Kochen kann gefährlich sein

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Während ich auf einer noch nicht ausgepackten Kiste stehe und mit dem Gleichgewicht kämpfe, brodelt neben mir auf dem kleinen Gasherd einen Topf mit Wasser, in dem die Pasta schwimmt. Welches immer wieder zischend nach oben spritzt und meine nackten Beine haarscharf verfehlt.

„Komm schon", murmle ich und versuche mich noch einen Zentimeter größer zu strecken, damit ich an das Abtropfsieb komme, das ich vor einigen Tagen geistesabwesend zuoberst ins Regal gepackt habe. In der Annahme, dass ich es sowieso nie brauchen werde. Weit gefehlt, denn ich brauche dieses Teil, um die Penne nachher abzugießen. 

Soviel ist mir als Nichtköchin auch noch im Kopf geblieben und da ich keinen Mixer oder Mörser habe, um das Pesto selbst zu machen, muss das aus dem Glas herhalten. Was bestimmt genauso lecker ist, wie ein selbst gemachtes. Ob er den Unterschied schmeckt?

„Na endlich", presse ich hervor, als ich es mit den Fingerkuppen ertaste. Nur noch ein kleines Stück, dann würde ich es zu fassen kriegen und ...

Die Klingel, mit ihrer schrillen und lauten Art, erschreckt mich so sehr, dass ich das Gleichgewicht verliere, wie eine verrückte mit den Armen rundere und mit voller Wucht nach unten segle. Unsanft lande ich auf der rechten Seite und stoße mir das Knie an der Kante an. 

Wimmernd unterdrücke ich ein Heulen, das einen ausgewachsenen Grauwolf in die Flucht schlagen würde und schnappe nach Luft. Mir tut alles weh und neben dem Ticken der Uhr dringt auch das Zischen des Wassers in meine Ohren.

„Aua", flüstere ich, als ich mich auf die Seite drehe. Als es klopft, hebe ich den Kopf und schaue zur Tür. Das ist er bestimmt. Ich rapple ich mich seufzend auf und zucke zusammen, als ich auf meinen Fuß stehe und das Knie durchstrecke.

„Scheisse", flüstere ich und schaue mich hilfesuchend um. Wieder klopft es und ich versuche mich so normal zu verhalten, wie ich es kann.

„Ich komme." Mehr schlecht als recht. Ich habe endlich die Tür erreich und als ich sie öffne, halte ich mir die Stelle am Knie, die ich zuvor an der Kante der Arbeitsplatte gestoßen habe.

„Hey", begrüßt Desmond mich und lächelt auf diese träge aber süße Art an und präsentiert mir nicht nur das Grübchen an seinem Kinn sondern auch die an seinen Wangen.

„Hey", kommt es krächzend von mir. Ich räuspere mich und atme tief durch.

„Die ist für dich", meint er und reicht mir eine Flasche Rotwein.

Als hätte er gewusst, das es heute bloß Pasta gibt.

„Das ist sehr aufmerksam von dir. Vielen dank." Lächelnd nehme ich die Flasche an mich und bemerke, dass mich Desmond auf eine seltsame Art ansieht. 

Stirnrunzelnd schaue ich an mir herunter, kann aber nur den bunt gestreiften und viel zu großen Pullover und die knielange Leggins entdecken. Außer er meint die Ringelsocken, die ich trage ...

„Du blutest ja", meint er und klingt besorgt. Ich weiß gar nicht wovon er redet, als er einen Schritt in meine Wohnung macht und meinen Finger anhebt, an dem tatsächlich etwas Blut klebt.

„Seltsam, hier ist keine Wunde", murmelt er, als er ihn eingehend untersucht. Seine warmen Hände auf meiner Haut zu spüren, stellt komische Dinge mit mir an. In meinem Magen flattern mindestens zwei Horden Schmetterlinge herum und machen ganz schönen Quatsch und das Kribbeln. Immer wieder dieses Kribbeln.

„Oh, vielleicht kommt es ...", ich lasse den Satz unbeendet und deute auf mein Knie. Dort hat sich sogar eine kleine Blutspur gebildet, die über meine Wade in Richtung Ringelsocken läuft.

„Scheisse", murmle ich und spüre nun auch wieder das Brennen.

„Wie ist denn das passiert?" Ich will ihm antworten, als mir in den Sinn kommt, wie das passiert ist.

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