Melina - 18. Geburtstag

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Ich war so überzeugt, dass ich auf Jungs stehe. Ich hatte schon einen Freund gehabt und hatte mich schon immer für Jungs interessiert. Der Fall war doch ganz klar, oder? Ich gehörte zu den Heterosexuellen, so wie es von einem erwartet wird. Da gab es nicht viel nachzudenken.

«Man kann als Frau auch andere Frauen schön finden, ohne lesbisch zu sein», sagte meine Tante, wenn ich ihr erzählte, dass ich ein Mädchen aus der Schule schön fand.

«Ich würde so gerne sein wie sie...», dachte ich in der Schule. «Nein, nicht wie sie. Ihren Körper. Sie war so attraktiv.» Aber nein, das war doch nur normale Bewunderung eines objektiv schönen Mädchens. Ich war hetero, denn ich stand ja auf Jungs.

So ging das bis nach meiner Pubertät, während all meine Freunde sich schon längst selbst gefunden hatten.

Doch dann traf ich ein Mädchen, offen, fröhlich, und queer. Wir freundeten uns sehr schnell an und wurden sehr eng. Erst nach einer Weile begriff ich, dass sie mit mir flirtete. Und erst viel später merkte ich, dass die starken Gefühle, die Vorfreude, das Kribbeln im Bauch, wenn wir uns trafen, dass das bedeutete, dass ich auch etwas für sie empfand.  Aber ich wusste noch nicht, was ich mit dem anfangen sollte - denn ich stand doch auf Jungs! Ich konnte nicht auch auf sie stehen, oder?

Genau eine Woche vor meinem 18. Geburtstag traf ich auf eine zweite bisexuelle Person.
Ich begriff erstmals, dass Bisexualität existiert und dass das auch auf mich zutreffen konnte. Diese zweite Person zeigte mir, dass man nicht nur entweder lesbisch oder hetero sein kann, sondern eben auch bisexuell. Dass ich nicht entweder Jungs oder Mädchen wählen musste. Und ich glaube, sie hat nie erfahren, wie sehr sie mir geholfen hat, nur dadurch, dass sie offen damit umgegangen ist.

Ich begann, alles an meinen Gefühlen zu hinterfragen. Realisierte Dinge aus meiner Pubertät, die ich stets falsch interpretiert hatte und probierte mich aus. Ich lernte zu akzeptieren, was ich schon immer gedacht, aber immer verdrängt oder heruntergespielt hatte. Und dass ich problemlos erst mit einem Mann, und später mit einer Frau flirten durfte.

Ziemlich schnell wurde mir dann klar, dass es da nicht viel nachzudenken gab: Ich war bi. Der Fall ist doch ganz klar, oder?

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