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„Prinz, heute ist Tag des offenen Schlosses, Ihr werdet erwartet.“ Jisung öffnet die Gardinen des Schlafgemachs und die im Bett liegende Gestalt richtet sich auf. Es ist ein Junge, etwa zwanzig Jahre alt, mit dunkelbraunem Haar und müden, kakaofarbenen Augen.

„Es liegt Kleidung für Euch bereit.“

„Danke, Jisung.“ Dieser nickt in Richtung der weißen Laken, den Blick auf den Teppich gerichtet, und entfernt sich.

„Bitte denkt daran, dass Euer Vater Euch pünktlich wünscht“, erklingt es noch aus dem Türrahmen, bevor das Holz ihn von dem jungen Prinzen trennt.

Nach einigen Minuten, in denen der Zweitgeborene im zaghaften Sonnenschein sitzt und den Vögeln lauscht, verlässt er das Himmelbett und wechselt seine Nachthemden gegen die Kleider, die ordentlich gefaltet auf einem Hocker neben dem Bett liegen. Es ist seine Auftrittskleidung, und es ist eindeutig, dass sein Vater sie für ihn gewählt hat. Niemand sonst ließe ihn den halben Tag in solch einem glanzvollen, beeindruckenden Anzug herumlaufen.

Seufzend betrachtet der junge Prinz sich im Spiegel, vergleicht sich wie immer mit seinem älteren Bruder und denkt gleichzeitig an seine jüngere Schwester. Diejenige, die ihn immer wieder auffordert, sich nicht mit ihm zu vergleichen.

Der Zweitgeborene liebt seine beiden Geschwister mehr als den Rest der Welt, doch viel zu oft wünscht er sich, wie sie zu sein.
Hübsch. Zuvorkommend. Beliebt. Erhört. Vor allem aber vermählt, doch dieser Wunsch ist schon vor einigen Jahren nur noch zu einem Traum geworden. Es gibt weder am Hof noch in nahen Adelshäusern Frauen seines Alters, an denen er Interesse hätte. Und so wird er wohl eines Tages von seinem Vater in eine politisch günstige Ehe gebracht, oder aber allein bleiben.

„Eure Hoheit? Seid Ihr so weit?“, tönt Jisungs Stimme von draußen und holt den Prinzen aus seinen Gedanken.

„Ich komme.“ Er tritt aus dem Raum und sofort eilen zwei Dienerinnen an ihm vorbei ins Zimmer. Er hält sein Seufzen zurück, folgt Jisung durch das Schloss bis hinunter auf den Vorhof. Bereits im Saal davor hört er das Treiben auf dem sonst stillen Platz und versteckt ein Lächeln unter seiner Maske der Ernsthaftigkeit.

„Wenn Ihr bereit seid“, hört er Jisung leise neben sich.

„Ich habe keine Wahl“, erwidert der Prinz noch und nickt den Wärtern zu. Zeitgleich werden die Flügel der Tür entriegelt und aufgezogen. Seine Ankündigung verschwindet in dem Knarzen, doch auf dem Markt wird es gehört. Einige Anwesende drehen sich zu den Treppen, er wird aber von der strahlenden Sonne geblendet und erst, als er auf die Steinstufen hinaustritt, hört er das Jubeln.

„...Seine Königliche Hoheit, Na Jaemin!“ Es fällt ihm nicht schwer, ein Lächeln aufzulegen, doch es wird nach und nach weniger, als er die Namen seiner Geschwister hört. Der Beifall schwillt an, ebenso wie die Masse vor den Stufen. Seine Schwester, Na Jaehwa, tritt neben den Prinzen.

„Lächeln, Bruder.“ Ihres strahlt so sehr, dass er sich geblendet fühlt. Eine weitere Sache, für die er sie beneidet.

„Hast du etwa verschlafen, Bruder? Deine Haare sind ein wenig unordentlich am Hinterkopf.“ Der Älteste tritt an Jaemins linke Seite, und seine Ausstrahlung reicht, jeden wissen zu lassen, dass er, Na Jaeyeong, der Thronerbe ist. Doch er wird immerzu als solcher angekündigt, weshalb es nicht überraschend ist, dass er noch vor Beenden der Worte lauter bejubelt wird als seine jüngeren Geschwister vereint.

„Wieso hat Vater darauf bestanden, mich als Ersten vortreten zu lassen? Ich bin weder Thronerbe noch der einzige Sohn.“ Weder sehen die Bürger seine Lippenbewegungen, noch hören sie seine Worte.

„Du bist dem Volk am sympathischsten, ob du es einsiehst oder nicht. Sie sehen dich als gleichgesinnt.“ Auch der Kronprinz ist nicht mehr Mittelpunkt, denn der König Na Taewon selbst tritt auf den Hof hinaus und hat nun wohl inzwischen jeden dazu veranlasst, stehen zu bleiben und zu der Familie hinaufzusehen.

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