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Prolog

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Es sah noch fast genauso aus wie damals, als er sie weggeschickt hatte. Nur Kleinigkeiten hatten sich verändert, die schweren Vorhänge waren nun bordeauxrot und nicht mehr moosgrün. Das Bett, in dem sie einige der schönsten Stunden ihres Lebens verbracht hatte, war ordentlich zurechtgemacht, und Rosalies Familienwappen war aufgestickt worden. Eine Rose und ein Dolch. Ein bitteres Lächeln schlich sich auf Eleisas Gesicht. Wie passend, wie ein Dolchstoß hatte es sich auch für sie angefühlt, von ihm verlassen zu werden.

In Erinnerungen versunken, trat sie hinter den gedrechselten Ebenholz-Stuhl und strich sanft über die Lehne. Wie gerne sie dieses Zimmer wieder ihr Heim nennen würde ... aber das war vorbei. Sie gehörte nicht mehr hierher.

Schwere Schritte näherten sich vom Gang, ihr Geräusch hallte an den Wänden wider. Schnell und zielstrebig waren sie, so, wie er schon immer gewesen war, nicht abzubringen von dem, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Genauso würde er versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Die Tür wurde aufgerissen und schlug mit einem lauten Knall gegen die Wand. Unwillkürlich wich Eleisa einen Schritt zurück und umfasste die Stuhllehne fester.

Seine braunen Augen schienen Funken zu sprühen, als er auf sie zu ging. Kurz bevor er den Tisch erreicht hatte, blieb er stehen und fasste sich frustriert an die Stirn. „Wieso bist du zurückgekommen, Eleisa? Ich habe euch verbannt, weil es besser für euch beide ist, nicht am Hof zu sein." Noch immer stand Besorgnis in seinem Blick, wenn er sie ansah. Nach allem, was er ihr angetan hatte. Die Wut in seinen Schritten schien einer unglaublichen Frustration gewichen zu sein, seine Schultern hingen herunter und er ging gebeugt. Er hatte nicht mehr die vornehme Haltung eines Königs, mit der sie ihn kennengelernt hatte, doch Mitleid konnte sie sich dennoch nicht erlauben. Erst recht nicht für ihn. Nicht nach dem, was sie seinetwegen durchgemacht hatte.

„Ich bin zurückgekommen, um für das zu kämpfen, was mir zusteht", erwiderte sie kalt.

„Und was ist das? Sag es mir und ich werde es dir geben, aber bitte, Eleisa, geh, du kannst nicht hierbleiben. Außerdem musst du dich um das Kind kümmern – um unser Kind." Eindringlich bohrten sich seine braunen Augen in ihre. Die Augen, die sie einmal geliebt hatte und die ihr dennoch nur Leid gebracht hatten. Die Augen, für die sie sich selbst aufgegeben hatte und für die sie gelernt hatte, Intrigen zu spinnen. Die Augen, für die sie jemand geworden war, der sie nie hatte sein wollen.

„Ich möchte, dass mein Kind Thronfolger wird. Das habe ich verdient, für all das, was ich geopfert habe. Nach meinem Tod soll mein Blut dieses Land regieren. Damit nicht alles umsonst war", sagte Eleisa mit einem harschen, bestimmenden Unterton. Sie umklammerte die Stuhllehne so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie hatte ihre Familie verlassen, ihr Leben aufgegeben. Alles für das hier, das musste er verstehen.

„Du weißt, dass das nicht geht. Ich habe Rosalie geheiratet und sie hat mir einen Sohn geboren. Er ist jetzt der rechtmäßige Thronfolger. Das musst du akzeptieren. Ich werde das nicht mehr ändern, so leid es mir für dich tut." Sie konnte die Schuldgefühle in seinem Gesicht zwar deutlich sehen, aber sie waren dennoch nicht genug. Er bereute, was er ihr angetan hatte. Er bereute, dass er sie verlassen hatte, dass er sie mit ihrem Kind allein gelassen hatte, dass ihr Kind ohne Vater aufwachsen musste. Aber er bereute es nicht genug. Nicht genug, um ihr das zu geben, was sie wollte.

„Es tut dir leid?", wiederholte sie höhnisch. „Das bringt mich kein bisschen weiter. Ich habe meine Familie für dich verlassen. Ich bin für dich an den Hof gegangen, auch wenn ich das niemals wollte. Ich habe Kleider getragen, die ich gehasst habe. Ich habe gelernt, Menschen zu manipulieren. Ich habe gelernt zu lügen. Ich habe sogar gelernt, Menschen zu benutzen. Alles Dinge, die ich mir geschworen habe, niemals zu tun. Und dennoch habe ich es getan, um dich nicht zu verlieren." Sie machte eine kurze Pause, stockte, da sie sich ihren nächsten Satz selbst nicht eingestehen wollte. „Dich und die Krone", gab sie schließlich zu. Er war die Liebe ihres Lebens gewesen, aber er war eben doch mehr. Er war König und so sehr sie sich beide eingeredet hatten, dass diese Tatsache irrelevant war, am Ende waren sie genau daran gescheitert. Er hatte sich in Eleisa das Dorfmädchen verliebt, nicht in Eleisa die Königin.

Prinzessin der DiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt