„Huah", gähnte Burmann und schaute verwundert in die Runde, denn er war von lauten, ungewohnten Geräuschen wach geworden. [...] Vor seinem Bett lagerte eine junge, zottige, grün und schwarz gestreifte Waldhündin, die nun den Kopf hob und knurrte.
„Na, Bomsel, dir geht der Krach auch auf den Geist, was?", murmelte Burmann und strich dem Tier, das halb so groß wie er selbst war, über das Fell. Bald würde Bomsel ausgewachsen sein und dann wohl kaum noch im Haus wohnen können. Bomsel antwortete mürrisch: „Das wird ein Fest, bestimmt, Bomsel kennt Feste, Bomsel hasst Feste."
„Ja, ich weiß, sie sind laut und das ist nichts für dich, aber was feiern die?" Wie man sieht, kam Burmann – wahrscheinlich als einziger in der Umgebung – aus dem Mustopf. Er begann zu grübeln, welches Fest er wohl vergessen hatte. Plötzlich stand er aufrecht in seinem Bett: „Ist heute der Magierwettstreit? Einen anderen Anlass zum Feiern gibt es in dieser Jahreszeit doch nicht. Verdammt, aber wer ist denn ... Nein, das kann nicht sein. Maaama!"
Burmanns Mutter stürzte herein: „Was ist?", fragte sie erschrocken.
„Was wird da draußen gefeiert?"
„Du weißt es nicht? Das haben doch gestern Nachmittag schon die Federlinge von den Dächern gepfiffen. Heute werden die Teilnehmer für den Magierwettstreit ausgelost."
„Ausgelost?", fragte Burmann verblüfft. „Der Schlawiner! Hätte mir ja auch was sagen können. Dann werde ich mich mal fertig machen."
„Ja, mach das, mein Sohn. In zwei Stunden geht es los."
[...]
Zur gleichen Zeit waren die Vorbereitungen für das Fest in vollem Gange. Bansein legte sein Magiergewand an und setzte den achteckigen Würdenhut auf. Noch immer kam er sich mit dieser Kopfbedeckung irgendwie albern vor. Immer hatte er den Eindruck, die anderen würden leise über ihn kichern. Dabei war dieser Hut eines der erstrebenswertesten Attribute des Woodenvolkes. In solchen Augenblicken rief sich der Obermagier ins Gedächtnis, wofür die acht Ecken des Hutes standen. Eine jede war Symbol für eine der Magierfunktionen, die der Obermagier sämtlichst in sich vereinen musste, um dem Amt gerecht zu werden. Die erste Ecke stand für die Beraterfunktion des Ältesten, die zweite symbolisierte den Einfluss auf Ereignisse der Natur. Die dritte bis sechste Ecke standen jeweils für eine der Aufsichten, die der Obermagier zu führen hatte: über die Ausbildung der Heiler, die Ausbildung des magischen Nachwuchses, die magischen Ereignisse im Land und den Umgang mit fremden Welten und anderen magischen Wesen. Die siebente erinnerte an das Führen der Chronik und die achte stand für die Unterhaltung, für die ein Obermagier in Friedenszeiten verantwortlich war. Wenn Bansein all dies bedachte, konnte er sich mit der Kopfbedeckung abfinden.
Er rückte sie zurecht, klemmte den Kasten mit den Losen unter den Arm und machte sich auf den Weg zu Bedun, um mit ihm seinen Platz auf der Tribüne einzunehmen. Auf dem Weg begegneten ihm geschäftig herumlaufende Wooden und Woodinnen. Einige trugen Blumen, andere Töpfe mit Leckereien und Krüge mit verlockend duftenden Getränken.
Bansein drängelte sich durch die Menge. Plötzlich machte es KRCCHH. Bansein blieb stehen und horchte. Das Geräusch hörte sich verdächtig nach reißendem Stoff an. Etwas mitleidig sah er sich um, da war wohl jemand einem anderen auf den Mantel getreten. Er schickte sich zum Gehen an, kam aber nicht weit. Seine Beine verhedderten sich in irgendetwas und er stolperte, blieb aber an der vor ihm Gehenden hängen, so dass er sich nicht weh tat. „Hoppla, Obermagier!", sagte seine unfreiwillige Stütze, als sie ihn erkannte, und half ihm, sich wieder zu entheddern. Sie gingen etwas zur Seite und jetzt bemerkte Bansein, dass es sein Mantel gewesen war, der vorhin dieses verhängnisvolle Geräusch von sich gegeben hatte, und der war auch für sein Stolpern verantwortlich. Er starrte verzweifelt auf das klaffende Loch in seinem Gewand.
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Der Drachenschrein - Leseprobe
FantasyEs ist wieder einmal Zeit für ein Magierfest im Land der Wooden und Flowen. Auch ein Dra, Vertreter des befreundeten Drachenvolkes, ist anwesend, um als Unparteiischer für Gerechtigkeit bei den Wettkämpfen zu sorgen. Während des Festes taucht am Him...