Ein langer Weg

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Kapitel 7

Aiden und ich mussten uns beeilen um Melodie nicht aus den Augen zu verlieren. Sie raste durchs Wasser wie ein Torpedo und ich fragte mich, wieso sie es plötzlich so eilig hatte. Klar, wir hatten nicht unbedingt viel Zeit, wenn wir das Heilmittel für mors maris beschaffen wollten, aber ich hatte das Gefühl, dass noch mehr dahinter steckte. Was hatten die Bewohner von Antigua erzählt, dass sie so in Angst und Schrecken versetzt hatte? Ihre Schwanzflosse bewegte sich so kraftvoll durch das Wasser, dass sich kleine Strudel hinter ihr bildeten. Sie war irrsinnig schnell und ich brauchte kein Messgerät um zu sagen, dass sie deutlich über hundert Meilen pro Stunde schnell war. Aiden und ich gaben uns Mühe zu ihr aufzuschließen, aber sie vergrößerte den Abstand zwischen uns immer mehr. Mein Freund hätte Melodie wahrscheinlich spielend leicht einholen können, aber mir fiel es schwer. Als Halbmeerjungfrau war ich weder so erfahren, noch so stark wie die anderen und fühlte schon jetzt wie mein Fischschwanz langsam erlahmte. Ich war noch nie so schnell geschwommen und fühlte mich völlig untrainiert.

Meermenschen schwammen oft weite Strecken. Sie hatten keine U-Boote oder andere Erfindungen. Ich hatte Aiden einmal gefragt, wieso es bei ihnen keine Autos gab. Er meinte, dass die Natur sie zu unglaublich schnellen Wesen gemacht hätte, sodass sie keine Hilfsmittel bräuchten. Natürlich wäre es einfacher gewesen ein Gefährt zu benutzen, aber mein Freund hatte gesagt, dass es sich einfach falsch anfühle sich von etwas schwimmen zu lassen. Meermenschen fühlten sich mit ihrer Umgebung, der Tier- und Pflanzenwelt tief verbunden und lebten in Symbiose mit ihr. Ganz im Gegensatz zu den Menschen waren sie ein insgesamt friedliches Volk, das seine Umwelt nicht zerstörte, sondern alle technologischen Erfindungen auf sie abstimmte. Deshalb wurden auch keine Strahlentechniken verwendet, wie die Menschen sie nutzten. Ich war in Physik nie besonders gut gewesen, aber ich wusste, dass Handys, Satelliten, Mikrowellen und viele weitere technische Dinge mit Strahlen und Wellen arbeiteten. Auch andere Dinge, wie Autos und Flugzeuge verpesteten die Erde, was unter anderem zum Klimawandel führte. Meermenschen kommunizierten nicht über weite Strecken, weshalb sie nicht einfach einen Notruf nach Atlantis hatten absetzen können. Mir kam es auch immer etwas seltsam vor, aber es schien einfach nicht in ihrer Natur zu liegen die Welt auszubeuten.

Melodie, rief ich nach ein paar Minuten und meine Gedankenstimme klang so erschöpft wie nach einem Sprint. Am liebsten hätte ich mein Tempo verlangsamt, aber wir konnten es uns nicht leisten Zeit zu verlieren.

Mel, rief nun auch Aiden, etwas langsamer. Louisa kommt nicht mit.

Wie bitte? Sie nannte er bei diesem albernen Spitznamen, aber ich war Louisa? Und wieso musste er mich als die bedauernswerte lahme Ente darstellen? Nein, ich war nicht eifersüchtig, oder so. Eher „oder so".

Melodie wurde tatsächlich ein bisschen langsamer und wir konnten zu ihr aufschließen. Ihr Gesicht war weiß wie eine Wand, sodass ihr langes rosa Haar dunkler wirkte. In der Hand hielt sie eine schwarze Schachtel, an der ein Band befestigt war. Sie war etwa so groß wie ein Handy.

Darin muss sich die Probe befinden, schoss es mir durch den Kopf und mir wurde flau im Magen. Wie sie das Kästchen wohl durch die Kuppel bekommen hatte? Vielleicht gab es ja irgendwo doch eine Art Tür.

Was haben sie gesagt, fragte Aiden, wie ist die Lage in Antigua?

Nicht gut, sagte die Meerjungfrau rundheraus und starrte beim Schwimmen gerade aus. Wir bewegten uns immer noch sehr schnell vorwärts und ich wäre beinah gegen Aiden geschwommen, weil so abgelenkt davon war Melodie anzuschauen, dass ich nicht mehr richtig geradeaus schwamm.

Was haben sie gesagt, bohrte mein Freund weiter, weil Melodie nicht weiter sprach. Sie ließ sich einen Moment Zeit, bis sie langsam zu erzählen begann.

AQUA-Zeit des MeeresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt