Es ist 4 Uhr in der Früh. Ich kann nicht schlafen, wobei mir Jen auch keine große Hilfe ist, da sie schon gut eine Stunde singt.Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich Jen kennen lernte. Es war vor gut zwei Jahren an meinem 16. Geburtstag. Auf die Frage, was heute sei, wusste niemand eine Antwort, selbst meine sogenannte Familie nicht. Sie hatten meinen Geburtstag verdrängt, genauso wie sie mich aus ihrem Leben verdrängten. Aber das war normal, da ich ja die die ungewollte Tochter war und noch immer bin. Meine große, in den Augen unserer Eltern, viel bessere Schwester kam zu mir und machte sich mal wieder darüber lustig, dass ich mir immer Hoffnung mache und mich dennoch niemand bei sich haben will. Ich verdrehte die Augen und wollte mich zum Gehen umdrehen. Doch sie hielt mich am Arm fest und flüsterte in mein Ohr,
»Du bist ein Niemand und du wirst auch immer ein Niemand bleiben. Es ist eine Schande, dass du in meiner Familie geboren wurdest.«
Ich konnte nicht fassen, was sie da sagte und im nächsten Moment hörte ich ein dumpfes Klatschen. Ich hatte sie unbewusst geschlagen. Schock stand in ihren Augen und im nächsten Moment lief sie mit Tränen in den Augen davon. Ich wollte ihr hinter her und mich entschuldigen, doch etwas hielt mich davon ab. Es war Jen, die mich abhielt und seit dem bei mir ist, egal wohin ich gehe oder was ich tuhe.
*Das war ein guter Tag* lachte Jen.
»Das war er sicherlich nicht. Schließlich schickte unsere Familie mich an diesem Tag weg. Ich seie alt genug, um auf mich selber aufzupassen. Und seit dem wohnen wir hier in diesem runter gekommenem Zimmer einer Wg.«
Doch Jen hörte mir schon gar nicht mehr zu und sang stattdessen weiter. Allerdings beschäftigt mich eine Frage seit längerer Zeit. Was wäre passiert, wenn ich meine Schwester damals nicht geschlagen hätte?
*Ich hab sie geschlagen. Außerdem hatte sie es verdient. Und wir wissen beide, dass es so oder so irgendwann passiert wäre.* sagt Jen
»Aber ich sah ihren Schmerz.«
*Im Gegensatz zu dir, weiß sie nicht einmal, was Schmerzen bedeuten, geschweige denn, wie man das Wort überhapt schreibt. Außerdem war sie es doch auch, die dich jahrelang wie Dreck in ihrer ach so perfekten Welt, behandelt hat.*
»Schon, aber... «
*Du verteidigst sie. Das kann nicht dein Ernst sein...*
»Jen, beruhig dich, ich versteh ja, was du meinst.«
*Du verstehst also, was ich meine...das ich nicht lache. Du beschützt sie vor meinen Worten, aber hat sie dich jemals vor irgendwas geschützt? Nein, hat sie nicht. Weder vor den Schlägen deiner Erzeuger, noch vor den Beleidigungen und den Gerüchten der anderen in der Schule. Stattdessen hat sie sich noch über dich lustig gemacht und dich, wie der Rest deiner 'Familie', als Sündenbock gesehen, wenn etwas mal wieder nicht nach ihrem Kopf ging.*
Ich muss schlucken. All das hätte ich verdrängt. Doch genau jetztz höre ich wieder ihre Worte in meinem Kopf hallen, spüre den Schmerz jedes einzelnen Schlages, wenn sie mich wieder für irgendetwas verantwortlich machten. Spüre, wie einsam und ungewollt ich mich fühlte, wenn sie mir wieder und wieder sagten, wie sehr sie mich doch hassen.
*Denkst du wirklich, es hätte sich irgendwas geändert, wenn du geblieben wärst?*
Eine Träne lief mir die Wange runter.
*Hätte ich dir nicht geholfen, wärst du noch immer ihr Sündenbock. Es ist besser so, wie es jetzt ist.*
»Du hast wahrscheinlich recht, aber ich wünschte, sie würden mich einfach lieben, wie ich bin.«
Ich fühle mich einsam, ungeliebt und ungewollt. Vorallem aber fühle ich mich erschöpft, erschöpft von all den Leiden und vom Leben allgemein.
*Aber es ist jetzt definitiv besser. Jetzt ist niemand mehr da, der dich so fühlen lässt und niemand wird dich mehr für seine Fehler bestrafen*
»Aber warum fingen sie damit an, es war doch alles gut. Und warum war ich es, die so leben musste. Ich meine, ich würde niemandem jemals so ein Leben wünschen, aber dennoch, warum ich? Was hab ich getan, dass mir so etwas wiederfährt?«
*Ich denke, es wäre egal, wer in diese Familie geboren wäre. Sie hätten denjenigen psychisch fertig gemacht.*
»Aber warum? Worin liegt der Sinn dabei?«
*Es gibt darin keinen Sinn. Menschen sind schlecht. Egal was sie tun oder sagen.*
»Und du bist gut Jen?«
Erst jetzt fällt mir auf, dass sich weitere Tränen aus meinen Augen geschlichen hatten und ich wische sie weg.
*Du verstehst nicht, was ich dir zu sagen versuche. Menschen sind Lebewesen, wie alles andere auch. Doch trotzdem zerstören sie Leben, für Nahrung, Kleidung oder einfach nur, um zu zeigen, wie viel Macht sie über andere Wesen besitzen. Und die 'Macht', deiner 'Familie' hast du ja schon oft genug zu spüren bekommen.*
»Doch versuch mal zu entkommen.«
Erneut laufen mir unkontrolliert Tränen aus den Augen.
*Du hast es geschafft. Man brach dir die Flügel, ließ dich immer tiefer und tiefer fallen, drückte dich auf den Boden, obwohl du schon lagst und zog dich durch den Dreck. Doch du hast gekämpft und dich niemals unterkriegen lassen. Du bist deinem Schicksal entkommen und das schaffen nicht viele.*
»Ja, aber es war verdammt hart und das ist es auch heute noch.«
*Weißt du, warum ich bei dir bin?
Weil ich etwas in dir sah und auch immer noch sehe. Etwas, dass nicht einfach in den Tod fliehen will, um erlöst zu werden. Denn der Tod sollte niemals der letzte Weg nach draußen sein. Natürlich ist leben hart und das geht vielen so. Doch du solltest niemals den Menschen Gehör schenken, die dich versuchen nach unten zu ziehen. Du bist stark und solltest stolz darüber sein, dass du bist, wer du bist.*
»Da hast du definitiv recht. Und ich bin stolz auf mich. Denn ich habe eingesehen, dass ich gut bin, so wie ich bin. Ändern kann ich es ohnehin nicht. Ich schwöre dir Jen, ich werde mich von niemandem klein machen lassen und für niemanden verändern. Wenn dann nur für mich selbst. Denn wer wäre ich schon, wenn ich alles an mir verändern würde«
*Du wärst eine traurige Version von dir selbst. Und mich gäbe es vielleicht gar nicht.*
»Stimmt. Und Jen, es ist gut, so wie wir sind. Auch, wenn du nur in meinem Kopf bist.«
*Eines solltest du dir definitiv merken. Wer auch immer über dich lästert, sich über dich lustig und dich runter macht, zeigt nur, dass du über ihm stehst und derjenige nur versucht, dich nach unten zu ziehen, denn er oder sie kann nicht aktzeptieren, wie verzweifelt, das eigene Leben ist. Doch diese Versuche sind einfach nur noch traurig.*
»Ich werde es mir merken. Aber jetzt lass mich bitte schlafen. Es ist mittlerweile schließlich schon halb 6 und um 8 Uhr, sollten wir aufstehen.«
*Jaja, dann schlaf du mal gut.*
»Du auch Jen.«
Ich ziehe meine Bettdecke wieder über meinen Körper, nachdem ich mich hingelegt hatte. Alles ist jetzt komplett still.
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Gedanken in der Nacht
Kort verhaalJen, Meine innere Stimme. Mit ihr kann ich über alles reden, auch mitten in der Nacht. Kurzgschichte Damit habe ich an einem Wettbewerb teilgenommen. Leider hab ich keine Rückmeldung erhalten. Deswegen wollte ich wissen, wie ihr diese Kurzgeschichte...