Es vergehen Wochen, in denen Jaemin wartet. Wartet und hofft, darauf, dass der König ihm eröffnen wird, dass die ganze Familie einen Platz am Königshof bekommen wird. Wochen, in denen er Tag für Tag bei jeder Gelegenheit aus dem Schloss schleicht, über Wege, die er schon als Kind genutzt hat, um sich mit Straßenkindern anzufreunden und an ihrem Leben teilzuhaben. Wochen, in denen er und Jeno sich immer besser kennenlernen, mehr übereinander erfahren, und auch seine Familie lernt Jaemin kennen. Sie alle sind unsicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollen, er ist noch immer ein Prinz, doch mit der Zeit gewöhnen sie sich aneinander, manch eines Nachts bleiben selbst die Kleinsten lange wach und jagen ihn durchs Haus. Auch sie reden viel mit ihm, viel mehr redet er aber mit Jeno.
Doch von all den Fragen, die er ihm beantwortet, bleibt eine übrig, die Jaemin ihm nicht stellen kann.
„Bruder, kann ich Euch etwas fragen?“ Die Brüder stehen in der Bibliothek, die Luft ist noch immer schwer und voller Staub. Diesmal finden sie sich auf der gleichen Höhe wieder, Jaeyeong hat seine Arbeit niedergelegt, um mit Jaemin zu sprechen.
„Nur zu.“
„Wie fühlt es sich an, verliebt zu sein?“
„Hat dein Freund etwa eine reizende Schwester?“
„Er hat vier, Bruder. Aber es geht um keine von ihnen.“
„Hast du eine andere Frau auf deinen nächtlichen Ausflügen kennengelernt?“ Jaemin stutzt, überspielt es allerdings gekonnt.
„Auch das ist nicht passiert. Beantwortet mir bitte einfach nur meine Frage.“ Jaeyeong geht die Treppe hinauf zu dem oberen Rundgang, seine lauten Schritte bringen ihn an das Ende, an dem Jaemin ihn kaum sehen kann. Nach einer Weile kehrt er mit einem besonders staubigen Buch zurück und überreicht es seinem jüngeren Bruder.
„Lies es und du wirst es verstehen.“
„Ich danke Euch.“
Jaemin kehrt in sein Zimmer zurück und schlägt den knirschenden Buchdeckel auf. Die Schrift kann er kaum erkennen, doch auf den folgenden Seiten wird es leichter. Bevor er zu lesen beginnt, nimmt er Platz an seinem Arbeitstisch gegenüber dem Himmelbett, sodass die schwindende Sonne auf das verblichene Papier fällt.
Ab dem ersten Satz wird er von der Geschichte gefesselt, liest bis in die Nacht hinein. Die erste Kerze, die Jisung ihm bringt, erlischt und er sitzt in vollkommener Dunkelheit, ehe leise eine neue neben ihm abgestellt und angezündet wird.
„Was lest Ihr, Prinz?“ Jisung sieht ihm mit unverhohlener Neugier entgegen, hält Holzscheite in seinen Händen, um den Kamin in der gegenüberliegenden Ecke anzufeuern.
„Ich sage es dir morgen“, bekommt er erwidert und schon beugt Jaemin sich erneut über die Seiten. Etwas enttäuscht wendet Jisung sich ab und kniet vor dem Steinvorsprung nieder, platziert das Holz sorgfältig auf der flackernd glühenden Glut.
„Sage mir, Jisung, warst du schon einmal verliebt?“, kommt es plötzlich von dem Prinzen und überrascht richtet Angesprochener sich auf, tritt neben seinen Herren.
„Wie darf ich das verstehen, Prinz?“
„Es ist nur eine Frage. Hast du schon einmal jemanden richtig gemocht? Oder hast jemanden geküsst?“
„Für solche Dinge bleibt mir keine Zeit, Eure Hoheit.“ Seufzend wendet Jaemin sich wieder den Seiten zu.
„Lest Ihr über die Liebe?“
„Vielleicht.“
„Ist da ein Mädchen, das Euer Interesse weckt?“
„Nein. Ja. Ich weiß es nicht.“ Jisung schmunzelt und verneigt sich.
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indigent prince ++ nomin ✓
Hayran Kurgu+ abgeschlossen + »prince ›/prɪns/ ·noun -the son of a monarch- »indigent ›/ˈɪndɪdʒ(ə)nt/ ·adjective -poor; needy- »„poor little rich boy" ·phrase of ‚poor' -a wealthy young person whose money brings them no contentment- »›» Jaemin ist der zweitge...