Der zweite Magen
Oxana tut so, als findet sie das, was da Zacharias über sein neues Haustier sagt, ganz vernünftig: Du meinst, wenn man ein schwarzes Loch hat, muss man nicht mehr aufräumen?
Zacharias wundert sich, woher er plötzlich den Mut nimmt so aufzudrehen, aber er wendet sich ihr zu, die immer noch in der Tür seines Zimmers stehen geblieben ist, kommt ihr ganz nah und sagt betont leise: Ganz gleich was Du in das schwarze Loch hineinwirfst, es kommt nicht wieder zurück, nie wieder.
Und wenn sich sein Vater nicht so durch die Prügelanfälle diskreditiert hätte, dann würde sich Zacharias noch an seine Warnung erinnern: Erzähl es niemanden.
Oxana jedenfalls ist schwer beeindruckt: Ach ja.
Zacharias: Das macht natürlich einen gewissen minimalistischen Stil aus. Du hast nur das Nötigste, eine Matratze, eine Lampe, das reicht.
Oxana staunt nicht schlecht, denn Zacharias Zimmer ist total zugerümpelt.
Zacharias folgt ihrem Blick und sagt grossspurig: Verstehst Du nicht?
Oxana nickt: Doch, doch.
Zacharias: Du musst es nicht wirklich tun, Du kannst so weiterleben wie bisher, als ob nichts geschehen wäre, als ob nicht ein Schwarzes Loch dein bester Freund geworden wäre, es passiert hier oben (Zacharias tippt sich an die Stirn). Nur hier oben. Und Du weisst, Du kannst es jederzeit tun.
Oxana ist wirklich beeindruckt und nickt wie ein Wackeldackel.
Zacharias legt so richtig los: Es gibt die Legende über einen Sänger, der einen weissen Kreis auf dem Boden seines Zimmers hatte und alle haben sich gefragt, was dieser verdammte Kreis wohl zu bedeuten hatte, weil bei ihm alles etwas zu bedeuten hatte. Du kennst doch die Geschichte, oder? (Oxana nickt erst begeistert, dann schüttelt sie frustriert, sich eines besseren erinnernd, den Kopf. Zacharis nickt ihr aufmunternd zu, was soviel heissen soll wie: Ist nicht so wichtig.) Und als er 30 Jahre alt geworden ist, da haben sie ihn gefunden, von der Decke hängend, genau in diesem beschissenen Kreis.
Oxana haucht: Krass.
Zacharias: Und jetzt stell dir mal vor, Du hast ein schwarzes Loch, das kann so klein sein (er zeigt einen Spalt zwischen Daumen und Zeigefinger, den man gar nicht mehr sehen kann) und das ist ein bisschen verspielt, noch ganz jung, und will sich überall verstecken und stell dir nun mal vor, Du trittst da rein.
In diesem Moment schmiegt sich Oxana hilfesuchend an Zacharias an, der nun das erste mal etwas dummes sagt: Das habe ich nicht gewollt.
Oxana: Aber ich, ich habe das gewollt.
Zacharias weiss gar nicht, was er sagen soll, so viel Gutes ist auf einmal geschehen, sein Vater bei den Anonymen Alkoholikern, ein Kraftfeld als Freund, was ihn beschützt, ein verrückter Ausserirdischer, der ihm Spielzeug mitbringt, um das ihn die Supermacht des Planeten beneiden würde, und jetzt noch Oxana in seinen Armen. Das ist einfach zu viel. In diesem Moment fliegt die andere Tür zu dem Durchgangszimmer auf, und sein Vater steht vor ihm. Es ist alles so irreal, dass er sich für einen winzigen Moment nach einer sogenannten Jachtreise von seinem Vater richtig sehnt, aber was ist das, was hat sein Vater da in der Hand: Ist das ein Tablett mit Limonade und, was ist das...?
Vater: Kinder wollt ihr Pizza und Limo?
Der Vater sieht sich um, und als er keine Antwort bekommt, bis auf Oxana, die ihm scheu zu Begrüssung die Hand reicht, die er kurz ergreift und schüchtern "Hallo" sagt, ist er schon wieder verschwunden.
Auch Zacharias ist nun aufgestanden, macht sich auf zur Tür und murmelt etwas im Herausgehen wie: Bin gleich wieder da.
Dabei wirft er ein Limo Glas um, was ausläuft, worauf er aber nicht achtet, er will nur raus.
Oxana aber sieht erstaunt zu, wie die Limo in einer kleinen Akkredationsscheibe zu einem Wirbel gerührt wird und im Nichts verschwindet. Sie ruft dem flüchtenden Zacharias noch zu: Ich hab dein schwarzes Loch gefunden!
Aber Zacki ist erst mal weg, auf das Klo, nachdenken.
Zacharias braucht eine ganze Weile, bis er sich zusammennimmt, um die Idylle auszuhalten, die da in seinem Zimmer auf ihn lauert. Er hätte jetzt einiges für eine Naturkatastrophe gegeben, wenn es nur alle beide vor der Peinlichkeit gerettet hätte, die ganz bestimmt (da ist sich Zacki sicher) gleich kommen wird.
Aber es ist noch schlimmer. Als er wieder zurück kommt, steckt die Hand von seiner Freundin Oxana im Boden und statt laut zu schreien, kichert sie. Zacki kann nicht anders als sie mit einem Hechtsprung anzuspringen und ihre Hand aus dem Schwarzen Loch zu reissen.
Oxana sagt: Hui.
Zacki kommt auf ihr zu liegen und als er versucht aufzustehen hält sie ihn am Arm fest: Es hat zwei Mägen, einen kleinen äusseren, da kann man wieder heraus, und einen inneren, nur aus dem gibt es keine Widerkehr. Hast Du das gewusst?
Zacki schüttelt den Kopf.
Oxana lässt ihn los: Dein Schwarzes Loch kennt sich wirklich voll krass mit Astrophysik aus.
Zacki nickt.
Oxana: Freunde?
Zacki nickt und krächst plötzlich ein bisschen heiser geworden: Freunde!
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Mein Freund das schwarze Loch
General FictionEin Kraftfeld um die Prügel nicht zu spüren.