4 - Jacob Robert Jonathan Turner

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Mein Blick wandert langsam durch das helle Zimmer und bleibt an der Uhr hängen. Es ist mittlerweile 06:45 Uhr. Wie schnell die Nacht doch vergangen war. Als ich Jake ansehe, liegt er mit geschlossenen Augen neben mir, während er die Ruhe selbst zu sein scheint.
»Alles in Ordnung?« haucht er plötzlich mit noch immer geschlossenen Lidern. Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen als mir klar wird, dass er meinen Blick genau gespürt haben muss. Es ist etwas ungewohnt, nun Jemanden bei sich zu haben der genauso gestrickt ist wie man selbst. Die gleichen Kleinigkeiten sofort bemerkt, jeden Unmut, jede kleinste Unsicherheit die sich in einer Stimme verbergen kann. Unglaublich gewöhnungsbedürftig ist es, dass er die Schnelligkeit in vielen meiner Bewegungen fast vorher zu sehen scheint, und ihnen einfach zuvor kommt. Und dennoch ist es das schönste Gefühl, zu wissen, Jemanden an seiner Seite zu haben, der einfach das gleiche Schicksal mit dir teilt. Das gleiche, eigentlich schreckliche Schicksal, welches man ohne weiteres sofort zu vergessen scheint. Es schier als etwas Normales betrachtet, auch wenn dem keinesfalls so ist.
»Nichts, ich habe mich nur gefragt, was wir heute wohl tun werden.« sage ich etwas aufgeregt und binde mein langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Langsam öffnet er seine Augen und setzt sich auf, um sich im selben Moment in meine Richtung zu drehen.
»Wir werden sehen.« grinst er und umfasst sachte meine linke Hand. »Zu aller erst-« beginnt er und steht auf um das Fenster zu öffnen.
»-benötige ich meine morgendliche Zigarette.« grinst er und zündet sich im selben Moment eine an. Ich grinse ihn augenblicklich an und steige aus dem Bett um mich im Badezimmer ein wenig frisch zu machen. Als ich mein zufriedenes Spiegelbild betrachte, stelle ich den Wasserhahn an und wasche mein Gesicht. Als ich nach ein paar Minuten aus der Dusche steige und das Schlafzimmer wieder betrete, sitzt er auf seinem Bett und ein paar Strähnen seiner nassen Haare hängen ihm im Gesicht. Auch er hatte zwischenzeitlich geduscht.
»Ich habe nichts zum Anziehen.« sage ich belustigt und zeige auf meinen halbnackten Körper, der nur mit seinem Shirt bekleidet ist.
»Ich glaube ich muss wohl oder übel kurz nach Hause, um mir etwas zu holen.« sage ich und blicke gleichzeitig durch das Fenster auf unser Haus.
»Aber nicht so.« lacht er und steht auf.
»Ich fahre dich rüber.« sagt er bestimmt und spielt augenblicklich mit dem Autoschlüssel in seiner Hosentasche.
»Aber das ist doch nur um die Ecke.« sage ich etwas verunsichert und zucke mit den Schultern.
»Ich möchte aber nicht, dass dich in diesem Aufzug jemand anderes sieht, als ich.« sagt er nun etwas schärfer und verdunkelt seinen Blick. »Okay, ist ja in Ordnung.« lache ich und gebe mich für den Moment geschlagen.
»Dann aber schnell.« sage ich und ziehe ihn aus dem Zimmer, hinunter in den Flur.
Lachend folgt er mir und schaut sich kurz um, bevor er mir mit einem Nicken das Okay gibt, aus dem Haus zu kommen. Blitzschnell setze ich mich in den Wagen, dessen Tür er bereits für mich offen hält. Wenige Sekunden später sitzt auch er im Wagen und dreht den Zündschlüssel. Als wir genau zwei Mal rechts abgebogen sind, hält er an unserem Haus und stellt den Motor wieder ab. Langsam öffne ich die Tür und steige aus dem Wagen. In normaler Geschwindigkeit laufe ich zur Haustür und stecke den Schlüssel, den ich während meines Zusammentreffens mit Louis zum Glück nicht verloren hatte, in das Alte Schloss. Mit einem knarrenden Geräusch öffnet sich die schwere Haustür und ich betrete mit leisen Schritten den Flur. Als ich bemerke, dass Jake noch immer draußen steht, schaue ich ihn verdattert an.
»Was ist los? Na komm schon rein.« lache ich und schüttele den Kopf. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Vielleicht ist es deinen Eltern unangenehm, wenn jemand fremdes in ihrem Haus ist.« erklärt er ruhig und zuckt mit den Achseln.
»Nein, das ist völlig in Ordnung.« sage ich und schließe die Tür hinter uns.
»Du kannst dich ruhig umsehen.« schlage ich ihm vor und schlüpfe aus meinen Schuhen, um mir endlich eine Hose anzuziehen. Er lächelt und dreht sich um, um das Wohnzimmer zu betreten. Während ich meine Unterwäsche gewechselt habe und langsam eine blaue Jeans aus dem Schrank nehme, steht er plötzlich wieder neben mir.
