~Prolog~

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Schottland 1291
North Berwick
Firth of Forth

Dunkle Rauchschwaden stiegen in den bereits bewölkten Himmel empor und verdunkelten die Landschaft. So zumindest kam es Adam vor. Er konnte sich kaum mehr bewegen, kaum atmen oder gar blinzeln, aus Angst, dass es schlimmer kommen könnte, wenn er seine von Tränen geschwollenen Augen einen Moment schließen würde. Die einstige Festung war zerstört. Familie und Bedienstete im Feuer erstickt und verbrannt. Er war zu spät gekommen und Gott wird ihn noch fürchterlich dafür bestrafen, dessen war er sich sicher. Er hatte dich doch gewarnt! Warum hattest du nicht auf ihn gehört? Diese Frage schoss durch seinen Kopf, fand jedoch keinerlei Antwort und verbitterte ihn umso mehr.
Hätte er auf seinen Bruder gehört, würde er vermutlich noch leben. Adam biss die Zähne aufeinander und versuchte seine Wut unter Kontrolle zu bringen. Vor ihm verbrannte seine Kindheit, der Ort, wo er aufgewachsen und gelebt hat, sein Erbe und sein Gut. Die einstigen Wachtürme sind jeweils niedergebrannt und verkohlte Steinreste blieben übrig. Wo einmal am Wachturm Buchen und Eichen standen, gab es nur noch Asche und Unglück. Der Wohnturm am Ende der Festung war schon fast verschwunden und die große Kirche, die das Symbol der Burg bildete, hauchte ihren letzten Atem Leben aus, bevor auch sie unter einem riesigen Krach auseinanderfiel. Es brach ihm das Herz, das alles mit ansehen zu müssen.

Ein gequälter Schrei von hinten holte ihn aus seiner Starre heraus und ließ ihn unwillkürlich den Kopf drehen.

Eine kleine, zierliche Frau mit auffallend rotem Haar versuchte ihr Bein unter einem umgestürtzen Dachbalken hervorzuziehen, zog aber vergeblich und brachte sich eine Schnittwunde ein. Sofort war Adam bei ihr und legte beruhigend seine Hand auf ihren zitterenden Arm. Die zierliche Frau blickte von ihrer Schnittwunde auf und sah ihn mit weitaufgerissenen, verängstigten Augen an. Ihre an der Seite aufgeplatzten Lippen zitterten und waren vollkommen blutüberströmt. Adam betrachtete kurz die hohen Wangenknochen und die Schnittwunde, aus der links der breiten Stirn Blut sickerte. Die Wunde musste versorgt werden, doch zunächst widmete sich Adam der großen Schnittwunde am Oberschenkel der Frau, die immernoch versuchte sich zu befreien. Das Kleid war vom Ziehen aufgerissen worden, klemmte jedoch zwischen Balken und Schienbein und verhinderte dadurch die Sicht auf die Wunde. Adam versuchte den samtenen Oberrock und die leinenen Unterröcke zur Seite zu drängen, doch die ängstliche Frau wand sich aus Verzweiflung, drängte das Kleid immer weiter zurück und riss auch tiefer in die Wunde.

,,Bitte, bewegt Euch nicht. Je mehr Ihr an Eurem Bein zieht, desto größer wird die Wunde. Beruhigt Euch zunächst, damit ich mir die Lage des Balkens genauer anschauen und ihn gegebenenfalls anheben kann." Adams Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, da er nicht die Kraft hatte zu sprechen. Es war so, als gehöre der Körper ihm nicht mehr, gehöre einer anderen Person. Doch die Frau hatte verstanden und nickte kaum merklich.

Adam widmete sich dem Balken und musste feststellen, dass er beim Herunterstürzen einen weiteren Balken des Stalles mitgezogen hatte, der jedoch viel stämmiger und schwerer war, und der ihn zwischen Boden und abgebrannter Stalltüre festklemmte. Somit hatte die verletzte Frau kaum eine Möglichkeit zu entkommen!

Ein Knistern und ein folgendes Knacken ließ ihn aufblicken und erschrocken Luft schnappen. Über sie hatte sich ein riesiges Feuer von der mittleren Kreuzung bis zur der linken hinteren Stelle des Stalles verbreitet und fraß sich immer weiter vor. Aufgeregt zeigte er mit dem Finger dorthin und versuchte die Frau zu warnen, doch kein Wort kam über seine Lippen.

Ein lautes Knacken ertönte und im darauffolgenden Moment stürzte das Dach mit einem ächzenden Geräusch auf sie herab. Adam versuchte die Frau noch herauszuziehen, doch vergeblich. Er rollte zur Seite, bevor das Gerüst die kreischende Verletzte unter sich begrub und ihre Kleider Feuer fingen. Sofort versuchte Adam sie darunter hervor zuholen, doch das lodernde Feuer stieß ihn immer wieder zurück. Die Frau schrie und schlug um sich, doch das Feuer hatte schon ihre Haut erreicht und nach binnen Sekunden verstummte diese. Adam kniete schweigend vor dem Feuer und versuchte zu verstehen, warum das alles passiert war. Es ist doch nichts geschehen, was Gottes Unwillen auf seine Familie hätte lenken können. Er war diesen Morgen zur Jagd aufgestanden und war mit seinem Bruder Ewan zusammengestoßen.

,,Guten Morgen, Bruder. Hast du schon gespeist? Was hat Evelgold so schönes vorbereitet? Ich glaube,..." Weiter war er nicht gekommen, da Adam sich schon abgewandt hatte und auf die Tür der Halle zumarschierte.

Nach ein paar Schritten holte Ewan ihn ein und hielt ihn am Ärmel fest. ,,Ich gedenke nicht, dich so einfach gehen zu lassen. Sprich, begibst du dich erneut auf Jagd? Du weißt, was das vorherige Mal passiert ist! Willst du unser aller Leben erneut gefährden? Ist dies deine Absicht? Unsere Feinde schlafen nicht und ich bin mir sicher, dass die auf uns lauern. Adam, das..."

Mit einem Ruck befreite Adam sich aus der Klammerung seines Bruders und blickte zum Fenster, wo sich von der eiskalten Nacht Frost gebildet hatte. Es war die Zeit des Winters, aber auch des Hungers. Zumindest bei seiner Familie, obwohl sie einen hohen Rang besaßen und einige Felder bestellten. Dies reichte jedoch nie aus um sich genügend zu ernähren und Kräfte zu sammeln, um einen Krieg oder, in diesem Falle eine Fehde gegenüber zu stehen. Jagd war die einzige Variante, um Essen zu besorgen, aber auch gefährlich. Ihre Burg war leider an der Grenze zu Schottland, wo sie auch eine Fehde mit dem Clan MacDonnall of Glengarry führten. Sie beobachteten sie, lauerten im Wald und suchten nur die Möglichkeit, den Herr von Coleville, in diesem Fall Adam, in die Hände zu bekommen und zu töten. Durch eine Jagd wäre dies ideal!

Doch Adam war trotz allem gegangen, hatte die Warnungen seiner Familie in die Luft geschlagen und ist in den angrenzenden Wald geritten. Es dauerte nicht lange, bis der Geruch nach Rauch die Gegend gefüllt hatte. Wie ein tollwütiger Teufel ist er zurückgeritten, doch war zu spät; seine Burg und Familie war dem Feuer unterlegen. Er hatte die ganze Gegend abgesucht, in der Hoffnung, dass einer hatte entkommen können. Doch er fand niemanden, dafür aber das Gewand einer Frau. In einem Moment wusste Adam sofort, was geschah. Und er war sich eines sicher - Ewans Frau, Elise MacDonnall of Glengarry, Besitzerin des verlorenen Kleides, ist noch am Leben und sie trägt die größte Schuld an diesem Inferno.

Und Adam, Herr of Coleville, schwor sich und seiner Familie fürchterliche Rache an sie und ihrer Familie zu nehmen.

Kraft des HighlandersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt