Zensas Kefer

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Der erboste Atem Kefers strich ihm über die angespannte Wange. Erneut glitt die vernarbte Hand zum verzierten Weinkrug, gefolgt von einem kräftigen Schluck, und der Becher hatte sich zum dritten Mal geleert.
„Vertreten, Lord Valoel"?! Mit einem lauten Knall stieß geformtes Holz auf die abgenutzte Oberfläche des Tisches.
„Das ist deine Pflicht als Sohn des Lords. Ich werde nur den Geleitschutz spielen und hoffentlich genug Alkohol bekommen, um mich so weit zu betrinken, dass ich von der Blamage nichts mitkriege." Vernünftige Zurückhaltung lag in den ruhig erwiderten Worten.
Sohn des Lords?
Noahtars Nase verzog sich.
„Ich bin nicht sein Sohn".
Er wusste, dass Ausgesprochenes sofort Konsequenzen mit sich ziehen würde. Und recht behielt er. Schnell und präzise traf ihn der erwartete Schlag am Hinterkopf.
„Wage es nicht des Lords Gutmütigkeit in Frage zu stellen". Wütende Augen blitzten ihn an, die Hand auf dem Tisch zur zitternden Faust geballt.
„Nilesh hätte dich schon im ersten Monat verbannen sollen"! Die Luft knisterte. Baron Kefer gereizt zu sehen war nichts Unübliches für den blonden Jungen, dennoch verunsicherte ihn die plötzlich spürbare Feindseligkeit. Unsicher wich das vernarbte Gesicht nach hinten.
„Du wirst an dieser Veranstaltung teilnehmen, das versichere ich dir beim Namen der Erdenmutter. Wenn es auch das Letzte ist was du tun wirst. Dafür werde ich sorgen". Wie das Gift einer geschmierten Klinge strömte die Drohung durch seine Adern. Diese Drohung war kein Schauspiel, die Diskussion war beendet und Kefer würde mit jeder Faser seines Lebens dafür einstehen. Mit beiläufiger Bewegung verwies der Baron Noah aus dem Raum, den Becher voll Wein erneut an den Lippen.

Rot-schimmernd verabschiedete sich die Wärme der letzten Sonnenstrahlen hinter dem Horizont. Nervös rutschten die feinen Stoffklamotten im ledernen Sattel hin und her. Das hell gescheckte Fell darunter begleitete die Bewegung ehe es zum Stillstand kam.
„Sir Valoel in Begleitung Baron Kefers, ich erfreue mich Ihrer Anwesenheit. Dennoch eine Schande den Lord nicht bei Ihnen zu haben". Dürr und klapprig erschien die Gestalt des bärtigen Mannes, der sich zur Begrüßung geschickt verbeugt hatte.
„Ganz meinerseits. Ihre Gastfreundschaft ist mal wieder unübertroffen, Sir Urcig". Kefer übernahm das Reden und deutete Noahtar mit einem leichten Tritt zu einem erzwungenen Lächeln – die weitaus berühmte und immerzu schlechte Laune von Valoels Ziehsohn sollte dieses Treffen keinesfalls gefährden.

Keine weiteren Freundlichkeiten waren von Nöten als der Schein einer Fackel den natureingenommenen Pfad beleuchtete. Dementsprechend verschwand die lächelnde Miene so schnell wie sie erschienen war. Nicht einmal seinen schützenden Mantel hatte er tragen dürfen – „zuprimitiv" – hatte ihn Kefer ermahnt und zum Umziehen geschickt. Folglich erfreute sich die groteske Kerbe in seinen jugendhaften Emotionen vollster Aufmerksamkeit. Hass wäre wohl kein ausreichender Ausdruck, um Noahtars Abneigung ihr gegenüber zu deuten. Zudem war er sich mehr als sicher, dass Kefer um seine Zwietracht wusste und voll und ganz seine Macht über ihn ausnutzte.
Verfluchter Baron, hallte es in seinen Gedanken wider. Im Antlitz solch vieler Adelsleute wagten die weiblichen Lippen nicht, Gedachtem einen Klang zu verleihen. Vielmehr nahm er zahllose Verneigungen gespielten Wohlwollens mit leichtem Schmunzeln zur Kenntnis, bis er sich an Kefers Seite endlich zum eigenen Sitzplatz durchgeschlagen hatte.
Das Theaterspiel selbst konnte man eher vergleichen mit einer törichten Komödie, äußerst ungeschickt in dem Versuch, Lord Valoel zu portraitieren. Abgesehen davon, dass seine gezeigte Kriegsrüstung wohl keinesfalls der Realität entsprach, fungierte Titanie, das legendäre Streitross, als übertrieben lächerliche Waffe. Im Alleingang solle es hundert Mann einer Kavalleriegeschlagen haben.

Geplagt von dem kontroversen Bild welches sich Noah bot, waren seine Gedanken in weite Ferne gerutscht. Überheblich versetzten ihn diese in die Rolle Nileshs und durchspielten endlose Szenarien, die er aus Mythen und Legenden rund um den berühmten Lord kannte. Obwohl der blonde Junge jegliche hochgeborenen Menschen verachtete, waren die Berühmtheit und Anerkennung, welche die meisten von ihnen erhielten, verlockender als erwartet.

Aufbrausender Applaus und geziertes Geschrei rissen ihn aus den rettenden Träumen. Scheinbar hatte die furchtbare Veranstaltung endlich ihr Ende gefunden. Erpicht darauf in den Schatten der Tribüne verschwinden zu können, ersparte sich Noah den Beifall und war schon dabei sich durch Massen an unangenehmem Schweiß und Geruch zu drängeln, als ihm Kefer einen Strich durch die Rechnung machte.
Gesammelte Kraft riss ihn zurück, ein strammer Griff folgte. Geübt hatte ihn der Baron am Arm gepackt und behielt den schmächtigen Jungen unter Kontrolle. Niemals würde sich der Schwertmeister etwas anmerken lassen, nebenbei unterhielt er sich grölend mit einigeng eschmückten Damen. Dabei entging Noah nicht, wie sich der massige Mann mit ihm im Schlepptau langsam in Richtung des Ausganges schob. Anders gesagt benötigten sie nicht länger als ein paar Minuten, ehe sie dem Tumult entkommen waren und sich von den betrunkenen Gästen entfernten.

Von der guten Laune des Barons kein Zeichen mehr, stieß er ein befreiendes Seufzen aus.
„Das war wahrlich die schlimmste Abbildung Nileshs die ich jemals mit anschauen musste. Beschämend, wie er auf seinem Pferd, oder was auch immer das war, über die Bühne marschiert ist." Kefers Blick lag auf Noah, der schlaksig ein paar Steinen auf dem Schleichweg auswich. Gleichgültig zuckte er schließlich mit den Schultern und beschleunigte den Gang, von dem ungezogenen Jungen neben ihm war keine Reaktion zu erwarten.

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Mit dem angesehenen Titel eines Schwertmeisters und dem meisterlichen Umgang mit sämtlichen Waffen, sicherte sich Zensas Kefer bereits in früher Jugend einen Namen.

Einst ärmlicher Bauernjunge, heute Baron und Herr über ein großes Gut, war ihm der Wille der Erdenmutter sicherlich wohlgesonnen, denn seine Geschichte dient vielen Menschen niederer Geburt als ein wahres Vorbild. Dennoch weht ein großer Teil seines örtlichen Respekts wohl eher von der Angst vor seiner übellaunigen Miene und teils brutalem Umgang her.

Zahlreiche Adelssöhne scheiterten bei einer Ausbildung unter Baron Kefer, unzählig viele wurden von ihm selbst als ungeeignet empfunden und aussortiert, womit er sogleich als strengster Lehrmeister der Gegend gilt.
Seine Methoden sind geprägt von Gewalt und Erbamungslosigkeit, stets versucht aus sogar den schwächlichsten Jungen am Ende talentierte Rittersmänner zu schmieden.
Durchaus ist sich Kefer selbst seiner ruchlosen Handhabung bewusst, aber in der Welt gilt doch immer das Gesetz und Überleben des Stärkeren, nicht wahr?

In seinem zweiten großen Kampf, bekannt als das Banditenmassaker, traf er auf Nilesh Valoel und war schon bald von jener offenen und herzlichen Art begeistert, wie die meisten anderen Menschen im näheren Umfeld.
So kam es, dass sich beide Männer, trotz hohem Altersunterschied, anfreundeten - ein starkes Band, geprägt von Vertrauen und Loyalität war erschaffen.
Es wurde zu Kefers Alltag, Nileshs Interessen und ehrgeizige Ziele zu unterstützen und diese auch in den letzten, verdreckten Löchern Naskans zu vertreten.
Jene freundschaftliche Beziehung wird bis heute spürbar gewährt, seit vielen Jahren behütet und beidseitig geschätzt.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 19, 2019 ⏰

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