chapter 6 - sleepless

74 4 0
                                    

Harry's POV

Ich wachte auf, als es noch dunkel war und bekam einen Hustenanfall. Mein Hals fühlte sich an, als stünde er in Flammen und ich rollte mich von Louis herunter, um ihn nicht anzuhusten. Ich verschluckte mich beinahe und betete einfach, dass Louis nicht wegen mir aufwachen würde.

Nach ein paar Sekunden beruhigte sich mein Körper wieder und ich atmete tief durch. Ich spürte eine Hand, die sich auf meinen Rücken legte und drehte mich zaghaft zu Louis um.

,,Alles in Ordnung?" fragte dieser besorgt und ich betrachtete seine Wangen, die vom Laternenlicht angeleuchtet wurden. ,,Ja, es geht schon." antwortete ich krächzend und legte mich wieder hin, nachdem ich etwas getrunken hatte.

,,Harry, du bist immer so dünn angezogen. Du musst bei dem Wetter wirklich etwas Wärmeres tragen."

Ich schluckte schwer und nickte. Das Problem war, dass ich nichts hatte.

,,Komm her." sagte er leise und breitete seine Arme aus. Ich schmiegte mich wieder an ihn und schloss meine Augen.

,,Ich habe noch nie mit jemandem gekuschelt, der nicht meine Schwester ist." murmelte ich an seiner Brust und merkte wieder einmal, wie viel ich ausplauderte, wenn ich krank war.

,,Echt nicht?" fragte er erstaunt. ,,Echt nicht." bestätigte ich und versuchte, wieder einzuschlafen. Erst nach einer halben Ewigkeit umhüllte mich die Dunkelheit wie ein sanfter Windzug und trug mich in einen tiefen Schlaf davon.

Ein erneuter Hustenanfall und höllische Kopfschmerzen brachten mich dazu, aufzuwachen. Es war mittlerweile hell und ich lag immernoch halb auf Louis drauf. Ich drehte mich schnell von ihm weg und hustete. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es neun Uhr war.

,,Hey, wie geht's dir?" hörte ich seine verschlafene Stimme und fing mich wieder, ehe ich mich zu ihm rumdrehte und er mich besorgt ansah.

,,Harry, du bist weiß wie eine Wand." murmelte er und gab mir noch einmal das Fieberthermometer. ,,Du hast immernoch 39,2. Ich hole dir einen Tee. Hast du auch Hunger?" fragte er fürsorglich und ich nickte leicht.

Als er aus dem Zimmer war, ließ ich mich zurück in die Kissen fallen und mein Kopf fühlte sich an, wie ein Vulkan kurz vor dem Platzen. Ich rieb mir, stöhnend vor Schmerz, die Schläfe und schloss meine Augen.

Ich hatte das Gefühl, dass in meinem Kopf ein Tornado wütet und die Schmerzen hörten einfach nicht auf, was mich dazu veranlasste, mich aufzusetzen und mir die Hand allen auf die Augen zu drücken, um keine Tränen zu vergießen.

,,Harry?" hörte ich leise eine Stimme hinter mir fragen. Louis.

,,Mhm?" murmelte ich und hielt mir weiterhin meinen Kopf. ,,Hier, nimm eine Schmerztablette." sagte er und hielt mir eine kleine weiße Tablette hin, die ich sofort mit Wasser runterschluckte.

,,Möchtest du weiterschlafen? Oder willst du einen Film gucken?" - ,,Kannst du mir etwas vorlesen?" fragte ich schüchtern und kaute verlegen auf meiner Unterlippe herum. ,,Klar." lächelte er und ging zu seinem Bücherregal. ,,Ich habe zwar nicht ganz so viel Auswahl, aber magst du ,,Das Schicksal ist ein mieser Verräter"? Das ist mein Lieblingsbuch." sagte er und ich nickte. Er legte sich wieder zu mir und schob sich noch ein Kissen unter den Kopf, um aufrechter zu liegen. Ich platzierte meinen Kopf auf seinem Torso und er schlug das Buch auf.

,,Im Winter meines siebzehnten Lebensjahres kam meine Mutter zu dem Entschluss, dass ich Depressionen hatte, wahrscheinlich, weil ich kaum das Haus verließ, viel Zeit im Bett verbrachte, immer wieder dasselbe Buch las, wenig aß und einen großen Teil meiner reichlichen Zeit damit verbrachte, über den Tod nachzudenken. In jeder Krebs-Broschüre oder Website oder Infoseite zu dem Thema werden Depressionen als Nebenwirkung von Krebs genannt. Doch in Wirklichkeit sind Depressionen keine Nebenwirkung von Krebs. Depressionen sind eine Nebenwirkung des Sterbens." las er die Zeilen vor und seine Stimme war ruhig und ein wenig verschlafen. Sein Herzschlag trug nur noch mehr dazu bei, dass ich mich entspannte und nebenbei atmete ich seinen Duft ein. Eine Mischung aus einem Aftershave und etwas Süßem. Ich musste wahrscheinlich aussehen wie ein Obdachloser, während er total schön aussah. Ich beobachtete seine Lippen, die sich bewegten, während er vorlas. Ich beobachtete seine blauen Augen, die von Zeile zu Zeile huschten. Ich beobachtete seine Wangenknochen, die sich mit jedem Wort bewegten. Ich beobachtete seine langen Wimpern, die ihn so süß und unschuldig wirken ließen.

