Himmel und Hölle Part 1

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Gut gelaunt hüpfte Himmeljunges um ihren Wurfgefährten herum und stupste ihre rosafarbene Nase in sein rotes Fell.

"Höllenjunges! Höllenjunges! Hast du was gefangen? Hast du?"

"Ja hab ich, Schwesterchen. Hier.", er holte eine Maus hinter seinem buschigen Schweif hervor und reichte sie Himmeljunges. Gierig schlug die weiße Kätzin ihre Zähne in das saftige Fleisch.

"Glaubst du wir wären im Clan schon Schüler?", maunzte sie mit vollem Mund.

"Vielleicht. Acht Monde ist glaube ich alt genug. Aber ob wir überhaupt welche geworden wären, weiß nur der SternenClan. Sie wollen solche wie uns nicht dort haben."

"Ist es wirklich so schlimm, dass wir HalbClan sind?"

"Nein, Himmeljunges. Es ist nicht schlimm. Wir verbinden das beste aus dem WiesenClan und dem SonnenClan. Wir sind perfekt wie wir sind. Besonders du."

Himmeljunges schnurrte so laut, dass ihre schneeweißen Schnurrhaare zitterten und verschlang den Schweif mit dem ihres Bruders. Sie liebte ihn über alles.

"Wann zeigst du mir endlich wie man jagt?"

"Hm...ich glaube du bist alt genug, ich kann es dir heute zeigen, wenn du willst."

"Und ob ich will!", sofort sprang Himmeljunges auf und rannte Höllenjunges halb über den Haufen, als sie aus dem alten Dachsbau stürmte.

"Wo jagen wir?"

"Nicht so schnell, Himmelchen. Erst einmal das Jagdkauern."

Damit zeigte der rote Kater ein perfektes, ausbalanciertes Kauern. Das Kinn hin und herschwenkend wie eine Schlange schlich er durch das halbhohe Gras.

"Wow, das war ja echt super! Jetzt will ich es versuchen."

Viel ungeschickter als ihr Bruder duckte sich Himmeljunges und schlich auf eine weite Wiese hinaus. Sie raschelte viel zu laut und quiekte immer wieder vergnügt, als auf einmal ein Schatten über sie fiel.

"Himmeljunges! Pass auf!"

Hakenartige Klauen gruben sich in Himmeljunges schneeweiße Flanke und rissen sie in die Luft. Ihr entfuhr ein Schrei, so viel Schmerz hatte sie noch nie gespürt. Warmes Blut rann an ihr herunter, unter ihr verschwamm die Wiese und der rote Pelz ihres Bruders.

"Himmeljunges! Ich komme!"

Während kräftige Schwingen Himmeljunges immer höher trugen, rannte Höllenjunges wie blind nur diesem Schatten hinterher. Er rannte schneller, als er je gerannt war, schneller als seine Beine zulassen wollten. Er spannte sich an...und sprang. Der Wind pfiff in seinen Ohren als er sich an den Klauen des Greifvogels anklammerte und dieser einen Ruck nach unten machte.

"Himmeljunges, ich befreie dich. Hab keine Angst ich befreie dich.", er merkte selbst wie sehr seine Stimme zitterte, wie sein ganzer Körper zitterte, aber er wollte seine Schwester nicht aufgeben. Hilflos sah er zu, wie der himmelblaue Blick seiner geliebten Wurfgefährtin immer trüber wurde, ihre Muskeln erschlafften und ihr Kopf baumelte hinunter.

"Nein! Himmeljunges halte durch. Gib nicht auf. Wir werden überleben. Gib nicht auf.", Höllenjunges Stimme wurde immer heiserer, er klammerte sich so fest er konnte, aber er wurde immer schwächer.

"Himmeljunges...Himmeljunges bitte. Bitte sei nicht tot.", aber das weiße Kätzchen regte sich nicht mehr, ihr Blut pulsierte nicht mehr, ihre Brust hob sich nicht mehr. Blind vor Wut grub Höllenjunges seine Krallen in alles Braune was ihm vor Augen kam.

Langsam bemerkte er, dass seine Hinterbeine abrutschten, aber es war ihm egal. Er schlug einfach zu, Federn wirbelten umher, er wusste nicht, ob er noch an dem Greifvogel hing oder fiel.  Er schloss einfach die Augen und schenkte nur noch dem Wind in seinen Ohren die Aufmerksamkeit. Ja, jetzt wusste er es. Er fiel. Sein Magen kreiselte in seinem weißen Bauch während er immer tiefer fiel. Und fiel. Und fiel.

Vor seinem inneren Auge sah er viele Dinge. Die berühmten Worte "das Leben zöge an einem vorbei", gewann an Bedeutung für ihn. Er sah, wie Himmeljunges und er noch im Clan gewesen waren, mit Haselherz. Seiner Mutter. Und dann war da dieser weiße Kater. Abendschnee. Und das Blut an Höllenjunges Pfoten. Das viele stinkende Blut, dass seinen weißen Bauch gefärbt hatte.

Er wusste, er würde sterben. Viele würden sich an die Hoffnung klammern, ihre Lieben im SternenClan wiederzusehen, aber Höllenjunges nicht. Er wusste, er würde seine Himmeljunges nie wiedersehen.

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