Mut tut eben doch gut

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Noch immer nieselt es, meine Haut fühlt sich schon ganz kalt unter der klammen Kleidung an und dennoch spüre ich davon nicht viel. Denn in meinem Herzen breitet sich eine Wärme aus, die sich überall hin ausbreitet. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Desmond hier ist. 

Hier auf einem Flohmarkt!

„Was machst du hier?", frage ich überrascht und schaue ihn mit großen Augen an. Desmond sieht mich genauso erstaunt an. Er trägt ebenfalls eine Mütze, die sein blondes Haar verdeckt und vor dem Regen schützt. Sonst sieht er aus wie immer und doch irgendwie verändert.

„Na ja, ich hatte gerade Zeit und da dachte ich mir probiere ich das hier mal aus", er macht eine allumfassende Bewegung mit seinen Händen um den Flohmarkt, die Musiker und die leckeren Essensgerüchte einzufangen.

„Das ist schön", sage ich und kann das Lächeln nicht aufhalten, welches sich auf meinem Gesicht ausbreitet.

„Und du?" Seine Frage ist schwerer zu beantworten, also laut genug, damit er es hört. Denn dann müsste ich ihm gestehen, wie sehr mich unser Auseinandergehen schmerzt und das es mich Kraft gekostet hat weiter zu machen, als wäre nichts gewesen. 

Und wenn ich in sein Gesicht schaue – unter seinen Augen haben sich leichte Schatten gebildet und seine Augen wirken nicht mehr so glänzend – dann hat er es vielleicht auch nicht so gut weggesteckt wie ich. Was leichte Hoffnung in mir weckt, auch wenn ich dem Braten noch nicht trauen will oder kann. 

Als ein Blitz den Himmel über uns plötzlich erhellt zucke ich zusammen und lasse das Charles Dickens Buch fallen. Fast wie in Zeitlupe sehe ich zu, wie es nach unten segelt, doch bevor es auf den nassen Boden fällt, fängt es Desmond auf und rettet es. Und mich auch.

„Hier", meint er leise, als er es mir überreicht. Als unsere Finger sich berühren – auch wenn ich Handschuhe trage – spüre ich dieses Knistern, das Kribbeln und wie mein Herz doppelt so schnell schlägt. 

Ich halte automatisch den Atem an, schaue nur in seine waldgrünen Augen – die ich so schrecklich vermisst habe – und wünschte mir, wir wären die einzigen auf diesem Planeten. Seine Lippen teilen sich leicht, seine Brust hebt und senkt sich hektischer und in seine Augen tritt wieder diese Wärme, die mich von Anfang an fasziniert hat. Wieder durchzuckt ein Blitz den Himmel und bringt damit unsere kleine Blase zum Platzen. Ich umklammere dieses Mal das Buch fester und höre, wie sich Desmond räuspert.

„Danke ... für das Buch", bringe ich mühsam hervor. Er nickt und tritt einen Schritt zurück, was mich kränkt. Als würde er meine Nähe nicht ertragen. 

Und wenn es so wäre? Was würde ich dann tun?

„Nicht dafür." Ich nicke und spüre, wie immer größere Regentropfen auf mich niederprasseln. Der Regen wird stärker und der Wind nimmt ebenfalls zu, mir ist kalt und irgendwie ist der Zauber erneut einfach so wie weggeblasen. Als hätte sich das Schicksal wieder einmal gegen uns entschieden. Doch dieses Mal will ich es nicht einfach so hinnehmen und mich davon abbringen lassen. Dazu ist die Chemie viel zu stark zwischen uns. 

Oder interpretiere ich da zu viel hinein? 

Ich schaue in Desmonds Gesicht und weiß, dass da etwas ist was ich kennen lernen möchte. Deshalb nehme ich all meinen Mut zusammen und mache einen Schritt auf ihn zu, interessiert hebt er den Blick und sieht mich auf eine leicht unsichere aber süße Weise an.

„Desmond?", frage ich gegen das Grollen des Donners an.

„Ja?" Seine Stimme ist wie eine Offenbarung, die mir das antworten viel leichter macht, als ich angenommen habe. Lächelnd schaue ich zu ihm auf.

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