Aufbruch

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Hallo,

hier wieder ein neues Kapitel von Lou und den anderen. Ich hoffe es gefällt euch.

Anni

Kapitel 6

Aiden und ich schliefen den Rest der Nacht in meinem Bett und Melodie hatte es sich auf meiner Couch gemütlich gemacht. Offensichtlich sehr gemütlich, denn sie schnarchte ganz schön laut. Es war schön zu sehen, dass die äußerlich so perfekte Königin der Zickenmodels auch noch ein paar Fehler neben ihrer Hybris hatte. Eigentlich hätte ich es aufnehmen sollen, weil sie es morgen früh garantiert abstreiten würde. So waren die paar Stunden gleich aus mehreren Gründen nicht erholsam und ich bekam keinen Schlaf. Vielleicht döste ich ein bisschen ein, aber das machte mich irgendwie nur noch müder. Die ganze Zeit dachte ich über die Krankheit nach, über den weiten Weg nach Atlantis und natürlich über alle Meermenschen, die ich in Antigua kannte. Da waren meine Mutter, ihre Schwester Elaine und Serena, aber auch die kleine Familie, die ich kennengelernt hatte, als ich das erste Mal in Antigua war. Nalina, Etienne und ihre kleine Tochter Catalie waren mir sehr ans Herz gewachsen. Ich hatte schreckliche Angst, dass einer von ihnen infiziert sein könnte. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen was passierte, wenn wir es nicht schafften rechtzeitig ein Heilmittel nach Antigua zu bringen. Über mors maris wusste ich nur so viel, wie Aiden und Melodie mir erzählt hatten und auch sie hatten nur wenig darüber im Geschichtsunterricht gehört. Deshalb lag ich jetzt wach da und starrte an die Decke. Dort hingen die kleinen Plastikleuchtsterne aus meiner Kindheit, die in der Dunkelheit leicht glommen, wie um mich zu verabschieden. Ich konnte nicht zur Ruhe finden und wälzte tausend Fragen, auf die ich keine Antwort finden konnte. Aiden lag neben mir und schlief unruhig. Immer wieder musste ich meine Decke wieder ein Stück zu mir zurückziehen, weil er sie zu sich zog und sich daran festklammerte, wie an einem Rettungsring.

Ich war erleichtert, als mein Wecker endlich klingelte und die anderen weckte. Es war halb sechs. Ich hatte keinen von ihnen vorher aufwecken wollen. Es lag ein langer Weg vor uns und wir würden all unsere Kräfte brauchen. Müder, als bevor ich mich zu Bett gelegt hatte, stand ich auf. Etwas verloren stand ich kurze Zeit später vor meinem Kleiderschrank. Ich hatte für die allermeisten Anlässe etwas Passendes. Von Piratenkostümparty über Skifahren (ja, ich weiß das Australien nicht gerade der geeignetste Ort für Abfahrtski war) bis hin zu Vorstellungsgespräch war alles mit dabei. Ein „Wir schwimmen quer durch den Ozean, um die Welt zu retten"-Outfit hatte ich allerdings nicht. Deshalb entschied ich mich für ein langärmeliges Neopren-Shirt. Es war warm und würde mich trotzdem beim Schwimmen nicht behindern. Das hier würde kein kurzer Trip nach Antigua oder zu einem größeren Korallenriff werden. Das hier war kein Spiel. Es ging um Leben und Tod und so bescheuert das auch klang, es war doch die erschreckende Wahrheit. Ich hatte das Gefühl, dass mir immer noch nicht wirklich bewusst war worauf ich mich hier einließ und was mich erwarten würde.

Melodie lieh ich mein zweites Tauchoberteil und Aiden bekam eines von meinem Vater. Es war ein bisschen eng, weil mein Freund größer war als mein Vater, spannte aber gerade an den richtigen Stellen, sodass sich sein muskulöser Oberkörper durch den Stoff abzeichnete.

Um viertel vor sechs saßen wir drei unten in der Küche und aßen Pfannkuchen mit Preiselbeermarmelade. So ein Frühstück gab es bei uns normalerweise nicht, besonders nicht von meinem Dad, dessen Frühstück sich eigentlich auf zwei große, schwarze Kaffees belief. Doch heute war kein „normaler" Tag. Geena saß mit angezogenen Beinen auf einem Küchenstuhl. Sie trug immer noch ihr rosa Nachthemd, genau wie letzte Nacht, als alles anfing. Meine kleine Schwester sah aus, als würde sie gleich im Sitzen einschlafen, aber sie hielt wacker die Augen offen, obwohl sie immer wieder blinzeln musste. Anscheinend wollte sie auf keinen Fall einen Moment verpassen. Ich freute mich natürlich sie zu sehen und mich richtig von ihr verabschieden zu können. Schließlich wusste ich nicht, wie lange wir weg sein würden. Mich beschlich jedoch der Gedanke, dass es vielleicht für uns beide einfacher gewesen wäre, wenn sie jetzt ruhig in ihrem Bett schlafen würde, denn so wurde es noch realer. Ich ging weg um...selbst in Gedanken stolperte ich über die alberne Wahrheit...die Welt zu retten. Oder zumindest einen Teil der Meermenschenwelt.

AQUA-Zeit des MeeresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt