1. Sind sie entkommen? Hat der Verstand triumphiert?

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Der Professor ging schnellen Schrittes voran. Er schien nicht zu bemerken, dass seine beiden Begleiter sich verändert hatten, denn er schaute nur in sein Notizbuch in welches er aufgeregt seine Beobachtungen schrieb. Kaum auf den Weg achtend schaffte er es irgendwie die kleine Gruppe in Richtung des Dorfes zu führen aus dem sie kamen. Der Himmel war wolkenlos und der Mond erleuchtete den Wald hell. Bereits seit einigen Stunden hatte es aufgehört zu schneien, sodass die Umgebung in stilles, leuchtendes Weiß gehüllt war. Abronsius murmelte vor sich hin: Unglaublich dass Modipes Theorie der heiligen Kreuze korrekt war was da die Königsberger wohl sagen werden aber möglicherweise war es auch das Silber der Kerzenständer oder war es am Ende womöglich sogar eine Kombination derselben? Alfred hörte ihm nicht zu. Generell erschien ihm alles was der Professor tat auf einmal so banal und plump. Wie er lief, so als könne er seine Beine nicht vernünftig heben und senken, und seine Haltung. Völlig ohne Grazie und Eleganz, nicht so wie der Graf oder Herbert. Dies erschrak ihn, was waren dies für Gedanken? Er war doch froh dieses abscheuliche Schloss endlich hinter sich zu lassen. Er hatte doch Sarah gerettet. Oder etwa nicht? Wie lange liefen sie eigentlich schon in dieser Kälte? Und was war eigentlich in den letzten Minuten geschehen? Hatte er nicht?... Sein Kopf blickte in Richtung Sarahs, verwundert bemerkte er, dass auch sie ihn ansah. Aber nicht wie er es sich gerne gewünscht hätte. Sie wirkte eher wie ein Tier, ein Raubtier, das sich vor Hunger bereits über die Zähne leckte. Ihre Zähne, die merkwürdig lang waren. Nun, wenn man es genau nahm, war merkwürdig vielleicht doch der falsche Ausdruck. Beim zweiten Hinsehen erschienen sie ihm gar nicht mehr so lang, sondern viel mehr praktisch. Genau richtig, könnte man sagen. Die perfekte Länge, um sie jemandem in den Hals zu rammen und sein süßes, warmes Blut zu trinken. Wieder musste Alfred seine Gedanken stoppen. Er schüttelte seinen Kopf, so als versuchte er damit auch die Verwirrung von sich abzuschütteln. Diese Vampire schienen ihm mehr zugesetzt zu haben als er zunächst gedacht hatte.

Während Alfred sich diese Gedanken machte, um sie dann wieder zu unterbrechen, war Sarah bereits weiter. Ihr war ihr Schicksal völlig klar. Zumindest so klar wie es einem mit unbeschreiblichem Hunger eben sein konnte. Sie war ein Vampir. Sie hatte Alfred gebissen. Damit hatte sie ihn ebenfalls in einen Vampir verwandelt. Jetzt waren sie beide Vampire. Und wenn der Professor nicht endlich aufhörte sinnloses Zeug vor sich hinzufaseln, würden es bald drei Vampire sein. Dieser furchtbare Hunger! Aber um den Professor zu beißen, fehlte für sie noch immer einiges. Der Wind blies eisig, Sarah konnte hören wie die Blätter der Baumkronen raschelten und sie spürte den Luftzug auf ihrer, nun noch blasseren, Haut. Doch mehr als diesen spürte sich nicht. Keine Kälte, kein leichtes Brennen von der beißenden Luft auf ihrem Gesicht. Sie blickte herüber zu Alfred der noch immer in Gedanken versunken zu sein schien und leckte sich dabei unbewusst über ihre Zähne. Seine Augen wirkten leicht glasig, und sein Mund stand leicht offen. Auch wenn er so hilflos zu sein schien, irgendwie fand Sarah ihn doch süß. Immerhin hatte er sein Leben für sie riskiert. Dabei kannte er sie doch kaum. Leicht naiv und etwas dumm vielleicht, wenn man es genau nahm. Aber Sarah wollte es nicht genau nehmen. Er schaute sie verwirrt an und sie schmunzelte leicht. Reiß dich zusammen! flüsterte sie leise zu sich selbst. Jetzt war nicht der Zeitpunkt um verliebt vor sich hinzuträumen, und dabei jegliche Zeit zu fliehen zu versäumen. Denn sie war sich sicher: Sobald der Professor bemerkte, dass Alfred und sie zu den Kreaturen der Nacht, wie er so gerne sagte, geworden waren, würde er nicht zögern ihrer beider Herzen zu durchstoßen. Sie streckte ihre Hand zu Alfreds aus, und strich leicht über seinen Handrücken. Er schreckte hoch und wollte gerade etwas sagen, doch Sarah hielt ihren Zeigefinger vor ihren Mund. Ssshhh! Oder er merkt was. Mit dem Kinn deutete sie auf den Professor. Zuerst erschien in Alfreds Augen ein Ausdruck völliger Verwirrung, doch als Sarah an ihren Hals tippte wurde es auch Alfred klar. Er riss die Augen auf und nickte hektisch. Sanft begann Sarah ihn wegzuziehen. Weg vom Professor, weg vom Weg und auch weg von einer Rückkehr in ein normales menschliches Leben.

Sarah und Alfred verschwanden lautlos im dichten Wald. Der Professor hingegen lief weiter gedankenverloren vor sich hin. Kaum auf den Weg achtend und noch immer war seine Nase beinahe in seinem Notizbuch vergraben. Als er merkte, dass nur noch er allein den Weg zurück in die Stadt, in die Zivilisation beschritt war es bereits zu spät. Sein patenter, dezenter, resistenter Assistent und Sarah, der Grund weshalb sie diese Odyssee überhaupt angetreten waren, sie beide waren spurlos verschwunden.

Die Ewigkeit hat schon letzte Nacht begonnen - Tanz der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt