Kapitel 1

7 3 0
                                    


Es war Freitag Nachmittag.
Ca. 16.00 Uhr.
Die Sonnenstrahlen kitzelten mich an der Nase. Es war unangenehm.
Ich schaute kurz auf, was sich als Fehler herausstellte, da ich sofort einen Sonnenstrahl ins Auge bekam.
Daraufhin zog ich das Rollo noch ein paar Zentimeter weiter runter.
Es wurde langsam dunkler in meinem Zimmer. Ich zog es noch so weit runter, bis die Sonne endgültig verdeckt war.

Das war doch viel besser.

Ich machte noch schnell meine Stehlampe an und suchte mir eine bequeme Position aus.

Und ja, sowas war normal für mich.

Wenn ich nun aus meinem Fenster schaute, sah ich nichts mehr von dem wolkenfreien, blauen Himmel und dem schönen Wetter, das mich erwartet hätte, wenn ich rausgegangen wäre.

Zu schade.*Hust*

Ich konnte Menschen einfach nicht verstehen, die sich an einem heißen Sommertag, wie es heute einer war, in den Garten auf einen gemütlichen Stuhl mitten in die Sonne setzten, geschweige denn diese, die sich filmreif ins Gras legten, um in den Himmel zu schauen.

Meine Eltern pflegten immer zu sagen: „Du musst doch mal raus, um Sonne zu tanken.“ Ich weiß nicht, wie es euch dabei geht, aber ich konnte nie meine Schlüsse aus diesem Spruch ziehen.

Warum ging man raus, wenn man eh nur schwitzte, nichts sah, weil man von der Sonne geblendet wurde und ganz wahrscheinlich einen Sonnenbrand bekam, weil man in der Sonne einschlief und mal wieder vergessen hatte, sich mit der Sonnencreme einzucremen.

Das war meiner Mutter schon 3 mal passiert.

Ich kapierte einfach nicht, warum sie daraus nicht lernte und dann nicht immer wieder den selben Fehler machte. Es war mir ein Rätsel.
Aber wer verstand schon seine Eltern? Also ich zumindest nicht.
Genau genommen verstand ich aber auch allgemein keine menschlichen Lebensformen.

Das konnte ich wohl kaum von meinen Eltern geerbt haben, die waren nämlich das perfekte Vorzeigepaar. Manchmal fragte ich mich sogar, ob ich überhaupt ihre Tochter war und, ob ich nicht adoptiert worden war.

Naja, auch egal.

Ich saß auf meinem kleinen Lieblingssessel, der in einer Ecke meines Zimmers stand, und laß ein nicht wirklich spannendes Buch.

Dieses Buch hatte mir eine Freundin mal zum Geburtstag geschenkt und ich musste ehrlich zugeben, ich fand es grauenhaft. Obwohl es relativ beliebt war, wunderte es mich nicht, dass es mir nicht gefiel.

Mir passierte sowas öfter. Ich hatte nunmal einen sehr speziellen Geschmack. Und das nicht nur, was Bücher anging. Es betraf einfach alles,von Essen bis Hobbys. Ich machte es meinen Eltern wirklich nicht leicht, wenn ich es mir so überlegte.

Ich wusste schon garnicht mehr was ich gerade las, sowenig interessierte es mich.
Ich überflog es geraderecht.

Warum ich mir das antat?

Nein, nicht meiner Freundin zuliebe. Was sie dachte, war mir egal.

Vielleicht klang ich jetzt gemein, aber sie kannte mich gut genug, um zu wissen, wie ich tickte. Und dabei kannte sie mich nicht mal gut. Entweder man mochte mich, oder eben nicht.

Zur Verteidigung der Welt, ich gab mir auch nicht wirklich viel Mühe, Freunde zu finden. Das gehörte ja auch nicht zu meinen Stärken.

Tatsächlich hatte ich auch keine echten Freunde. Die Mädchen, die ich als "Freundinnen" bezeichnete, hätten andere Menschen wohl eher als Bekanntschaften klassifiziert. Und es machte mir auch nicht viel aus. Ich war eben eine Einzelgängerin, das war ich schon immer und das würde ich höchstwahrscheinlich auch immer sein.

Ich gehörte nicht zu den Normalos, nicht zu den traurigen, verlorenen Seelen, die niemanden an sich ran ließen, nicht zu den "coolen" Badgirls, die dachten, sie wären die größten und auch nicht zu den Streberinnen, mit denen niemand befreundet sein wollte.

Ich war einfach ich. Lena Osster, 16, Einzelkind.
Mehr war da auch nicht.

Es gab kein Familiendrama, kein Schuldrama oder sonstige Dramen. Mein Leben war einfach nichts Besonderes. Und auch das störte mich nicht.

Ich hatte nie ein Problem damit, keine Geschwister zu besitzen. Warum auch? Ich verspürte nie das Bedürfnis, mich nicht alleine zu fühlen.

Manche würden mich wohl als seltsam betiteln. Ich gehörte natürlich nicht zu diesen Leuten.

Wie auch immer.

In zwei Tagen würde die Schule wieder beginnen. Ich hatte nicht direkt was gegen sie, aber ich musste sagen, dass ich wegen ihr auch nicht gerade in Jubelschreie ausgebrochen wäre.

Ich sah es weder positiv noch negativ. Die Schule war keine Tatsache, mit der ich mich sonderlich lang beschäftigt hatte. Wer hatte das schon.

Meine Lehrer waren keine unfähigen Arschlöcher und dafür war ich dankbar. Ich wurde ja schließlich auch nicht gezwungen, meine Freizeit mit ihnen zu verbringen.

Ich hatte auch nie sowas wie ein Lieblingsfach. Es gab nur die Fächer, in denen ich gut war, und solche, in denen ich das nicht war.
Tatsächlich war ich in Mathe viel besser als in Deutsch. Zumindest, wenn es um Geschichten und Erzählungen ging. Meine beste Note war eine 3 -.
Kreativität zählte auch nie zu einer meiner Stärken.

Ich hatte manchmal das Gefühl, die Lehrer wussten nicht genau, was sie von mir halten sollten und deswegen beachteten sie mich kaum.

Wie eigentlich jeder in meinem Umfeld.

Meine Eltern waren da eine Ausnahme, die hatten mich ja jeden Tag an der Backe.
Ich war aber auch nie ein Schulproblemkind. Ich stand meistens auf ner normalen zwei.

Mehr gab es über mein soziales/Schulleben auch nicht zu sagen.

Was ich aber noch erwähnen möchte, so kompliziert ich auch sein mochte, es gab zwei Begriffe, die mich ziemlich gut beschrieben.

Ehrlich und Realistisch.

Sofern man diese beiden Adjektive nicht zu einer Kategorie zählte.

Ich schaute und laß auch nichts über Fantasy. Warum sollte ich auch einen Gedanken an eine andere Welt verschwenden, wenn ich doch genau wusste, dass ich mich in der Realität nie damit auseinander setzen müsste?
Und ich hasste Märchen. Das hatte aber noch einen anderen Grund.

Was war nämlich die Figur, die in den meisten Märchen vorkommt?

Genau!

Die Prinzessin.

Und vor was hatte Lena Osster panische Angst?

Wieder richtig!

Vor Prinzessinnen.

Ihr könnt mich ruhig auslachen, aber ich hatte nie verstanden, wie kleine Mädchen diese grausamen Biester toll finden konnten.

Ich wusste noch, wie meine Mutter mir damals zum ersten Mal eine Geschichte vorm Einschlafen vorgelesen hatte. Es war das Märchen Schneewittchen und die sieben Zwerge.

Am Abend war noch alles gut, aber in der Nacht hatte ich einen furchtbaren Alptraum, wie Schneewittchen als Zombie wieder auferstand und alle umbrachte. Damals war ich drei. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie verstört ich am nächsten Morgen war. Die Zombies hatte ich wahrscheinlich aus dem Horrorfilm, den meine Mutter geschaut hatte, als ich neben ihr saß. Warum tat sie das auch einem kleinen, verängstigten, dreijährigen Mädchen an?
Also genau genau genommen war meine Mutter schuld. Schuld an meiner Prinzessinnenphobie.

Das war alles zu mir.
Ziemlich apruptes Ende meiner Ausführungen, aber es gab wirklich nicht mehr zu erzählen.

Ich könnte jetzt natürlich noch solche belanglosen Sachen erzählen, wie, dass morgen die neuen Nachbarn einzogen, aber das war mir eigentlich relativ egal.
Es würde nichts an meinem Leben ändern.

Dachte ich.

SpecialWo Geschichten leben. Entdecke jetzt