„Mauuu", ertönte es wehklagend zu Lucys Füßen, als sie gerade ihr Frühstück in der Küche zubereitete. Etwas strich an ihrem Unterschenkel vorbei. Sie blickte herab auf den rotgestreiften Übeltäter, der sie mit großen Augen ansah.
„Ja, ich weiß, Cupcake, du hast genauso Hunger wie ich. Gedulde dich noch einen Moment." Sie streichelte ihm über den Rücken und kümmerte sich dann wieder um das Frühstück.
Eine Tür knarzte und Schritte kamen näher. Sie schaute auf, als sie im Augenwinkel eine Gestalt wahrnahm. Im Türrahmen stand ihr Mitbewohner Eddie, dessen braune, sonst perfekt nach hinten zurecht gestylten Haare aussahen, als hätte er sie seit Tagen nicht gewaschen. Sein Gesicht war unrasiert und aufgedunsen.
„Was zur Hölle ist denn mit dir passiert?"
„Dir auch einen guten Morgen, danke." Eddie schniefte mit seiner geröteten Nase. Er schlurfte durch die schmale Küche und griff nach einer der Tassen auf dem Abtropfgestell neben der Spüle. „Ich brauche erstmal einen Tee."
Lucy nickte und hakte nicht weiter nach. Eddie und sie wohnten inzwischen seit drei Jahren zusammen und er war einer der wenigen Menschen, für die sie so etwas wie Freundschaft empfand. Deshalb kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass er spätestens nach ein bis zwei Tassen Tee so redselig wie ein Waschweib wurde.
Während er Wasser aufsetzte, füllte sie Cupcakes Futternapf. Anschließend setzte sie sich an den Küchentisch und löffelte genüsslich ihr Porridge. Wenig später nahm er ihr gegenüber von Platz. Tief sog sie den Duft des aromatischem Earl Grey ein, den die Flüssigkeit in seinem Becher verströmte. Das war ihr beider Lieblingstee.
Eddie stützte sein Gesicht auf beide Hände und senkte den Blick auf ihre Müslischüssel. Für einen Augenblick war nur ihr eigenes Kauen und Cupcakes Schmatzen zu hören. Schließlich atmete er tief ein, schloss die Augen, unter denen sich dunkle Ringe gebildet hatten und verkündete: „Miles hat gestern Schluss gemacht."
Lucy hielt inne und sah ihn mit offenem Mund an. „Scheiße." Sie streckte eine Hand aus und strich ihm damit über die Schulter. Bisher hatte sie nur zwei kurze Beziehungen gehabt, aber sie konnte sich noch zu gut an den Schmerz erinnern, der ihr Herz und ihre Gedanken erfüllt hatte. Bei ihr gab es weder Glück im Spiel noch in der Liebe. Rasch verdrängte sie die Erinnerungen und konzentrierte sich auf den Rest Haferbrei in ihrer Schüssel. Sie hatte aus dem Schmerz gelernt und war nun vorsichtig, was Männer anging.
Er schnaufte und verbarg das Gesicht in den Händen. „Genau, verdammt beschissene Mega-Ober-Scheiße. Vor allem, weil ich selbst schuld bin. Er hat mich vorgestern erwischt, wie ich draußen vor dem Notausgang mit dem Barkeeper vom Heaven & Hell rumgeknutscht habe." Er stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor er weiterredete: „Ich kann also bedauerlicherweise auf niemanden als mich selbst sauer sein. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich die letzten zwei Tage in Selbstmitleid zu ertränken." Er hob den Kopf und hielt einen Moment inne, bis er den Mund zu einem schiefen Grinsen verzog. „Ich schwöre dir, Süße: Finger weg vom Alkohol, ist ab sofort mein neues Motto!" Er prostete ihr mit der Tasse zu.
Lucy erwiderte, indem sie den Löffel in die Höhe streckte, bevor sie damit den letzten Bissen ihres Frühstücks aß. „Hört, hört", nuschelte sie kauend. Sie wusste schon, warum sie anderen beim Alkohol trinken lediglich zusah. „Ich nehme dich beim Wort. Was kriege ich dafür, wenn ich dich doch wieder mit einer Flasche Hochprozentigem erwische?"
Er kratzte sich am Kinn und schaute hoch zur Decke. „Hm, je nachdem, ob du mich im nüchternen oder betrunkenen Zustand zur Rede stellst, wahrscheinlich ein Küsschen auf die Wange oder einen Klaps auf den Hintern." Sein Grinsen war so breit, dass die dunkeln Ringe unter seinen Augen schwächer wirkten und er beinahe wie sonst aussah. „Und wenn du eine ganz artige Mitbewohnerin bist, hältst du für den Fall der Fälle die Klappe und kriegst im Gegenzug bald wieder Pancakes zum Frühstück gezaubert."
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Ungestillter Durst - Die Macht des Blutes
Vampire„Halt dich fern von Vampiren, sie bringen dich nur in Gefahr!" London 2025: Obwohl Vampire und Menschen nach Beendigung eines Krieges seit Jahren in Frieden leben, hält sich Lucy Rider immer noch an den Rat ihres Vaters. Doch als ein Vampir ihre Fre...