Kapitel 1: Die seltsame Nachricht

7 0 0
                                    

Stuttgart- Ende September 2050

Mira

Draußen war es für normale Verhältnisse ziemlich kalt. Ich schlug meine Fleecejacke enger um mich und lief weiter. Bald würde ich zuhause sein. Ich lief an einer Apotheke vorbei und blickte auf das Thermometer: 19°C . Das war für Ende September sehr kalt, denn die Jahre zuvor hatte es um diese Zeit immer über 25°C gehabt. Ich sah mich um. Die Straßen Stuttgarts waren leer, denn seit 2040 waren Autos hier komplett verboten wegen des Feinstaubes. Nur Natürliche-Ressourcen-Autos, kurz NRA durften fahren. Diese waren aber sehr teuer und nur wenige konnten sie sich leisten, da sie erst vor kurzem erfunden wurden. Hier in der Stadt fuhren ansonsten nur Straßenbahnen und Busse. Der Himmel war wolkenbehangen und grau, so wie immer. Die Häuser waren grau in grau. Es gab fast keine echten Bäume oder Büsche. Die meisten waren aus Plastik. Überall in der Stadt standen Sauerstoffmaschinen, die Sauerstoff erzeugten und in die Luft abgaben. Wie genau diese Technik funktionierte wusste ich nicht. Dann kam ich zuhause an. Ich kramte in meiner Tasche nach dem Schlüssel und fand ihn gleich. Ich schloss die Tür auf und lief das Treppenhaus bis ganz nach oben zu unserer kleinen Wohnung. Dort schloss ich nochmal unsere Tür auf. "Papa, ich bin wieder da.", rief ich. Ich wusste, dass er mich nicht hören konnte, weil er um diese Zeit immer seinen täglichen Mittags- schlaf machte. Ich zog meine Schuhe und meine Jacke aus. Die Schuhe stellte ich wie immer feinsäuberlich in den Schuhschrank und die Jacke hing ich an den Haken. Ich schaute mich in der Wohnung um. Mein Vater hatte sein Bett in dem Raum, der vorher das Büro war. Im Wohnzimmer stand seit ich denken konnte das kleine blaue Sofa. Unsere Wohnung war farblich abgestimmt. In blau und weiß. Eigentlich war unsere Möbel ziemlich altmodisch aus den 2000ern. Aber mein Vater war schon immer etwas altmodisch gewesen. Mein Vater hatte nie genug Geld um uns eine größere Wohnung oder gar ein Haus zu kaufen. Aber das war nicht so schlimm, denn es reichte immer für uns zwei. Mein Vater hatte sich immer alle Mühe gegeben, uns beide durchzubringen. Ein Urlaub war aber bei seinem Bürojobgehalt nie drin gewesen. Nur manchmal sind wir in den Schwarzwald oder an den Bodensee gefahren. Mittlerweile ist vom Bodensee aber fast nichts mehr übrig. "Mira, Mira", hörte ich meinen Vater rufen. Ich lief zu ihm ins Zimmer und fütterte ihn. Bald würde die Pflegerin kommen. Mein Vater, 56, hatte Krebs im Endstadium. Und dass, obwohl die meisten Krebsarten mittlerweile heilbar waren. Aber mein Vater hatte eine sehr seltene unheilbare Form. Plötzlich rief mein Vater wieder nach mir. Ich stürmte in sein Zimmer. Er sagte schwach: "Mira!" und bedeutete mir, mich neben ihn zu setzen. Seit einigen Wochen war er sehr schwach und krank. Er hielt meine Hand und ließ sie nicht mehr los. Er sah sehr abgemagert aus. Ich rief mir Bilder von früher ins Gedächtnis. Er war immer ein muskulöser, kräftiger Mann gewesen, aber nie so, dass er zu übermäßig trainiert ausgesehen hatte. Ihn jetzt so zu sehen, abgemagert mit Glatze und eingefallenem Gesicht, brach mir das Herz. Er hielt immer noch meine Hand, schmiegte sich an mich und sagte schwach: "Australien-die Wahrheit über deine Vergangenheit-Geh dort hin- finde deine Mutter!" Gerade wollte ich ihn fragen, was er damit meine, da drückte er mir einen Schlüssel in die Hand und sagte: "Kiste im Abstellraum". Kaum dass der Satz über seinen Mund kroch, schloss er die Augen, tat seinen letzten Atemzug und schlief für immer ein. Ich saß konfus neben seinem Bett, immer noch seine Hand streichelnd, und sah ein Lächeln auf seinem Gesicht. Ich konnte noch nicht richtig realisieren, dass er nun für immer fort sein sollte. Einerseits war ich traurig, dass mein geliebter Vater viel zu früh gegangen war, andererseits wusste ich, dass es eine Erlösung für ihn war. Die Tatsache, dass er zuhause bei mir starb machte es etwas leichter ihn gehen zu lassen und ich stand, Tränen zurückhaltend, auf und wollte gerade das Bestattungsunternehmen anrufen, als es klingelte. Vor der Tür stand Viktoria, die Pflegerin. Ich konnte meine Tränen nicht mehr unterdrücken und heulte mich bei ihr aus. Sie wusste natürlich sofort, was geschehen war und nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, klärte sie die ganzen Formalitäten für mich. Plötzlich fielen mir wieder die letzten Worte meines Vaters und der Schlüssel in meiner Hand ein. Wieso sollte ich nach Australien und wieso sollte ich dort meine Vergangenheit und meine Mutter finden? Meine Mutter war tot. Das hatte mir mein Vater zumindest immer erzählt. Und was hatte das mit der Kiste im Abstellraum zutun? Ich wusste welche er meinte. Er meinte die Kiste, die ich nie öffnen durfte und konnte, da mein Vater den Schlüssel immer an seinem Hals getragen hatte. Und jetzt hat er ihn mir gegeben. Was für eine seltsame Nachricht.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 21, 2020 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Der Zorn des MeeresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt