A Kite Above a Graveyard Grey

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A Kite Above a Graveyard Grey

Es schneite als der Sarg in die Erde gelassen wurde. Rolf stand da, in seinen Mantel gewickelt, und beobachtete, wie die Holzkiste mit dem Körper seines Vaters langsam verschwand. Er hatte Schnee gemocht, erinnerte sich Rolf. Er hätte wohl den ganzen Ort hier gemocht.

Gedankenverloren ließ er den Blick über den Friedhof gleiten. Es handelte sich um eine große Wiese ohne deutliche Abgrenzung und durch den Schnee, der mittlerweile schon relativ hoch lag, erkannte man die vielen verschiedenen Gräber nur noch an den Grabsteinen, die als Kreuze oder Blöcke grau vor dem weißen Hintergrund aufragten. Die immer dichter fallenden Flocken ließen die ganze Welt, die Bäume, die Grabsteine, sogar die Menschen, in einer Einheit von Grautönen verschwimmen. Ein kleiner Bach gluckerte in der Nähe. Es war eine friedliche Gegend. Rolf unterdrückte einen Seufzer und wandte sich wieder dem offenen Grab vor ihm zu.

Der Sarg in nun in der Erde und sie warfen bereits die schneeige Erde darauf. Rolf blieb still stehen und beobachtete, wie der Erdhaufen immer kleiner wurde und die Sicht auf den Sarg immer mehr verdeckte. Als es schließlich kaum mehr Erde gab, fingen die Leute um ihn herum an zu gehen. Nur noch wenige blieben um etwas auf das Grab zu legen oder ihm und seinem Bruder ihr Mitgefühl zuzusprechen. Rolf bekam von alledem kaum etwas mit. Langsam begann er, sich von der Gruppe zu entfernen.

„Wohin willst du?", hörte er seine Freundin Helen rufen, als er schon einige Meter entfernt war.

„Ich gehe nur ein wenig herum. Die Beine vertreten."

„Sicher? Es ist kalt." Sie klang ungläubig. Schnee war nichts für sie, das wusste Rolf. Doch war es so schwer zu glauben, dass er jetzt etwas Abstand brauchte? Also schwieg er einfach und setzte seinen Weg fort.

„Gut, dann gehe halt", sagte Helen verärgert. „Aber nicht zu weit! Du musst rechtzeitig wieder zurück sein, um ..."

„Ich werde da sein", antwortete er ohne zu wissen, wovon sie überhaupt sprach.

Sie schien die Diskussion aufzugeben und wandte sich wieder den Gästen zu, die nun ihr und seinem Bruder gegenüber ihr Mitgefühl ausdrückten.

Rolf entfernte sich immer weiter von der Menschenansammlung, bis alles, jede Bewegung, jedes Geräusch, verschwunden war und er nur noch von dem Pfeifen des Windes und den wild herumwirbelnden Schneeflocken umgeben war. Er befand sich in einer Welt, ganz aus Grau und Kälte. Rolf kümmerte es nicht. Er stampfte vorwärts, ohne Ziel vor Augen.

Den Abstand zu den anderen brauchte Rolf dringend. Er hatte in letzter Zeit kaum Zeit für sich gefunden. Als sein Vater gestorben war, war er erst einmal entsetzt gewesen. Helen hatte nicht viel geholfen. Klar, sie hatte beinahe die ganze Organisation für das Begräbnis übernommen, doch auch hatte sie ihn immerzu beschäftigt. Es war sicherlich gut gemeint gewesen, doch dadurch hatte er keine Zeit mehr gefunden, nachzudenken. Das würde Helen allerdings nicht verstehen. Sie war so quirlig, während er ... Er mochte Helen. Wirklich. Sie war ein nettes Mädchen und sah auch sehr gut aus. Doch in letzter Zeit schien etwas zwischen ihnen zu fehlen. Sie verstanden sich nicht, stellte Rolf fest. Er wusste nicht einmal mehr, warum er sich damals in sie verliebt hatte. Er wusste in letzter Zeit gar nichts mehr ...

Rolf schüttelte den Kopf um sich von den trüben Gedanken zu befreien. Sie brachten ihn zu nichts ... doch was tat das schon? Sein Blick wanderte in den Himmel und er stutzte. Dort oben, unter den Wolken, in all dem Grau, war ein roter Fleck. Verwirrt blinzelte er, doch der Fleck verschwand nicht. Neugierig geworden begann Rolf, in Richtung der Farbe zu wandern.

Der Schnee wehte ihm mit eiskalter Wucht ins Gesicht und der Fleck schien nicht und nicht näher zu kommen, doch Rolf stapfte weiter und ignorierte die Kälte. Irgendwann erreichte er eine Gräberreihe, hinter der der Wind plötzlich verstummt zu sein schien. Und am Ende ebendieser Grabreihe stand ein Engel. Er schwebte auf einer Wolke, den Rücken zu ihm, und schien etwas in der Hand zu halten. Das weiße Kleid bauschte sich im Wind.

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