»Ein schönes Haus.« sagt er und grinst.
»Das ging aber schnell.« sage ich noch immer etwas erschrocken und lächele. Nachdem ich mein Shirt gewechselt habe, bemerke ich, dass er mein Zimmer genauer zu betrachten scheint.
»Es sieht ja fast aus wie bei mir. Nur kleiner.« lacht er und fährt sich durch das noch nasse Haar.
»Ja stimmt.« sage ich kurz und verlasse den Raum. Als ich durch das Wohnzimmer in die Küche gehe, bleibt er stehen und sieht ein Bild von mir und meiner Mutter.
»Genau so schön wie ihre Tochter.« murmelt er leise, scheinbar zu sich selbst und betrachtet nun mich.
Ich lächele verlegen und hole mir ein Wasser aus dem Kühlschrank. »Möchtest du auch etwas?« frage ich.
»Nein, danke.« sagt er und setzt sich auf einen der vier Küchenstühle. Während ich mich an der Arbeitsfläche anlehne und einen kleinen Schluck trinke, sieht er aus dem Fenster.
»Was hast du eigentlich für Pläne?« fragt er plötzlich und schaut mich ernst an.
»Wie meinst du das?« frage ich etwas verwirrt und setze mich nun auf die Arbeitsplatte.
»Ich frage mich nur, was du noch so vor hast in deinem weiteren Leben. Du kannst ja nicht auf ewig zur Schule gehen.« sagt er ruhig und blickt erneut aus dem Fenster.
Ehrlich gesagt wusste ich es nicht. Wie sollte ich Pläne haben, wenn mein Leben scheinbar niemals enden würde? Über Ziele hatte ich nie nachgedacht. Doch nach diesem Jahr wollte ich die Schule in der Tat hinter mir lassen.
»Ehrlich gesagt habe ich keine Pläne. Ich hatte aber vor, nach diesem Jahr die Schule zu beenden. Ich denke, ich habe mehr als genug Zeit in Klassenräumen verbracht. Und was ist mit dir?« frage ich neugierig und setze mich nun ebenfalls an den Küchentisch.
Augenblicklich setzt er ein schelmiges Grinsen auf und sieht mir sanft in die Augen.
»Ich habe bereits Medizin Studiert. Ich mache das, was mir in einem Moment am besten gefällt.« lacht er und fährt sich durchs Haar.
»Du hast Medizin studiert?« frage ich beeindruckt und grinse ihn an. »Ja, ich wollte den Körper eines Menschen einfach besser verstehen. Besser kennen lernen.« erklärt er und trinkt einen Schluck Wasser aus meiner Flasche.
»Wann war das?« frage ich munter und lehne mich zurück. Er denkt für eine Sekunde nach und zieht seine Augenbrauen ein wenig zusammen. »Ich glaube das war im Jahr 1929.« sagt er und blickt erneut aus dem Fenster.
»Und du hast keine weiteren Pläne?« hake ich nach.
Seinen Blick noch immer in die Ferne gerichtet zucken seine Mundwinkel fast unmerklich als ich die Frage aus meinem Mund kommt.
»Nein.« sagt er stumpf und richtet sich auf.
»Wann kommen deine Eltern denn wieder zurück?« fragt er und steht auf.
»Morgen Abend, denke ich. Wieso?« frage ich und blicke zu ihm herauf.
Im selben Moment umfasst er mein Handgelenk, um mich vom Stuhl zu ziehen.
»Nun, ich wollte nur wissen, wann du mich wieder verlässt.« sagt er und lächelt charmant.
»Wer sagt denn, dass ich dich verlasse, wenn meine Eltern wieder da sind? Ich habe schon mehr als genug Zeit Zuhause verbracht.« lache ich und lege meine Hand auf seine Brust.
»Hmm. Da hast du wohl recht.« lacht er und zieht mich näher zu sich.
Augenblicklich beugt er sich ein wenig herunter, um mir einen sanften Kuss zu geben. Fast unmerklich zieht er sachte an meinem Haargummi und meine Haare fallen über meinen Rücken.
»So gefällst du mir besser.« flüstert er und streicht mit seiner Hand über meinen Hinterkopf. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und schlinge meine Arme um ihn, während ich seine winzigen Berührungen genieße. Plötzlich schnellt sein Blick in den Flur, und ein lautes Klingeln durchbricht die Stille. Wer ist das denn?
Als ich von ihm ab lasse, um nach zu sehen, hält er mich fest.
»Was ist denn?« frage ich etwas angespannt und starre ihn an.
Er zuckt kurz mit den Schultern und grinst.
»Ich weiß nicht, ob du das jetzt wirklich tun willst.« lacht er und lässt mich los.
»Wieso zum Teufel? Wer ist das?« frage ich etwas genervt und schnelle zur Tür.
Als ich sie langsam öffne, blicke ich in Perlgraue Augen. Ein junger Mann steht vor mir uns schürzt die Lippen.
»Hey Caroline. Ist Robert hier? Habe sein Auto hier stehen sehen. Ich bin Landon.« grinst er belustigt und funkelt mich an.
Dieses Grinsen kommt mir eigenartig bekannt vor.
»Woher kennst du meinen Namen?« frage ich völlig verwirrt und drehe mich zu Jake, der plötzlich neben mir steht und mit einem Arm um meine Taille greift.
»Robby! Du alter Sack! Hab dich überall gesucht!« grinst der unbekannte Typ und reißt mir Jake von der Seite.
Er drückt ihn feste und klopft ihm auf den Rücken. Ich bin völlig schockiert und erstaunt zugleich. Wer ist das?
»Du hast wahrhaftig Recht, Rob. Eine wirklich hinreißende, hübsche junge Dame.« sagt er charmant um mir im selben Moment einen Handkuss zu geben.
Völlig verdattert starre ich die beiden an und sage kein Wort.
»Caroline, das ist mein Bruder Landon.« sagt Jake und blickt mir peinlich berührt in die Augen.
Daher kam mir das Grinsen so bekannt vor. Im Gegensatz zu seinem Bruder ist Landon dunkelblond und hat etwas weichere Gesichtszüge. Seine Augen sind etwas kleiner und heller. Er hat eigenartig graue Augen, während Jake eher mandelgrüne hat. Als ich die beiden so miteinander vergleiche, kommt mir plötzlich der Name in den Sinn, den Landon eben gesagt hatte. Robert.
»Robert?« ist das einzige, was aus meinem Mund kommt, während ich nun Jake ungläubig ansehe.
Die beiden schauen sich an und Landon fängt plötzlich lauthals an zu lachen.
»Du hast ihr nicht einmal deinen richtigen Namen verraten? Du bist ja verrückt.« grölt er und bricht in weiteres Gelächter aus.
»Es tut mir leid, aber hätte ich mich mit diesem Namen vorgestellt, hätte ich dich wahrscheinlich für immer vergrault.« murmelt er verlegen und schlägt sich die Hände über dem Kopf zusammen.
Augenblicklich werde ich etwas wütend und lasse es mir auch anmerken.
»Du hast mich angelogen?« fauche ich und funkele ihn sauer an.
»Nein Liebes, ich hätte es wahrscheinlich genauso gemacht. Sein Name ist Jacob Robert Jonathan Turner. Mit Jake hat er dich also nicht angelogen. Ist nur eine Abkürzung.« lacht er und fasst seinem Bruder an die Schulter.
»Ich jedoch bevorzuge Rob. Das war schon immer so.« fügt er noch hinzu.
Jacob Robert Jonathan. Als ich den Namen in Gedanken noch einmal wiederhole, wird mir erst jetzt wirklich bewusst, dass er aus einer völlig anderen Zeit stammt. Noch immer etwas beleidigt blicke ich ihn an und grinse.
»Du hast recht, damit hättest du mich wahrscheinlich sofort vergrault.« scherze ich und verdrehe die Augen.
Gespielt beschämt, blickt er mich mit einem charmanten Lächeln an und umfasst erneut meine Taille mit seinem linken Arm.
»Woher kennst du meinen Namen?« frage ich Landon etwas verwirrt und schließe die Haustür.
Wir stehen nun im Vorgarten und die Sonne scheint mir ins Gesicht.
»Er hat mir vor ein paar Monaten schon von dir berichtet.« grinst er und blickt zu Jake.
Vor ein paar Monaten, da waren wir uns zum ersten Mal begegnet. So lange hatte er mich also schon im Blick. Ich lächele verlegen und kneife Jake gleichzeitig in die Seite.
»Ich hoffe ich störe euch nicht, ich wollte nur kurz vorbei kommen. In zehn Stunden geht mein Flug nach London.« erklärt er und blickt auf die Uhr an seinem Handgelenk.
»Nein gar nicht. Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen.« sage ich und lächele ihn an.
Er war ebenfalls mit dem Virus infiziert. Ich hatte es sofort an seinem fehlenden Herzschlag erkannt.
»Wollen wir vielleicht irgendwo hin fahren und einen Kaffee trinken gehen?« fragt er und blickt uns beide fragend an.
»Klar.« antworten Jake und ich in derselben Sekunde.
»Alles klar, wir treffen uns im Claires.« sagt er und holt seinen Autoschlüssel aus der Jackentasche.
Als er in sein Auto steigt und augenblicklich los fährt, sehe ich Jake an. »Dein Bruder steht einfach so vor der Tür? Macht er das öfter?« frage ich während ich zu seinem Auto gehe.
»Ja, das ist typisch Landon.« lacht er und zieht die Augenbrauen hoch.

My name is CarolineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt