-Unbekannt-
Traurig sah ich zum Himmel herauf. Leise rieselte der Schnee nach unten und ich musste ein paar Mal zwinkern, als eine Schneeflocke in meinem Gesicht landete. Vermutlich der letzte Schnee in diesem Jahr.
Ich seufzte bei dem Gedanken daran, dass dies auch der letzte Schnee in diesem Sektor sein würde. Egal wie schäbig er auch war, es war dennoch ein Stückchen Heimat und es würde mir fehlen.
Mein Kopf fuhr herum als ich schwere Schritte im Schnee hörte. Ein fahler Schatten fiel in die Gasse, als jemand in das spärliche Licht einer Laterne trat.
Ein Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab, als ich die Person oder besser gesagt die Personen erkannte.
„Ihr habt mich ganz schön lange warten!", sagte ich, als die beiden auf mich zu kamen. Mit etwas Schwung stieß ich mich von der Wand ab, an die ich mich bis eben gelehnt hatte.
„Tut mir leid, es war doch etwas schwerer als erwartet unbemerkt aus den Augen meines Vaters und Bruders zu verschwinden."
Ein Schatten fiel in mein Gesicht. Ich konnte es verstehen. Mir fiel es schon schwer aus ihren Augen zu verschwinden, immerhin suchten sie mich.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich plötzlich in eine Umarmung gezogen wurde.
„Es tut mir so leid! Ich wünschte ich könnte gut machen, was Samuel dir angetan hat!", weinte die Begleitung von Thomas in meine Brust.
Behutsam legte ich meinen Arm um sie und fuhr ihr mit der anderen Hand durchs Haar. Es war nicht ihre Schuld. Ich griff nach ihren Schultern und drückte sie etwas von mir weg, sodass ich ihr in die Augen, welche bereits rot unterlaufen waren, gucken konnte.
„Samira, es ist nicht deine Schuld!" , sagte ich mit fester Stimme. Ich legte meine Hand auf ihren Bauch. Unter ihrer Jacke konnte ich den immer größer werdenen Bauch, in dem langsam ein Leben heran wuchs deutlich spüren.
„Reg dich nicht so auf. Das ist nicht gut für das Baby.", sagte ich grinsend zu ihr.
Sie nickte lächelnd bei meinem Worten, fügte aber etwas wehmütig hinzu: „Ich weiß nicht mal, ob ich mein Kind noch haben will."
Mit der Hand strich sie über den Bauch. „Nicht bei so einem Vater."
Ich nahm ihre Hand, als sie sie vom Bauch nehmen wollte, und drückte sie gegen ihren Bauch. „Es ist aber auch dein Kind. Nicht nur das von Samuel. Er muss nicht wie sein Vater werden." Während ich sprach deutete ich auf Thomas. „Er ist ja auch nicht wie sein Bruder oder Vater geworden." Lächelnd fügte ich hinzu: „Dein Sohn braucht einfach eine liebevolle Mutter, die ihn gut erzieht und die wird er haben."
Meine eigenen Worte lagen mir schwer im Magen. Wie konnte ich Samira mit diesen Worten aufmuntern, wenn ich selbst nicht daran glaubte. Dieses Kind war das Kind von Samuel. Unterdessen Einfluss konnte es nur wie sein Vater werden. Genauso böse, hinterlistig und kalt wie sein Vater, welcher mich verraten hatte.
Meine Worte erzielten allerdings die richtige Wirkung. Samiras Lächeln kehrte zurück und auch die Wärme in ihren Augen fand wieder den Weg nach draußen.
Sie wischte sich die letzten Tränen weg und lächelte mich an. „Danke Ryan.", sagte sie während sie ihren Bauch liebevoll ansah. „Ich werde Dean auf den richtigen Weg bringen."
Ihre Worte stachen mir wie Messer in meinen Bauch. Sie wusste nicht, dass das Schicksal ihres Babys eigentlich schon besiegelt war. Sie konnte nicht wissen, was Samuel getan hatte. Sie konnte nicht wissen. Was ich getan hatte.
Ein Gefühl breitete sich in mir aus. Hass. Angst. Wut. Dieses Kind könnte unser Verderben bedeuten und ich war schuld. Ich hatte zwar noch versucht es irgendwie zu retten, doch ich wusste, dass Bemühungen vermutlich nicht viel ändern würden. Ich musste hoffen, dass die Zukunft sich positiv entwickelt, aber solange die anderen noch lebten, war das nicht möglich.
Ich schluckte meine Zweifel herunter, um mir nichts anmerken zu lassen. Ich konnte Thomas und Samira nicht sagen, was ich alles wusste. Das würden sie nicht verkraften.
Thomas kam auf mich zu. „Wie soll es jetzt weiter gehen Ryan?"
Ich sah ihn wehmütig an. „Ich werde wohl oder übel untertauchen müssen.", war meine Antwort.
Samira sah mich mit großen traurigen Augen an. „Gibt es keine andere Möglichkeit?", fragte sie mit bebender Stimme.
Ich schüttelte Kopf. Ich wünschte es gebe eine. „Ich habe Informationen, an die sie nie kommen dürfen. Das Codesystem muss in diesem Zustand bleiben, solange sie an der Macht sind."
Thomas verschränkte die Arme. Ich wusste, dass er wie viele andere gegen das Codesystem war. Es schränkte Menschen ein und verletzte ihre Privatsphäre. Er hatte recht, dass mein Werk eigentlich ein schreckliches Instrument war. Trotz dieser Tatsache war das Codesystem in meinen Augen das beste was der Stadt je passiert war. Das was mein Vater angefangen hatte, hatte ich beendet und perfektioniert. Ein komplettes System der Kontrolle, das keiner zum Fall bringen konnte. Ein System, was für Ordnung und Ruhe sorgt. Ich war stolz auf meine Leistung und das kleine Gefühl von Macht sorgte quasi für einen Rausch. Es war allen gar nicht bewusst, welche Macht man mit dem Codesystem hatte.
Ich lächelte Thomas an. „Nur solange sie an der Macht sind. Danach kann man es weiter perfektionieren. Es ist noch lange nicht fertig. Aber in der Bearbeitungsphase stellt es einfach ein zu großes Risiko dar. Wir haben ja gesehen, was die anderen wollen."
Er nickte langsam. „Ich hoffe dein Wort ist etwas wert."
Ich nickte. „Natürlich ist es das."
Samira sah mich mit großen Augen an. „Wo willst du hin? Hier bleiben kannst du ja nicht. Man wird dich in jedem Sektor finden!"
Ich legte ihr behutsam meine Hand auf die Schulter. „Keine Sorge. Ich habe für alles gesorgt. Ich werde im Sektor 6 untertauchen. Dort sind Leute, welche bereit sind mir zu helfen. Und selbst wenn das nicht klappt, gibt es immer noch Plan B."
Thomas sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und ich antworte darauf mit einer abwertenden Handgeste. „Das würde den Rahmen jetzt nur sprengen."
Ich sah beide an. „Ich muss mich langsam auf den Weg machen."
Thomas seufzte, während er auf mich zu ging und in eine Umarmung zog. „Tut mir leid, dass es so gekommen ist. Ich wünsche dir nur das Beste. Melde dich, wenn es etwas Neues gibt."
Ich nickte ihm zu. Keine Sorge. Ich werde mich melden. Ich weiß nur noch nicht wann ich die Chance dazu habe. „Das werde ich."
Samira sah mich wieder mit Tränen in den Augen an. „Lebe wohl Ryan."
Ich umarmte sie zum Abschied. „Pass gut auf deinen Sohn auf." Das wird auch nötig sein.
Sie nickte stumm, während sie sich zu Thomas stellte. Ich sah beide noch ein letztes Mal an. Die Trauer war deutlich in ihren Gesichtern zu sehen.
„Lebt wohl", sagte ich ein letztes Mal.
„Lebe wohl, Codemaster.", erwiderte Thomas mit einem traurigen Lächeln.
Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, während ich mich umdrehte und davon stapfte. Codemaster. Der Name würde allen noch lange im Gedächtnis bleiben. Den ohne mich, sind sie dem Codesystem schutzlos ausgeliefert.
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Unbedeutend - Die Zukunft bedeutet nichts
Science FictionEin Leben, das allein durch einen kleine Code am Handgelenk bestimmt wird, stellt für die einen ein sicheres System und für andere ein Grund zum Kämpfen dar. "Wenn die Wahrheit hinter all diesen Mauern, Sektoren und Codes ans Licht kommt, dann herrs...