Das ist mit Abstand die Geschichte von mit, auf die ich am Stolzesten bin. :)
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Das Telefonat vor drei Wochen hatte uns wieder zusammengebracht. Zusammen in ein Restaurant. Als ich kam, warst du schon da. Das war schon immer so gewesen. Wenn du um 15 Uhr verabredet warst, warst du um 15 Uhr da. Ich war diese Art von Person, die erst um 15 Uhr zehn erschien. Du standest auf, wir begrüßten einander mit einer Umarmung und setzten uns gegenüber an einen kleinen Tisch am Fenster. Es zeigte ein winziges Stückchen des Restaurantparkplatzes und die kleine, leere Einkaufsstraße, die nie wirklich voll mit Menschen war, aber überflutet wurde von den schönsten Geschäften der Stadt. Fand ich. Du hast das auch mal gefunden. Als wir noch jünger waren, ob du es immer noch sagen würdest, wusste ich nicht. Ich hatte ein wenig das Gefühl, dass wir einander fremder waren, als bevor wir uns kennenlernten. Du mögest den Lachs hier, teiltest du mir mit, und weil ich fand dieses Gericht hörte sich gut an, wählte ich es aus. Auch, wenn ich dann kaum noch Geld für die Bahn haben würde. Naja, ich würde einfach ein Stück zu Fuß gehen und nur ein Wasser nehmen. "Was hast du so gemacht?", fragtest du mich. Ich atmete ein, um dir von meinem Umzug in die WG zu erzählen, um dir zu zeigen, dass auch ich nicht mehr bei Mutter wohnte, dich bevor ich sprechen konnte, ertönte eine leise Melodie, die ein wenig klang wie die einzige Symphonie Beethovens, die ich kannte. Und das auch nur, weil Evylin, meine Mitbewohnerin, sie so oft auf ihrer Geige strich. Du zogst deine Handtasche auf deinen Schoß und einen Reißverschluss an ihrer Außenseite auf. Dann nahmst du dein Handy aus der Tasche und den Anruf an.
Während du noch dein Handy am Ohr hattest und leise aber bestimmend auf die Person am anderen Ende der Leitung einredetest, die dir offensichtlich nicht glauben wollte, dass die Besetzung, die ihr für die Rolle des Alfreds gefunden hattet unpassend war, kam eine Kellnerin. Sie fragte, was wir essen wollten und ich bestellte meinen Fisch. Sie schaute dich fragend an und du nicktest nur.
Die Person am Telefon schien überzeugt von deinen Argumenten, verabschiedete sich und du legtest auf. "Immer muss man Even alles mehrmals erzählen...", beschwertest du dich und legtest den Kopf in die Hände. Auch ich vergrub mein Gesicht in den Händen, wenn ich verzweifelt war. Eine Angewohnheit, die wir uns früher gemeinsam angeeignet hatten. "Wie läuft das Musical?", fragte ich dich. Ich wusste, dass du Theaterwissenschaft studiert hattest und jetzt ein Theater leitestest, in dem bald ein berühmtes Musical aufgeführt werden würde. "Es liefe deutlich besser, hätte ich qualifiziertere Mitarbeiter.", antwortetest du und verdrehtest die Augen. Die Kellnerin war wieder an unseren Tisch getreten. Auf dem Arm hatte sie zwei Teller mit Lachs. Den einen hatte sie vor mir abgestellt, den anderen dir gereicht. Schweigend begonnen wir zu essen und ich fragte mich, ob ich dir erzählen sollte, dass ich nur deshalb ausgezogen war, weil Mutter mehr Zeit für Vater brauchte, bei dem die Krankheit wieder ausgebrochen war und ich jeden Tag nach der Uni zu ihr fuhr, um zu helfen. Nein, entschied ich. Ich wollte dich nicht noch mehr belasten. "Wo hast du das Kleid her?", fragtest du. Ich lächelte, denn es war mein Lieblingskleid. "Von Karstadt. Letzte Woche war dort Sommerschlussverkauf. Gefällt es dir?" „Naja,...", sagtest du und strichst über das Revers und die Stickerei deiner Bluse. "Ich hätte es eine Größe größer genommen." Ja. Vielleicht hätte ich das tun sollen.
Wir aßen weiter und redeten ein wenig über unverfängliche Themen, wie das Wetter. Es gefiele dir am besten, wenn es die Sonne schien, aber es windig war, sagtest du. Dann würden die meisten Menschen in ein Musical kommen. Ich hatte es am liebsten, wenn die Sonne schien. Weil man dann draußen zeichnen konnte. Und weil du früher immer gesagt hattest, du wolltest, dass die Sonne nie wieder unterging.
Die Symphonie war erneut erklungen und dein Bewegungsablauf hatte sich wiederholt. Mit einem "Ja?" meldetest du dich und ich hatte hören können, dass die Person am Telefon verzweifelt war. Du verdrehtest die Augen. "Ich komme gleich.", beteuertest du der Person. Dann legtest du auf und schautest mich an. "Es tut mir leid. Ich muss wieder ins Theater. Even meinte, es gäbe einen Notfall." Bei dem Wort 'Notfall' maltest du Anführungszeichen mit deinen Fingern in die Luft. Dann griffst du in deine Tasche, zogst dein Portemonnaie heraus und legtest zwei Scheine auf den Tisch. "Könntest du bezahlen?", fragtest du mich. Ich nickte. Du nahmst einen Blazer vom Harken. Ich hätte nie gedacht, dass es deiner war. Er passte nicht zu der Nadine, die ich kannte. Oder geglaubt hatte zu kennen. Wir umarmten uns. "Auf Wiedersehen, Naddie.", sagte ich. "Tschüss, Schwesterherz." sagtest du und gingst mit schnellen Schritten auf die schwere Tür zu, auf der ein Bibelvers eingeritzt war. Deine Absätze klackerten auf dem sauberen Parkettboden.
Du hattest hastig das Restaurant verlassen und deinen Fisch nicht aufgegessen. Ich hatte mich wieder hingesetzt und meinen Lachs aufgegessen. Durch das kleine Fenster hatte ich gesehen, wie du in ein Taxi einstiegst und es davonfuhrst.
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Kurzgeschichten
Short StoryGeschwister, Begegnungen auf dem Bahnhofsgleis, den Tod, 'Anders sein'... Ich schreibe unfassbar gerne und all' das sind Themen zu denen ich eine Kurzgeschichte verfasst habe. Wenn du Lust hast, schau doch mal rein!