V01CH01- Taro

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Manche Tage fingen schon schlecht an vorm Aufstehen. Entweder man erwachte aus einem Alptraum, wurde völlig übermüdet von einem viel zu schrillem Wecker geweckt oder von dem verängstigten Schrei eines kleinen Mädchens. Heute war definitiv letzteres der Fall.

Es kam in letzter Zeit immer öfters vor, dass Tanaka Taro so aufgeweckt wurde. Immer mehr Leute wurden unruhig und immer mehr wurden die Cursed Children von der verlorenen Generation dafür verantwortlich gemacht. Die dummen brauchten immer einen Sündenbock. Früher hatten sie sich über Ausländer, die ihnen die Arbeitsplätze wegnahmen aufgeregt, als die Gastreas zum ersten Mal ankamen war die Regierung als unfähig deklariert worden, und das in letzter Zeit die Bedrohung wieder zunahm war die Schuld von kleinen Mädchen, die kein zu Hause mehr hatten und auf der Straße leben mussten. Oder im Untergrund, außerhalb der Stadt, da sich die Leute dann sicherer fühlten.

All das dachte er sich. Doch unternehmen wollte er nichts dagegen. Es war ihm lieber, der Pöbel ging gegen die Mädchen vor als gegen ihn.

Sollten sich die Leute doch gegenseitig umbringen.

Langsam stand Taro auf, streckte sich und ging ins Bad, um seine Morgenroutine wie automatisch ablaufen zu lassen. Er wohnte zwar in den Slums, aber das sollte man ihm nicht ansehen.

Gepflegte Menschen wurden nicht so oft auf den Straßen angefeindet, auf sie wurde nicht so offen heruntergesehen. Das taten die Leute sowieso schon wegen seines Jobs. Kein halbwegs normaler Mensch würde sich dazu entscheiden, andere Leute unter die Erde zu bringen, im wahrsten Sinne des Wortes. Taro war Totengräber. Nicht Leichenbestatter, die einiges an Geld verdienen konnten, indem sie den Schmuck der Toten versetzten sondern diejenigen, die die richtig harte Arbeit erledigen mussten.

Natürlich wäre es mit den heutigen Errungenschaften eine große Arbeitserleichterung. Leider sah es der Freihof, auf dem Taro arbeitete als respektlos den Verstorbenen gegenüber an, wenn jemand mit einem Minibagger Gräber aushob, also musste er noch immer selbst Hand anlegen.

Warum er das machte? Weil er weder die Ausbildung, noch die Verbindungen hatte, um an einen besseren Job zu kommen. Aber das machte nichts. Taro hatte nie große Träume vom großen Geld gehabt, alles was er wollte war eine eigene kleine Familie und genug Geld, um sie ernähren zu können.

Nach der Morgentoilette zog er sich langsam an, unwillig, heute vor die Türe zu gehen, da es draußen regnerisch und kalt war, aber irgendwann musste er ja zur Arbeit gehen.

Gleich nachdem er außer Haus gegangen war, sah er den Grund, warum er heute schon so früh geweckt wurde vor sich liegen. Es war ein Mädchen, vielleicht zehn bis zwölf Jahre alt, mit schwarzem Haar, das den Kopf bedeckte. Sie lag auf dem Bauch und der Regen dünnte das Blut, dass aus ihrem Rücken strömte aus. Man konnte noch gut die Einstichlöcher am Rücken sehen.

Irgendjemand hatte sich wohl von hinten angeschlichen, um sie zu überraschen. Feigling.

Taro machte sich nicht die Mühe, nachzusehen, ob das Mädchen tatsächlich rote Augen hatte oder nicht. Es machte keinen Unterschied. Auf sein übliches Frühstück beim Geschäft verzichtete er aber, die Bilder blieben im noch im Kopf.

The Cursed GenerationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt