächeln bestätigte mir diese Vermutung. Mutter und Jo verabschieden sich noch einmal kurz, um sich frisch zu machen und verließen den Raum.

„Wir bevorzugen hier normalerweise Pünktlichkeit", sprach mich der verzogene Bengel, der sich Erbe nannte, an.

„Das nächste Mal kann auch gerne jemand anders mit den beiden losziehen. Eigentlich war der Verlauf meines des Tages so nicht geplant." Ich blickte meinen Vater und Norman an. „Aber ihr kennt eure Frauen wahrscheinlich am besten und wisst was ich meine."

Die beiden alten Herren lachten daraufhin und schlossen Wetten darauf ab wer wie viel wo ausgegeben hat.

„Mache dir nichts daraus Junge", sprach Norman mich an, legte seine Hand auf meine Schulter und klopfte sanft darauf. „Wir haben schon damit gerechnet, dass so etwas passiert und müssen gestehen, dass wir dir durchaus dankbar sind, dass es dich erwischt hat und keinen von uns."

„Wenn sie zusammen sind, ist es jedes Mal recht anstrengend", bestätigte auch nun mein Vater.

„Recht anstrengend ist gar kein Ausdruck." Die beiden hatten mir ganz schön zugesetzt. „Es tut mir auch wirklich leid, dass wir zu spät sind. Aber sie waren einfach nicht zu stoppen."

„Es ist alles in Ordnung. Wir sollten uns, sobald die Damen wieder da sind zu den anderen begeben. Thalia sollte gleich mit der Presse durch sein. Sie plant jedes Mal eine knappe Stunde für die Meute ein. Danach beginnt der eigentliche Empfang."

„Deine Tochter macht die Pressearbeit?" Mein Vater war erstaunt und ich musste zugeben, dass ich es auch war.

„Ich würde mir das gerne ansehen." Wenn sie ihre Sache gut machte, hatte ich zumindest eine Aufgabe in Washington für sie.

„Gerne. Du solltest aber ohne deinen Vater hereingehen. Wenn die Presse euch noch während der Konferenz bemerken sollte, könnte ich mir vorstellen, dass es etwas ausartet." Norman führte mich in einen abgetrennten Bereich und schon durch die Tür hörte ich lautes Lachen. Als ich den Raum betrat, sah ich mit Sicherheit 20 Pressevertreter auf Stühlen sitzen und als ich nach vorne blickte, traf es mich wie ein Blitz.

Mein erster Gedanke, als ich Thalia erblickte, war, dass sie eine Elfe sein musste. Die überaus hübsche Blondine trug eine weiße Bluse und einen unverschämt kurzen Rock, der ihre langen Beine zur Geltung brachte. Wenn ich das durch die Entfernung richtig einschätzen konnte war sie mindestens einen Kopf kleiner als ich und brachte mit ihrer Ausstrahlung einfach jeden in diesem Raum zum Strahlen.

„Miss St.James, eine Frage noch."

„Bitte, nur zu", antwortete die Elfe dem Reporter und ich lehnte mich gegen die Wand und verschränkte meine Arme vor der Brust. Ich war wirklich gespannt, wie sie mit ihm fertig wird. Ich kannte ihn. Smith, so war sein Name, arbeitete für ein großes Pharmablatt. Er war anstrengend und kostete mich selbst jedes Mal einiges an Nerven.

„Wollen Sie uns wirklich weismachen, dass ihre ganze Produktpalette ohne Tierversuche hergestellt wird? Woran testen Sie dann ihre Medikamente?"

Die Kleine lächelte einfach weiter. Einige hätte eine solche Frage, so eine Unterstellung, sicherlich aus der Bahn geworfen, aber Thalia anscheinend nicht.

„Da ich Sie vorher noch nie hier gesehen habe gehe ich davon aus, dass Sie das erste Mal bei uns zu Gast sind. Ihre Kollegen hier wissen, wie wir es machen und können Ihnen das mit Sicherheit auch bestätigen."

„Und wie machen Sie es?"

Der kleine Bastard klang genervt. Thalia lächelte und auch die anderen in diesem Raum können sich ein Kichern nicht verkneifen. Was ging hier nur vor?

„Für gewöhnlich nehmen wir Reporter, die sich nicht die Mühe machen sich über ein Unternehmen zu informieren und diesem dann irgendwelche Dinge zu unterstellen. Unsere Medikamente testen wir also an Leuten wie Ihnen."

Der ganze Saal brach in Gelächter aus. Thalia lächelte weiterhin, hatte nun aber eine Art Broschüre in der Hand und ging auf Smith zu und drückte ihm diese in die Hand.
„Dort steht alles drin, was Sie wissen möchten. Es tut mir leid, dass ich Sie eben so vorgeführt habe." Die Kleine entschuldigte sich tatsächlich bei diesem Schmierlappen und der lächelte auch noch zurück.

„Ich muss zugeben, das kam plötzlich aber Sie haben gut gespielt Miss St.James. Andere können sich etwas von Ihnen abschauen."

„Wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben, dann würde ich sie nun alle in den großen Saal bitten. Dort erwartet sie noch eine kleine Stärkung."

Die kleine Elfe zeigte auf eine Tür zu ihrer linken und die Reporter bedankten sich bei ihr und verschwanden nach und nach durch diese. Zum Schluss blieben nur noch wir beide im Raum. Die kleine Elfe und ich.

Mein verfluchter VerlobterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt