Meine Eltern haben mir immer gesagt:
"finde einen Mann der dich Versorgen kann Aurelia! Dann fehlt es dir an nichts und wir müssen uns keine Sorgen um dich machen."
Ich fand es immer schon wundervoll, wie sehr sie sich um mich gesorgt haben! Sie lieben mich von ganzem Herzen obwohl ich nicht mal ihre leibliche Tochter, sondern ein Waisenkind bin. Meine Vater wurde damals mit mir im Arm an den Strand dieses kleinen Fischerdorfs gespült. Mich konnten sie retten, aber für ihn kam damals jede Hilfe zu spät. Meine Ziehmutter Rosie hat sich wohl auf den ersten Blick in das kleine 2 Jahre alte Mädchen verliebt und mich zu sich und ihrem Mann, meinem Ziehvater Boris, geholt.
Seit dem lebe ich ein glückliches Leben, wenngleich wir uns alle fragen was mit meiner Mutter passiert ist.
In Gedanken versunken laufe ich mit meinem Korb über den Marktplatz.
"Aurelia, warte!"
Überrascht drehe ich mich um und blicke in das Gesicht von Maurice, dem begehrtesten Junggesellen des Dorfes und laut Lauren auch der angrenzenden kleinen Stadt Cheris.
"Wohin bist du denn unterwegs?"
Fragt er mich mit einem verschmitzten Grinsen. Maurice überragt mich lediglich zwei Finger breit, hat starke Schultern und breite Oberarme von der Arbeit in der Backstube. Er und seine Mutter sind berühmt für ihre gezwirbelten Zimtschnecken und so kommt die Kundschaft von weit her zu uns gereist. Schon das ein oder andere Fräulein hat versucht Maurice aus unserem Dorf heraus zu locken, aber er bleibt standhaft.
"Ich besorge neue Schleifsteine für meinen Vater und für Mutter ein paar Pfeile. Sie hat schon wieder einen Haufen im Wald verloren und will einfach nicht einsehen, dass ihre Sehstärke abnimmt." Kopfschüttelnd verdrehe ich die Augen. Hatte ich bereits erwähnt, dass meine Zieheltern ehemalige Söldner sind? Jeder in diesem Dorf weiß darüber bescheid seit die beiden mal eine Räuberbande ohne Schwierigkeiten in die Flucht geschlagen haben. Seitdem wollten die Bewohner sie nicht mehr gehen lassen und so blieben sie einfach, bis ich ein paar Monate später in ihr Leben gespült wurde.
"Na hoffentlich trifft sie nicht aus Versehen den Jäger Johann!"
Wir beide lachen für einen kurzen Moment, bis ich eine ernste Miene ziehe und erwidere: "diese Sorge hatte ich auch schon, deshalb habe ich ihm zum letzten Jahrfest einen roten Schal geschenkt."
Maurice imitiert für einen kurzen Moment meine ernste Miene, bis er wieder in schallendes Gelächter ausbrach.
"Dann kann ihm ja tatsächlich nichts passieren!"
Ich lächle vor mich hin und will mich gerade von Maurice verabschieden als dieser mich am Handgelenk festhält:
"Warte Aurelia, morgen ist doch das Zauberfest und ich wollte dich fragen ob du vielleicht mit mir als Begleitung hingehen möchtest."
Ein bisschen überrumpelt drehe ich mich zu Maurice um: "Mit mir?" Verwundert blicke ich ihn an und sehe dann an mir herunter. Mein Lederwams der noch immer vom heutigen Training verdreckt war und meine schmutzverkrusteten Stiefel unterstrichen mein Aussehen nicht unbedingt positiv.
Zwar wünschen sich meine Eltern einen Mann für mich, aber es hat sich rumgesprochen, dass sie mich schon von klein auf trainieren.
So war ich mit 5 in der Lage, 2 Jahre ältere Jungs zu verprügeln als sie meiner Freundin Lauren und mir Süßigkeiten klauen wollten. Meine Vater hat damals nur gelacht als ich mit ein paar Schrammen zurück gekommen bin. "Richtig so Auri!"
Später haben mich meine Eltern dann zu kleineren Aufträgen mitgenommen.
Um ehrlich zu sein hatte bisher kein Junge geschweige denn Mann wie Maurice den Mut mich nach einem Treffen zu fragen.
Aus diesem Grund und weil er mich kalt erwischt hat antwortete ich ihm mit: "Sehr gerne ich meine, falls das wirklich in Ordnung für dich ist?"
Wieder schenkte er mir herzraubendes Lächeln:
"Du weiß gar nicht wie in Ordnung das für mich ist! Ich hole dich dann morgen bei Sonnenuntergang ab! Grüß deine Eltern von mir!"
Mit einem letzten Zwinkern drehte er sich um und lief leichtfüßig über den Platz Richtung Backstube. Bevor er um die nächste Kurve verschwand drehte er sich noch mal um und rief: "Aurelia Feinklinge!" Alle Dorfbewohner drehten sich beim Ruf meines vollen Namens um.
"Was ist?" Rief ich ihm lächelnd entgegen.
"Du hast das süßeste Lächeln von ganz Berylis!" Überrumpelt und geschmeichelt lief ich rot an, während Maurice seinen Weg weiter fortsetze. Hylin, eine der ältesten Dorfbewohnerinnen, kam auf mich zu und schüttelte den Kopf:"Jung müsste man noch mal sein!"
Peinlich berührt aber unglaublich glücklich setze ich meinen Weg zum Waffenschmied fort.
Später als geplant, machte ich mich auf den Rückweg zu meinen Eltern da Rupert der Schmied schon seit einer Weile gefallen an meiner Vorliebe für geschwungene und leicht zu versteckende Dolche gefunden hatte.
Er war immer drauf und dran mir bei jedem meiner Besuche neue Experimente präsentieren zu können, doch dieses mal hatte er sich selbst übertroffen: eine aus Feenstein hergestellte Waffe war an sich schon etwas besonderes und sündhaft teuer. Der lange, gewundene Dolch den er mir jedoch überreichte war nicht in Worte zu fassen.
So dünn wie Papier und doch schärfer als alles, was ich bisher in meinen Händen hielt war diese Waffe ein Meisterwerk der Schmiedekunst. Den Griff wollte er mir nochmals anpassen deshalb kam ich vorerst mit leeren Händen, dafür aber erfüllt von unglaublicher Vorfreude zu Hause an. Was für ein Tag! Ich warte nur darauf, dass irgendetwas gewaltig schief läuft. Möglicherweise trifft mich meine Mutter mit einem ihrer Pfeile falls sie das nächste mal wieder ignoriert, dass ich gerade meine Wurfübungen im Wald ausführe.
"Aurelia!"
Ich war nicht mal zur Tür herein und schon drang der fordernde Ruf meines Vaters zu mir vor.
"Zu Ihren Diensten!"
Rief ich ihm beim öffnen der Tür entgegen.
"Liebling, es gibt ein kleines Problem." Als ich durch den Gang zu meinem Vater in seine kleine Werkstatt kam, hob er den zusammengekniffenen Blick von der Falle die er scheinbar schon wieder modifizierte.
"Deine Mutter musste heute sehr plötzlich in die Königsstadt aufbrechen. Wie du weißt eilt ihr ihr Ruf immer noch voraus... Es ist schwer für einen Ehemann im Schatten seiner Frau zu stehen..."
Bevor mein Vater zu weit in seine Selbstzweifel abdriftet schalte ich mich ein:
"Paps worum geht es?"
Mein Einwand unterbrach seine Grübeleien.
"Genau! Also siehst du es ist so... wie du weißt geht es deiner Großmutter nicht sonderlich gut, deine Mutter wollte sie besuchen aber naja... Sie meinte, dass wir beide sie doch besuchen könnten aber.."
Bevor er weiterreden konnte, hatte ich sein Ziel bereits erraten.
"Du hast keine Lust Oma zu besuchen, hab ich recht?"
Erleichtert und etwas betreten sieht mich mein muskulöser Vater an. Fast schon lustig, wie sich dieser große Mann vor seiner kleinen scharfzüngigen Schwiegermutter fürchtet.
"Dieser Frau kann man es nie recht machen! Und du bist doch schon 20 Jahre alt und mittlerweile geschickter im Umgang mit Waffen als deine Mutter. Aber wehe du sagst ihr, dass ich das gesagt habe!"
Wir lachten beide bei seinem letzten Satz. Aber es stimmte, ich war stark genug um den verwunschenen Wald alleine zu durchqueren und da morgen beim Zauberfest der Bann um das Dorf und somit der Schutz gegen wilde Monster erneuert wurde, musste einer von uns Oma besuchen gehen. Nachdem der Bann erneuert wurde können nämlich vorerst keine Bewohner das Dorf verlassen, geschweige denn Reisende das Dorf betreten.
Zwar nur für 2 Wochen, aber wer weiß welches Stück Land Oma bis dahin in die Luft gesprengt hat.
Die alte Dame hat es nämlich mit Sprengstoff.
"Also gut Paps ich gehe, kein Problem. Apropos, Rupert hat mir einen unglaublichen Dolch geschmiedet. Er ist aus Feenstein!"
"Kann der alte Rupert auch mal etwas anderes als Dolche herstellen! Aber natürlich freue ich mich für dich Aurelia! Du hast nur das Beste verdient, auch wenn ich mir wünschen würde, dass Männer in deinem Alter Interesse an dir zeigen."
Wütend blickte er erneut von seiner Arbeit auf, als wäre ihm gerade ein Gedanke gekommen:
"Ich schneide Rupert eigenhändig die Kehle durch, sollte er jemals auf die Idee kommen dich zu bedrängen!"
Um ihn zu beruhigen legte ich meinen Arm um seine Schulter und knuffte ihn anschließend in die Seite:
"Alles gut Papa! Rupert würde niemals so weit gehen, allein schon weil er Angst vor dir und Mum hätte. Geschweige denn vor mir selbst!"
Diese Aussage beruhigte meinen Vater ein wenig und so widmete er sich wieder seiner Arbeit, während ich die Einkäufe in der Küche ablegte und mir einen Apfel, die Armbrust, zwei Dolche, ein kleines Schwert sowie 10 Wurfsterne schnappte. In meinem Zimmer angekommen, wechselte ich den verschmutzten Lederwams durch einen frischen (ich besaß genau 2) und befestigte anschließend meine Waffen. Zufrieden verließ ich mein Zimmer mit dem Apfel in der linken und meinem roten Umhang in der rechten Hand.
"Ich bin dann mal Weg!" Rief ich Richtung Werkstatt.
"Pass auf dich auf mein Rotkäppchen und immer dran denken: wenn das Monster mehr als zwei zusammenhängende Sätze bilden kann, steht es unter dem Schutz der Rechte magischer Wesen mit annähernd menschlichem IQ!!"
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Rotdolch - der Wolf ist harmlos, das Mädchen nicht
Fantasy"Du findest einen Mann den du heiraten kannst! Gründe eine Familie mit ihm und schenk uns viele Enkelkinder!" Für meine Eltern scheint das Ganze super einfach. Blöd nur, dass sie mich von klein auf statt mit Puppen, mit Waffen großgezogen haben und...