Ich blickte den jungen Engländer an und musterte ihn kritisch. Vater hatte erzählt das er der einzige Neffe eines sehr reichen englischen Herzogs war und ihm dementsprechend auch viel Bildung zu Teil wurde. Er musste wohl sehr intelligent sein, da er der beste Student der Universität war. Noch immer etwas unschlüssig standen wir beide so da. 

"Madeleine", murmelte ich einfach und wollte noch etwas hinzufügen, doch ich wurde schon von meiner Mutter unterbrochen. 

"Mister Harrington!", verkündete sie mit ausgestreckten Armen und klatschte völlig entzückt in die Hände, "Es freut mich so sehr, dass sie so schnell anreisen konnten", sie reichte ihm ihre Hand, "Ich hoffe die Reise verlief ohne irgendwelche Strapazen?", erkundigte sie sich.

"Madame Lefèvre es ist mir eine Freude sie kennen zu lernen!",richtete er sich an sie, "Die Reise verlief den Umständen entsprechend und nennen sie mich bitte William

Er küsste ihren Handrücken und schüttelte danach meinem Vater die Hand, der jetzt auch vor uns stand. 

"Guten Tag Monsieur Lefèvre"

Mein Vater erkundigte sich schnell über Williams Reise und sein beendetes Studium währenddessen lächelte William mich mit einem arroganten selbstsicheren Lächeln an. Oh ja bei ihm merkte man ,dass er aus einer reichen Adelsfamilie stammte. Ich verzog leicht den Mund, doch der Fuß meiner Mutter hatte den Weg unter mein Kleid gefunden und trat jetzt schmerzhaft auf meinen Fuß. Ich rang mir ein Lächeln ins Gesicht.

"Guten Tag William"

Seine Mundwinkel zuckten leicht als ich seinen Namen aussprach, doch sonst ließ er sich nichts anmerken.
Nun hielt ich ihm auch wie meine Mutter zuvor die Hand hin, auf welche auch er einen Kuss hauchte.

"Nun da die Formalitäten geklärt wären, würde ich ihnen gerne die Praxis und ihre Unterkunft zeigen"

"Sehr gerne!"

Somit gingen mein Vater und William aus dem Haus auf dem Weg in die Praxis.

"Madeleine Lefèvre?! Was sollte das?!" ,rief meine Mutter tadelnd.

"Er meinte doch selbst wir sollen ihn mit seinem Vornamen ansprechen!"

"Er könnte der perfekte Ehemann sein, obwohl er Engländer ist und du verhältst dich als ob du gerade erst aus einem verarmten Dorf gekommen wärst! Du hast schon alle jungen Männer aus Paris abgewiesen und bei Jaques hatten dein Vater und ich schon große Überredungskunst angewendet!"

Meine Mutter war eine richtige Rassistin. Sie hasste alle Menschen außer Franzosen und Katholiken. Anscheinend hatte William Glück und war Katholik.

"Excusez-moi Maman"

Meine Mutter seufzte und streckte die Arme aus. Ich zog perplex die Augenbrauen zusammen.

"Na los!"

Jetzt fuchtelte sie mit ihren Armen. Ich seufzte und begab mich in die ausgestreckten Arme meiner Mutter. Sie legte ihr Kinn auf meinen Kopf und umarmte mich fest.

"Ich will doch nur das Beste für dich"

"Ich weiß" ,seufzte ich.

"Dein Vater wird morgen anfangen mit Mister Harrington in der Praxis zu arbeiten, aber Claudette ist krank, deswegen wollte er ,dass du morgen für sie assistierst"

"Was? Wirklich?"

Claudette war eine der Krankenschwestern meines Vaters. Sie war ungefähr 52 und war nun schon öfter krank. Zwar wollten meine Eltern nicht, dass ich Medizin studierte, aber hin und wieder  mit ganz viel Glück durfte ich als Krankenschwester einspringen. 

"Ja ausnahmsweise waren wir beide der Meinung, dass du darfst. Natürlich nur unter dem Vorbehalt, dass du William nicht so wie die anderen jungen Männer vergraulen wirst und endlich deine Chance nutzt" 

Meine Chance nutzen? Sollte das schon wieder einer der berüchtigten Vermittlungsversuche meiner Mutter werden?

"Er ist eine ausgesprochen gute Partie für dich", setzte sie an, "Er ist sehr, sehr wohlhabend, dir würde es an nichts fehlen, er ist intelligent und er will seine eigene Praxis in England eröffnen sobald seine Studienreise beendet ist"

"Maman...", fing ich an, doch ich wurde von Lucille unterbrochen. 

"Madame, das Zimmer für Monsieur William ist jetzt hergerichtet", informierte sie uns.

Meine Mutter nickte zufrieden und fuhr dann fort: "Also, wenn es sonst nichts mehr gibt, könntest du dich in deinem Zimmer für das Essen herrichten"

"Ja", murmelte ich immer noch verbissen darauf mir einen Plan zu überlegen wie ich diesen Engländer wohl hier rausekeln könnte. 

Sobald ich ihm eine Szene mache wie Jaques heute sollte mich dieser Mann eigentlich in Frieden lassen. Schließlich bin ich ja nicht das einzige Mädchen hier in Paris. 

Ich wanderte durch den engen Flur und stieg die gerade Treppe hoch. In meinem Zimmer angekommen, war ich plötzlich felsenfest davon überzeugt, dass ich mich bestimmt nicht herrichten würde. 

Für was auch? Ich gefiel mir so wie ich war und für Mr. Harrington (das wurde in meinem Kopf mit der Stimme meiner Mutter gesäuselt) würde ich mich ganz bestimmt nicht fertig machen. Ich gab ihm höchstens zwei Wochen, dann würde er sich wieder nach England sehnen. 


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Madeleine   (früher die Tochter des Chirurgen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt