Schall und Rauch

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„Alles in Ordnung?" Ich schaue hoch und blicke in Desmonds grüne Augen. In die ich mich verliebt und verloren habe. Und auch jetzt betrachten sie mich voller Liebe und Besorgnis. Nur kann ich davon nichts annehmen oder erwidern. In meinem Innern herrscht ein solches Chaos, dass ich nicht mehr ein noch aus weiß.

„Wie konntest du nur?", stoße ich zittrig und etwas heiser heraus. Auf seiner Stirn zeichnet sich eine steile Falte ab, die zu seinem verwirrten Gesichtsausdruck passt. Doch auch das zählt für mich nicht, denn er hat mich angelogen. Die ganze Zeit.

„Ich dachte du ... du empfindest etwas für mich", mache ich weiter, ohne auf ihn zu achten. Ich stehe nur in meinem Schlafshirt vor dem Bett, in meiner Hand halte ich noch immer sein Handy fest. Fast so, als wäre es der einzige Rettungsanker der mir noch geblieben ist. Zuerst die Sache mit Sam und dann das, schlimmer könnte es nicht kommen.

„Ich weiß nicht wovon du sprichst. Sicher empfinde ich etwas für dich, sehr viel sogar", sagt er ruhig und kommt nur in einem Handtuch bekleidet ins Zimmer. Sein Oberkörper ist noch nass und kleine Wassertropfen bilden sich auf seiner Haut. Rinnen über seine Brust und verschwinden im Bund des Tuchs. 

Was sonst immer Begehren in mir ausgelöst hat, weckt nun keine mehr, sondern ein Gefühl von Scham. Denn das ich mich auf ihn eingelassen habe, hätte nicht passieren dürfen. Nicht so schnell und nicht so verdammt intensiv.

„Fallon, bitte sag mir was los ist." Seine Stimme klingt alarmiert, was er auch sollte. Ich strecke ihm wortlos sein Handy hin und schaue zu Boden, denn ich kann seinen Blick nicht ertragen. Tränen sammeln sich in meinen Augen, als er die Nachricht liest. Was er gar nicht muss, denn er kennt die Worte bereits, die darin stehen. Er hat mich die ganze Zeit für dumm verkauft.

„Fallon, ich ... ich kann das erklären. Wirklich ...", stammelt er und sieht mich an. Ich spüre es, doch ich schüttle den Kopf und wende mich von ihm ab. Mit dem Rücken zu ihm stehe ich da und muss mich beherrschen nicht gleich los zu schluchzen. Was ich wirklich gerne tun würde, aber irgendetwas hält mich davon ab.

„Sieh mich bitte an." Seine Stimme ist nur ein leiser Hauch und berührt mich auch, doch ich kann das jetzt nicht zulassen.

„Wieso?", wispere ich. „Wieso hast du mich belogen?" Ich drehe mich nicht um, sondern klammere mich an eine plausible Erklärung. Die mir aber nicht einfallen will und ihm auch nicht. Denn sonst hätte er schon längst etwas dazu gesagt. Aber Desmond schweigt lieber und mit jeder Sekunde die still und leise vergeht, lässt mein Herz in noch kleinere Teile zerbrechen.

„Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte", setzt er an. Langsam drehe ich mich zu ihm um und kann die Tränen nicht länger zurück drängen. Sie rinnen mir über die Wangen und tropfen auf mein Shirt. Das eigentlich seines und mir viel zu groß ist, aber ich fühle mich darin einfach viel zu wohl, als das ich es ausziehen würde. 

Gott, wie klischeehaft, aber es ist die Wahrheit. Oder besser gesagt eine Lüge, denn scheinbar alles scheint auf einer Lüge aufgebaut zu sein. Jede einzelne Schraube, jede noch so kleine Veränderung in meiner Wohnung ist nichts weiter als Schall und Rauch.

„Anscheinend gar nicht." Die Verbitterung ist nicht zu überhören, was Desmond den Blick senken lässt. Er fährt sich mit der Hand durch die blonden Locken und während sich seine Brust immer heftiger hebt und senkt, hört meine gänzlich auf. So kommt es mir zumindest vor, denn ich bekomme immer schwerer Luft.

„Wie lange wusstest du schon, dass du ans andere Ende des Landes ziehst?" Er sieht mich überrascht an und ich frage mich wieso. 

Was hat er erwartet?

 Das ich es nicht beim Namen nenne? Das ich es unausgesprochen lasse und es nur bei einer Andeutung bleiben lasse? Nein. Nein. Nein.

„Ich ...ich. Seit Ende Oktober." Ich nicke, denn das ist das Einzige, was ich noch zustande Bringe. Auf einmal habe ich das Bedürfnis auf ihn loszugehen, ihm mit meinen Händen eine zu verpassen und ihm den Schmerz zuzufügen, der sich gerade durch meinen Körper wühlt. Er frisst sich durch meine Eingeweide, bis nichts mehr übrig ist und nur noch eine leere Hülle vorhanden ist.

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