Die praktische Einheit

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Hier habe ich Kapitel 6 für euch. Viel Spaß beim Lesen :)

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Die letzte Stunde zog sich ewig. Seitdem Aizawa Yui des Unterrichts verwiesen hatte, herrschte eine durchgehende Unruhe in der Klasse, die mir meine Konzentration raubte. Als der Gong endlich das Ende der Stunde verkündete, legte ich den krampfhaft umschlossenen Kugelschreiber zur Seite und atmete tief durch.
"Was für eine Stunde", bemerkte auch Momo und fuhr sich durch die Haare. Dabei löste sich eine Strähne aus ihrem Zopf.
"Ich habe Kopfschmerzen", gestand ich leise und rieb mir die Schläfen.
Tatsächlich war es sogar noch eine Spur schlimmer. Ich stand unter Strom und hatte einen unheimlichen Bewegungsdrang - die klassischen Symptome für den wölfischen Hunger. Nach der Schule musste ich dringend auf die Jagd.
"Wollen wir unser Bento heute draußen essen? Es ist schönes Wetter und die frische Luft hilft bestimmt gegen deine Kopfschmerzen", schlug Momo vor.
Prinzipiell fand ich ihre Idee gut, doch ich war mir unsicher, ob nicht der Ruf der Freiheit siegen würde, wenn ich nach draußen ging. Er war so schon unglaublich stark. Hätten wir nach der Pause nicht noch den Nachmittagsunterricht - auf den ich ehrlich gesagt gerade wenig Lust hatte - wäre das alles sicherlich kein Problem.
"Wir haben uns doch mit Shin in der Kantine verabredet", versuchte ich mein Glück, während ich meine Schulsachen zusammenpackte und in die Tasche räumte.
Momo tat es mir gleich.
"Den können wir auf dem Weg ja einsammeln", beschloss Momo und schulterte ihre Tasche. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nicht mehr davon abzubringen.
Leise seufzend erhob ich mich von meinem Stuhl und wollte meiner besten Freundin zur Tür folgen, als mein Blick auf die zerrissene Bewertung von Yui fiel. Irgendetwas sagte mir, dass das eben eine Kurzschlussreaktion seitens Yui gewesen war. Ich bückte mich und hob die beiden Teile auf, bevor ich Momo weiter folgte.
"Hey, Izuku. Kommt ihr mit uns raus?", fing diese gerade unsere Mitschüler ab.
Die Dreiergruppe blieb stehen und drehte sich zu uns um. Ochacos Blick glitt kurz aus dem Fenster, als wägte sie die Optionen ab.
"Danke für das Angebot, Momo, aber Tenya und ich würden gerne nach Yui sehen. Sie wirkte etwas aufgebracht und braucht vielleicht jemanden zum Reden. Ich mache mir Sorgen um sie", antwortete Izuku freundlich.
Seine Art mit anderen Menschen umzugehen, machte ihn in meinen Augen irgendwie besonders. Yuis schweigsamer Abgang hatte mich ebenfalls überrascht, aber ich besaß nicht das Recht mit ihr darüber zu sprechen. In meinen Augen war es zu persönlich und für so etwas standen wir uns einfach nicht nahe genug.
"Ich habe heute kein Mittagessen dabei, deshalb begleite ich die beiden", kam es von Ochaco.
"Alles klar. Könntet ihr Shin kurz Bescheid geben, dass wir draußen sind?", fuhr Momo fort.
"Natürlich", versicherte Izuku.
"Danke."
Ich sah auf die Schnipsel in meiner Hand herab und streckte diese kurzerhand Izuku entgegen.
"Würdest du das Yui geben? Wir haben heute keinen Unterricht mehr im Klassenraum und es ist zu persönlich, um liegengelassen zu werden."
Kurz streifte mein Blick den meines grünhaarigen Mitschülers, bevor ich schnell zur Seite sah. Izuku griff derweil nach den beiden Zettelhälften und nahm sie an sich.
"Sehr löblich von dir, Okami-san", merkte Tenya an.
Es gab wohl keinen Moment, den er nicht kommentierte.
"Irgendwann wird sie dich bestimmt respektieren, Okami", entgegnete der Wuschelkopf und verließ den Raum. Tenya und Ochaco folgten ihm.
"Izuku hat Recht. Ich glaube, Yui ist jemand, der man sich beweisen muss", kommentierte Momo und legte ihren Arm um mich.
Während sie mich auf den Flur hinauszog, dachte ich über ihre Worte nach. Meine Schwäche war tatsächlich der einzige Grund, warum Yui mich hassen könnte. Sie war Katsuki ähnlich und dieser hatte mir offen ins Gesicht gesagt, was er von mir hielt.
"Kann gut sein", bemerkte ich abwesend und streifte ihren Arm von mir.
Einige Meter vor Izuku und den anderen entdeckte ich Shoto. Er hatte seine Hände tief in den Jackentaschen vergraben und schien er eilig zu haben, von hier wegzukommen. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, mich bei ihm zu bedanken - geschweige denn den Mut dafür aufgebracht. Irgendwie war mir seine Art unheimlich. Ich kam mit dieser Kälte an Menschen nicht klar.
"Hat Shoto in seiner Eile was fallen lassen?", fragte Momo ebenfalls in die Richtung blickend.
Schnell schüttelte ich den Kopf.
"Ich bin ihm am Samstagmorgen auf dem Rückweg von Yuma über den Weg gelaufen. Dabei hat er mich dezent darauf aufmerksam gemacht, dass die Ampel rot war. Ich muss mich dafür noch bei ihm bedanken", verharmloste ich unsere Begegnung.
Ich hätte es mir auch sparen können. Momo war keineswegs auf den Kopf gefallen und sie wusste bereits, wie lang wir am Freitag wach waren. Keine Sekunde später bereute ich meine Offenbarung auch schon.
"Dich sollte man wirklich nie allein lassen, Ket!", rief sie laut, sodass sich einige zu uns umdrehten.
Peinlich berührt sah ich auf den Boden, doch Momo war das herzlich egal. Sie packte mich am Handgelenk und rannte los. Total überrumpelt wäre ich fast gestürzt und schaffte es nur mit Mühe, den Tatentrang meiner besten Freundin auf meinen Füßen auszubalancieren.
Im Eingangsbereich des Erdgeschosses blieben wir stehen. Von hier gelangte man entweder in die Kantine oder auf das Außengelände. Entgegen ihrem eigentlichen Plan zog Momo mich in die Mensa, die bereits gut gefüllt war. Durcheinandersprechende Stimmen, Lachen und laute Diskussionen drangen an mein Ohr.
"Wollten wir nicht rausgehen?", fragte ich irritiert und versuchte meine Hand aus ihrem Klammergriff zu befreien, doch Momo schien meine Frage nicht wahrzunehmen. Sie steuerte eine der Zweiersitzgruppen am Fenster an.
Dort angekommen erblickte ich den zweifarbigen Haarschopf von Shoto, der sich wohl eine Dose Hajikete Grape Soda geholt hatte und daraus trank. Er saß mit einem der Gemüsegerichte von der Ausgabe allein am Tisch und hatte seinen Blick aus dem Fenster gerichtet, wobei er niemanden wirklich zu beobachten schien.
"Shoto, da will dich jemand sprechen", fiel Momo mit der Tür ins Haus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 28, 2019 ⏰

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