3. Kapitel: Gestern Abend

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Gestern war noch alles anders. Um fünfzehn Uhr begann unser Abend, senkte sich im Grunde die Sonne den Himmel hinab und sehnte sich nach ihrem Geliebten in der Ferne. Sie war die Sonne und er war der Mond. Sie liebten sich, ohne einander je zu sehen.
Das erzähltest du mir, als wir wieder in deinem Bett lagen. Du liebtest Romanzen und tragische Liebesgeschichten. Du liebtest die Liebe. Das vergesse ich nie.
Ich erinnere mich noch an die Jalousien, die dein Schlafzimmer abdunkelten, an die zerknüllte Bettdecke, an den lauwarmen Tee, an die vertrockneten Rosen in der Vase, an die Sonne und an den Mond. Und an dich.
Ich hätte dir gestern sagen sollen, wie gerne ich dir zuhörte. Wie sehr ich deine Geschichten, deine Sprache, jedes einzelne deiner Worte bewunderte. Wie lange ich deiner engelsgleichen Stimme hätte lauschen können. Wie deine Leidenschaft mich einnahm. Wie sehr ich es liebte, was du in der Liebe sahst.
Ich hätte es dir sagen sollen. Ich tat es nicht. Und es tut mir Leid.
Die Jalousien, die zerknüllte Bettdecke, der lauwarme Tee, die vertrockneten Rosen in der Vase, die Sonne und der Mond. Du.
Ich tat es nicht und ich möchte dafür sterben.
Gestern Abend.

Gestern war noch alles anders.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt