3. Brief

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Es wird alles gut, kleiner Bruder. Ich hoffe du musst nicht mehr so stark weinen, wie bei deinem letzten Besuch. Ich habe mir meine Haare geschnitten. Sie gehen jetzt nur noch bis zu meinem Kinn und ich muss zugeben, obwohl ich meinen Haaren nach trauere, das ist toll aussieht. Schade, dass ich sie irgendwann ganz verlieren werde. Aber ich bekomme dann eine Perücke. Wenn ich nicht vorher in den Himmel komme.
Hast du neue Bilder für mich? Meine ganze Zimmerwand ist zugeklebt mit den Fotos. Jetzt kommt die nächste dran. Die Bilder, die du mit deiner Kamera machst, verleihen den weißen Wänden einen viel tröstlich ihren Anblick.
Manchmal wenn ich auf eine neue Behandlung warte oder eine neue OP, dann sehe ich mir eines der Bilder genau an, damit ich davon träumen kann. Damit ich meine Aufregung und Nervosität vergesse. Damit ich einen schönen Ort habe, an den ich komme, wenn ich bei der OP oder der Chemotherapie sterben sollte. Deine Bilder verleihen mir ein Gefühl von Freiheit, die ich nicht habe. Ich bin dir dankbar für diese Freiheit kleiner Bruder. Wenn ich immer diese weißen Wände ansehen müsste, würde ich verrückt werden. Ich weiss, meine Briefe sind sehr kurz, aber möchtest du wirklich hören, was hier im Krankenhaus alles passiert? Ich will dir nichts zumuten oder dir von etwas erzählen, dass du eigentlich gar nicht hören willst.

Ich habe dich lieb kleiner Bruder. Grüß Mama und Papa von mir.
Yannika

Weine nicht, kleiner Bruder.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt