Das perfekte Leben, in dem Jaemin sich zu befinden scheint, hält nicht lange an.
Seine Mutter bringt ein gesundes Mädchen zur Welt, und die Freude ist im gesamten Königreich groß. Da Jaemin wenig zu tun hat, hilft er ihr dabei, auf das Neugeborene aufzupassen, besonders, da seine Mutter sich körperlich nicht in einem guten Zustand befindet. Die Geburt habe sie sehr strapaziert, sagt der Hofarzt, das gehe wieder vorbei. Sie brauche nur ein paar Wochen Ruhe. Und die bekommt zu Genüge.
Jaemin und Jeno werden beinahe zu Ersatzeltern, so oft, wie das Mädchen bei Jaemin ist, und wo Jaemin ist, ist Jeno niemals weit.
Wochen gehen ins Land, und die Gesundheit der Königin verbleibt an Ort und Stelle, wird gar schlimmer. Es dauert nicht lange, bis sie nicht mehr nur das Schloss, sondern auch ihr Gemach nicht verlässt. Und auch wenn keiner es wagt, es auszusprechen, ist es doch klar, dass die Königin noch vor dem ersten Geburtstag des Mädchens dahinscheiden wird.
Während der König und der Älteste die Fassung bewahren und die Fassade der Königsfamilie aufrecht erhalten, zieht sich Jaehwa immer häufiger in ihre Gemächer zurück, und auch Jaemin tritt selten in die Öffentlichkeit, verbringt lediglich unter wichtigen Umständen Zeit mit anderen Familienmitgliedern als seiner Mutter oder der kleinen Jaeeun. Jeno bleibt der Einzige, der regelmäßig mit ihm spricht, schließlich weicht er kaum von Jaemins Seite. Ihre Hälse schmücken bereits die Lederketten, bestückt mit perfekt angepassten, aus Gold geschmiedeten Ringen, und es gibt kaum einen Moment, in dem sie sie nicht tragen. Die Schwere um seinen Hals gibt Jaemin die Sicherheit, die es momentan braucht, um ihn zu beruhigen.
Dennoch ist er nicht glücklich. Zu sehen, wie seine Mutter nach und nach ihre Kräfte verlassen, lässt sein Herz jedes Mal noch etwas tiefer sinken, und auch wenn Jaeeun es hebt, kehrt es doch immer an seine ursprüngliche Tiefe zurück. Somit kommt er an den Punkt, an dem er nach einem Besuch bei der Königin mit dem Kind auf dem Arm auf seinen durcheinandergebrachten Laken sitzt, er lässt Jisung nicht mehr hinein, und er bricht in Tränen aus.
Nur ein paar Schluchzer benötigt es, um Jenos Aufmerksamkeit zu erwecken und sofort ist er durch die Tür getreten, nimmt den Platz neben Jaemin auf dem Bett ein. Wortlos schließt er ihn bedacht in seine Arme, streicht der kleinen Jaeeun über den Kopf, bevor er die beiden an sich drückt. Er braucht nicht nachzufragen, weshalb Jaemins Dämme gebrochen sind, schließlich hat er selbst gemerkt, wie schlecht es ihm in der letzten Zeit ging. Also tut er nicht mehr, als nur seine Finger vorsichtig über Jaemins Arm zu bewegen, auch als sein Schluchzen leiser wird, in nicht mehr als Schniefen übergeht.
„Mutter wird sterben.“
„Das weiß ich, Nana.“ Jaemins Augen brennen, hätte er noch Tränen übrig, würde er sie nun weinen.
„Sie wird bald sterben. Sie hält das nicht mehr lange durch. Mit jedem Tag, der verstreicht, geht es ihr schlechter. Sie hat doch jetzt kaum noch einen Lebenswillen.“
„Komm her, gib mir deine Hand. Wir beten zusammen für sie.“ Verunsichert legt Jaemin eine Hand in Jenos, lässt ihre Finger zwischen einander gleiten und konzentriert sich ganz auf das Gefühl von Jenos zwischen den eigenen. „Was wünschst du dir für sie?“
Erst nach einigem Zögern antwortet Jaemin darauf.
„Ich bitte dich, dass du sie den Weg einschlagen lässt, der besser für sie ist. Und wenn dies der Tod ist, dann bitte ich dich, ihn schmerzlos zu machen. Sie soll nicht leiden, das tut sie nun schon genug. Bitte mach, dass sie Jaeeun auch von deiner Seite aus aufwachsen sieht. Sie soll glücklich sein und sich nicht darum kümmern, dass sie noch länger hätte leben wollen und sollen. Sie soll Frieden finden.“
Eine Weile herrscht Stille, in der sie sich nicht rühren, ehe Jeno Jaemins Hand anhebt und auf ihrem Rücken einen Kuss platziert.
„Ich bin mir sicher, dass er dein Bitten erhört.“
Jaemin dreht nur seine Finger umher. „Das wäre schön.“
Während sie dort sitzen, schläft Jaeeun in Jaemins Armen ein, und ihr Bruder bringt sie zu Bett, unter der stetigen, stillen Beobachtung seiner Leibwache.
Jeno macht sich große Sorgen um ihn. In all der Zeit, die sie sich bereits kennen, hat er ihn nicht ein Mal so in sich gekehrt erlebt. Und nun verhält er sich schon seit einigen Tagen so. Überraschend ist es nicht, jedoch scheint es so unpassend zu Jaemins fröhlichem Charakter. Jeno hofft nur, dass er das tatsächliche Geschehen des Todes seiner Mutter verkraften können wird, wo sein Geist doch so sensibel und instabil ist.
„Wart ihr spazieren?“, fragt Jeno, als Jaemin wieder zu ihm zurückkehrt. Er nickt, sinkt neben Jeno auf die Matratze und lässt sich erneut in eine Umarmung ziehen.
„Sie hat sich gefreut, wieder draußen zu sein. Wir sind auch über den Friedhof gegangen und sie... hat mir gezeigt, wo sie begraben werden möchte. Sie war glücklich. Still, aber glücklich. Und sie hat mir davon erzählt, dass Jaehwa ihr auch einen Besuch abgestattet hat. Das letzte Mal ist lange her, sie traut sich nie. Deshalb war Mutter erfreut, sie wiederzusehen. Wir saßen eine Weile am Brunnen und sie hat mir von früher erzählt.“
Eine Weile ist es still. Jeno weiß, dass Jaemin sein Erzählen noch nicht beendet hat, und Jaemin weiß nicht, wie er fortfahren soll. Die Finger des Älteren streichen stetig durch sein Haar und geben ihm Sicherheit.
„Ich will nicht, dass sie stirbt“, sagt Jaemin letztendlich. „Nicht nur, weil sie meine Mutter ist. Sie hat doch gerade erst ein Kind zur Welt gebracht, und nun soll sie diese wieder verlassen? Das ist nicht richtig.“
„Manchmal, Nana“, Jenos Finger ergreifen seine, „geschehen Dinge, die für uns unergründlich und trotzdem richtig sind. Niemand weiß, wohin es führen wird, wenn sie stirbt. Niemand weiß, wohin es führen wird, wenn sie lebt. Mit Sicherheit stirbt sie nicht zwecklos.“
„Trotzdem, sie... Sie ist doch noch gar nicht so alt, und...“ Er holt tief Luft. „Sie ist schon immer die Vernunft gewesen. Hat immerzu auf Vater eingeredet, bevor er wichtige Entscheidungen getroffen hat. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern Jaeyeong ihr damit folgt. Auf Jaehwa und mich wird Vater niemals hören."
„Es wird sich richten, Nana. Alles wird gut. Deine Mutter wird wissen, was sie tun muss, bevor sie geht.“
„Hoffentlich schafft sie das auch rechtzeitig.“
„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“
„Wo hast du das schon wieder gehört?“ Jaemin grinst beinahe, schubst Jeno leicht an.
„Hey, es stimmt doch. Die Königin ist willensstark und lässt sich nicht mehr abhalten, sobald sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Sie lebt mit Sicherheit noch eine ganze Weile, um ausreichend Vorbereitungen zu treffen.“
„Ich hoffe, du hast recht“, sagt Jaemin leise.
„Habe ich bestimmt. Und jetzt lasst uns vernünftig kuscheln, mein Prinz, bevor ich wieder vor die Tür muss.“
20-08-29
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indigent prince ++ nomin ✓
Fanfiction+ abgeschlossen + »prince ›/prɪns/ ·noun -the son of a monarch- »indigent ›/ˈɪndɪdʒ(ə)nt/ ·adjective -poor; needy- »„poor little rich boy" ·phrase of ‚poor' -a wealthy young person whose money brings them no contentment- »›» Jaemin ist der zweitge...