Er merkte es zum Glück nicht. Doch ich konnte ihn zum ersten Mal so richtig anschauen. Sonst hatte ich ihn immer nur von weitem angeschaut, aber jetzt sah ich jedes Detail. Auf seiner Nase waren ein paar kleine Sommersprossen und seine Haare waren verwuschelt.

Irgendwann schien er wohl bemerkt zu haben, dass ich ihn anschaue, denn er schaut mich kurz an und schmunzelnd dann wissend, während er weiterliest. Ich verstecke mein Gesicht in seinem Pulli, damit er meine roten Wangen nicht sieht. Sein Brustkorb hebt und senkt sich.

,,Wir krochen ins Bett, meine Bewegungsfreiheit durch den Sauerstoffschlauch begrenzt, aber ich schaffte es trotzdem, auf ihn zu klettern, ihm das Hemd auszuziehen und den süßen Schweiß auf seiner Haut unter dem Schlüsselbein zu schmecken, während ich in seine Brust flüsterte ,,Ich liebe dich, Augustus Waters", und er entspannte sich, als er meine Worte hörte. Er griff an meine Taille und versuchte mir das T-Shirt auszuziehen, doch es verhedderte sich mit meinem Sauerstoffschlauch. Ich lachte." seine Stimme hinterließ eine Gänsehaut auf meinen Armen und ich zog die Decke noch höher, damit er dies nicht bemerkte.

Er verhaspelte sich nur zwei Mal und setzte die Betonung an genau den richtigen Stellen ein.

Wie lagen stundenlang so da und er las mir einfach vor und trank zwischendurch immer wieder etwas.

Als er den letzten Satz beendete, heulte ich Rotz und Wasser und schniefte vor mich hin. Seine Stimme brach beim Lesen und er vergoss auch einige Tränen.

,,Ich liebe dieses Buch jetzt schon." schniefte ich und wischte mir über meine Wangen, die mittlerweile brannten. ,,Es hat einen Grund, warum das mein Lieblingsbuch ist." lachte Louis und klappte es zu. Nachdem er es auf seinen Nachttisch gelegt hatte, kroch er wieder unter die Decke und fragte ,,Was würdest du tun, wenn die Person, die du am meisten liebst, stirbt?".

Ich schluckte schwer. Er wusste noch nicht, dass ich keinen Vater mehr hatte. Aber mein wichtigster Mensch war immernoch Gemma.

,,Ich wüsste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Wenn ich Gemma verlieren würde, sähe ich keinen Sinn mehr." sagte ich ruhiger als erwartet und schaute auf meine Hände.

,,Du bist der beste große Bruder, den man sich wünschen kann." sagte Louis dann anerkennend und lächelte mich an. ,,Ich bin mir sicher, deine Schwestern vergöttern dich auch." lachte ich. ,,Naja, Phoebe ist ja jetzt voll in dich verknallt." sagte er und zwinkerte mir zu, was uns zum Lachen brachte.

In dem Moment klingelte sein Handy und er nahm verwundert den Anruf an.

,,Eleanor? Bist du nicht in der Schule?" fragte er verwirrt und sah mich schulterzuckend an. ,,Nein, ich kann jetzt nicht, tut mir leid."

Er seufzte. ,,Harry ist krank. Nein, ich kann jetzt nicht einfach hier weg, er wäre doch sonst ganz alleine hier! Ach El, können wir das nicht verschieben? Ist ja gut, du kannst kurz vorbeikommen, aber ich habe wirklich nicht viel Zeit. Ja, bye. Ich liebe dich auch."

Er legte auf und fuhr sich stöhnend über sein Gesicht.

,,Eleanor muss wohl dringend etwas mit mir besprechen, ist es okay, wenn sie gleich ganz kurz vorbeikommt?" - ,,Louis, ich bin der letzte der etwas dagegen hat! Ich bin schließlich nur der Gast." - ,,Aber ich will nicht, dass du dich alleine fühlst."

Ich musste lächeln. ,,Werde ich schon nicht."

since we were 18 | L.S. *ON HOLD*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt