Der Rabe

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Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung wann ich ihn zum ersten Mal sah. Wirklich realisiert habe ich ihn allerdings erst an diesem Tag.

Es war ein Morgen wie er im Bilderbuch steht. Grau, kalt und Montag. Absolut perfekt zum nichts tun. Aber nein, die Regierung dachte sich: Schulpflicht. Da war sie nun. Die gute alte - entschuldige, süße 17 jährige - Felicity Jackson. Sie war bereit die Welt zu erobern. Am liebsten im Liegen. Und von ihrem Bett aus. Und vielleicht nicht heute, sondern morgen. „Der Bus kommt in 10 Minuten Filli!" schrie ihre Mutter aus der Küche. Felicity riss ihre Augen auf und starrte ungläubig auf die Ziffern ihrer Uhr. „Scheiße, Scheiße, Scheiße..." waren ihre Gedanken für die nächsten 10 Minuten, in welchen sie sich übrigens Rekordverdächtig schnell fertig machte. Mit einem Apfel in der Hand rannte sie aus der Tür.
Auf dem Weg zum Bus hätte sie sich 2 mal fast gepackt, weil der Boden gefroren war. Sie schlitterte mehr über das Eis als zu laufen und ähnelte einer Ente beim Eiskunstlauf. Jap. Zum Glück hat es niemand gesehen.   Außer natürlich ihre Mitschüler, die schon an der Bushaltestelle auf sie warteten. Millie, ihre beste Freundin, hatte schon so einen starken Lachkrampf bekommen, dass sie sich wie ein gekräuseltes Geschenkband rollte und beinahe zusammenbrach. „Atmen! Millie atmen!" versuchte Felicity ihre Freundin zu beruhigen in der Hoffnung, das auch die anderen an der Haltestelle den Moment schnellstmöglich wieder vergessen. „hahaha ich hab alles auf snap, Tonya" sagte Millie während sie auf eine Eiskunstläuferin der 80er Jahre verweist und Felicity das Video zeigte. „Wow, sogar in Zeitlupe. Mensch Millie da haste dich aber selbst übertroffen" versuchte Felicity ihre peinliche Situation cool abzuspielen. „hahaha ja natürlich, in Zeitlupe sehen deine Gesichtszüge noch viel witziger aus, wenn du kurz davor bist zu fallen, guck!".
Dann war auch schon der Bus da. Beide teilten sich Kopfhörer, wie jeden Morgen und zeigten sich neue Lieder und lustige Videos aus dem Internet.

Es vergeht kein Tag an dem ich sie nicht vermisse.

An der Schule angekommen stolpert Felicity schon wieder, aber diesmal fällt sie wirklich. Leider hat es Millie diesmal nicht filmen können. Dabei war es  aber ein so perfekter Ausrutscher wie in einer Zeichentrick Kinderserie. Zuerst die Füße nach vorne weg, der Oberkörper und Kopf - mit einem übrigens unschlagbar lustigen Gesichtsausdruck - fielen nach hinten und kaum auf dem Boden gelandet, sind die Füße hochgeklappt und wieder runter. Also wenn das nicht eine oscarverdächtige Landung war, dann weiß ich auch nicht. Für Millie war es der Höhepunkt des Tages. Sie lachte so stark, dass sogar die Schüler in den Klassenräumen aus den Fenstern schauten und Felicity auf dem Boden liegen sahen.
Die Person, die ihr aber hoch geholfen hat und nachfragte, ob alles okay sei, war weder Millie, noch ein Lehrer.

Ein unglaublich attraktiver 18 jähriger. Dunkle Haare, blaue Augen und er trug nur schwarz. Sein Lächeln aber war es, das mich killte. Und mir die Sprache verschlug.

Er war sofort zu ihr geeilt und fragte sie, ob sie okay sei und half ihr hoch. „Pass auf, hier muss man echt vorsichtig sein." sagte er in einer tiefen, leicht kranken Stimme. Als hätte er einen Schnupfen. Felicity, noch geflashed von ihrem charmanten Retter, nickte nur zögerlich während sie ihm die tief in die Augen sah. Und sogar beinahe sabberte. „Nun gut, ich geh dann mal. Aber versprich mir bitte besser darauf zu achten, wo du hingehst". Da war wieder das zögerliche Nicken und der erste Sabbertropfen war schon in den Startlöchern. Der tiefe Blick in die Augen wurde langsam irgendwie gruselig und auch Millie hatte dies bemerkt. „jaa danke ich werd schon auf sie aufpassen" rettete Millie die Situation und lief gemeinsam mit Felicity zur Tür.
„Hast du das...?" fragte Felicity ohne ihren Satz beenden zu können. „Jap, mir hat allerdings das Pferd gefehlt" antwortete ihr Millie direkt. „Welches Pferd?"
„Jeder gute Prinz braucht ein Pferd auf den er angaloppiert kommt und die Situation rettet."
„und diese Situation gerade eben hab ich mir nicht nur eingebildet? Er war echt da?"
„Jap, und alle unsere Mitschüler haben es gesehen"

Beide liefen in ihren Unterricht. Seit sie in der Oberstufe sind haben sie weniger Fächer gemeinsam. Vielleicht ist es ja besser so, weil sie endlich was lernen und nicht den Unterricht damit verbringen über den neusten Klatsch zu reden, ihre Mitschüler mit Papierkugeln abzuwerfen oder heimlich ein Frühstück in der letzten Reihe veranstalten. Als Felicity den Raum betrat blieb ihr Herz für einen kurzen Moment stehen.

Da saß er. In der ersten Reihe. In der ersten Gottverdammten Reihe des Biologie Unterrichts. Ihr Retter, ihr Prinz ohne Ross, ihr.. „Felicity setzt dich bitte, wir wollen anfangen" forderte die Lehrerin sie auf. Zum Glück. Es hatte sich wieder Sabber angesammelt. Wäre peinlich geworden. Felicity setzt sich an ihren Platz in die dritte Reihe. Sie lehnt sich zu ihrer Nachbarin hinüber und fragt sie „sag mal, wer ist der neue Schüler in der ersten Reihe da?"
„Welcher neue Schüler?"
„Na der neue, gut aussehende Typ da. Mit den wunderschönen blauen Augen"
„Wir haben keinen neuen Schüler Fillie!"
„Aber wer ist das dann da vorne?"
„meinst du Oliver?"
„wenn das sein Name ist, ja"
„Oliver ist schon seit 2 Jahren auf unserer Schule, Fillie"
„Bitte was?!"
Felicity hatte ihn vorher noch nie wahrgenommen. Was bei seinem Aussehen echt merkwürdig ist. Aber auch Millie scheint ihn ja zum ersten Mal gesehen zu haben. Die 12. klasse hat zwar erst vor einem Monat begonnen, aber sie hätte ihn doch vorher schon auf dem Schulgang sehen können. Die Schule war nicht sehr groß. Aber sie hat bereits seit einem ganzen Monat mit ihm Unterricht. Und ihn trotzdem nie wahrgenommen.

Als es zur Pause klingelte, rannte Felicity zur Tür raus, um sich schnell mit Millie austauschen zu können.
„Niemals. So eine Augenweide ist auf keinen Fall schon 2 Jahre hier. Er wäre schon längst fester Bestandteil unserer Gespräche."
„Das meine ich ja auch!"
„Und jetzt?"
„Was und jetzt?"
„Na was machen wir jetzt?"
„Keine Ahnung? Ihn stalken?"
„Oliver war sein Vorname richtig?"
„Ja"
„Gib mir 10 Minuten und ich finde alles über ihn raus. Ein hoch auf Social Media"
Millie hätte sich beim FBI bewerben können. Ihr Talent innerhalb von Sekunden alles über eine Person herauszufinden nur mit Hilfe des Internets war erstaunlich. Und erschreckend. Aber erstaunlich.
„Er hat weder Instagram, noch Facebook. Auch kein Snapchat. Welcher normale Teenager hat denn bitte kein Snapchat? Noch nicht einmal MySpace"
„MySpace gibt es noch?"
„Nein man, es geht ums Prinzip. Seine Social Media Persönlichkeit ist nicht vorhanden"
„Und was jetzt?"
„Jetzt müssen wir es auf die gute altmodische Art herausfinden"

Millie zieht Felicity an den Tisch mit den Gossip Girls. Zumindest haben sie sie so genannt, weil sie alles über jeden wissen.
„Hey Ladies, wir haben ein Anliegen" wirft Millie und die Runde abgehungerter, Markenkleidung tragender Mädchen mit jeweils 20 Kilo Make-up im Gesicht.
„Sprich!" sagt eine von ihnen. Eine Blonde, sie hat etwas von Regina George aus Mean Girls.
„Oliver, aus unserem Jahrgang, kein Social Media oder sonst was. Wir brauchen alles was wir kriegen können"
Erklärte Millie ihr Anliegen an die Gossip Girls.
„Oliver?.. Achso der. Keine Ahnung er meidet alle, verbringt die Pausen allein, ist Einser Schüler und wohnt irgendwo im Wald."
„Echt jetzt?"
„versucht es besser nicht bei ihm. Er lässt niemanden an sich ran und redet mit keinem Mädchen"
„Mir hat er heute morgen hoch geholfen" brachte sich Felicity in das Gespräch ein.
„Na Mensch, mal was ganz neues. Passt ja gar nicht zu ihm. Was macht dich denn so besonders Fillie?"
„Bestimmt ist ihm einfach nur aufgefallen, dass ich jetzt meine Kleidung heute mit Perwoll gewaschen hab" antwortete Felicity dumm und nervös.
Millie prustete los, und bekam sich nicht mehr ein. Sie konnte echt über alles lachen. Aber das war dann auch das Ende des Gesprächs mit den Gossip Girls und beide gingen mit der Schulklingel zurück in ihren Unterricht.
Nach Schulschluss wollten Millie und Felicity noch etwas essen.

Chinamann?" fragte Millie und deutete auf das chinesische Restaurant neben ihrer Schule. Es hieß eigentlich irgendwas mit Asia Snack oder so. Aber bei den beiden hat sich Chinamann einfach mehr durchgesetzt. Als sie dort ankamen, verschluckte sich Felicity beinahe an ihrer Spucke (sie sollte sich echt mal untersuchen lassen). Vor dem Restaurant an einem Tisch saß er. Oliver. Ganz gemütlich isst er seine Reis mit Gemüse. Felicity und Millie schauten sich an und hatten beide sofort den gleichen Gedanken. Sie würden sich Essen holen, dann zu Oliver an den Tisch setzten und ihn ins Kreuzfeuer nehmen. Beide eilten zur Theke und bestellten ihre Standard Bestellung. Als sie sich jedoch raus setzten wollten war Oliver weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Und weit und breit war er nicht in Sicht. Nur sein Teller war übrig geblieben auf dem Tisch. Sowie ein schwarzer Rabe mit blauen Augen, welcher die letzten Reiskörner aß.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 10, 2019 ⏰

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