Kapitel 1

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Tag 32. Ich befinde mich im Roosevelt Krankenhaus. Mein Zimmernachbar schnarcht, er wurde erst vorgestern eingeliefert. Alex Mason heißt er. Ist 21 Jahre alt, genauso wie ich. Er liebt es mit seinem Vater Football zu spielen und sammelt Eishockeykarten. Ach ja, und nicht zu vergessen ist seine Mutter, die es liebt Kekse zu backen. Ich durfte auch schon davon kosten. Wirklich lecker. Das macht das ganze hier etwas erträglicher. Woher ich das alles weiß? Seine Mutter hat mir gestern eine zweistündige, ziemlich ausgiebige Zusammenfassung seines Lebens erzählt. Nur warum er hier im Krankenhaus liegt, das hat sie verschwiegen. Mein Nacken ist seit gestern ganz steif vom ständigen Nicken. Scheinen aber ganz nette Leute zu sein.

Normalerweise werden hier Geschlechter getrennt eingeteilt aber die Krankenschwester dachte wohl, dass es sich bei Alex um ein Mädchen handelt. Jetzt ist das Krankenhaus so überfüllt, dass er vorübergehend hierbleiben muss. Manche Mädchen würden sich vielleicht schämen mit einem gutaussehenden, jungen Mann ein Zimmer teilen zu müssen. Mir ist das jedoch mehr als egal. Komischerweise habe ich mich nie wirklich vor Jungs geschämt. Ein Klopfen an der Zimmertür reißt mich aus meinen Gedanken. Es ist Dr. White, gefolgt von einer der Krankenschwestern.

„Wie geht es Ihnen, Miss Alburn?", fragt er mich während er sich die Hände gründlich mit Desinfektionsmittel einreibt.

„Es geht. Es muss."

„Heute steht der Verbandswechsel an. Und bei der Gelegenheit möchte ich mir Ihre Wunde auch genauer ansehen. Schwester Garcia, bitte helfen Sie ihr beim Ausziehen."

Als ich meine Hände hebe, um das Patientenhemd abzustreifen, ziept es leicht in meiner Brust.

„Nur langsam, Ihre Wunden sind noch nicht ganz verheilt."

Ich nicke ihm zu und ziehe meine Arme vorsichtig aus dem weißen Kleidungsstück heraus. Behutsam rollt Schwester Garcia den Verband von meinem Oberkörper ab. Mein Blick senkt sich Richtung meines Brustkorbs. Eine lange, in sich verknotete Narbe erstreckt sich über meinen Brustkorb bis unter mein Kinn.

Der Arzt nähert sich mir und betrachtet die Wunde. Er streift sich Handschuhe über und fängt an die Narbe zu drücken. Obwohl ich spüre, dass mich etwas berührt fühlt es sich irgendwie doch so taub an.

„Die Narbe sieht soweit gut aus, wird verheilen. Sie hatten unglaubliches Glück. Bitte seien Sie nicht allzu gekränkt wegen die Narbe, denn-„

„Das ist doch nicht so schlimm. Es ist nur eine Narbe.", unterbreche ich ihn, „ich bin froh leben zu dürfen und alles andere ist mir egal.", grinse ich ihm sanft zu.

„Sie sind aber positiv, Miss Alburn. Das gefällt mir. Ich hatte schon junge Patientinnen die deswegen das Heulen angefangen haben. Aber sie müssen wissen, dass das hier kein Schönheitswettbewerb werden sollte. Wir mussten ihr Leben retten und das schnell."

Nachdem der neue Verband angebracht wurde, verlassen beide den Raum und ich fühle mich wieder etwas einsam. Wenn doch nur Alex, mein Bettnachbar, endlich mal wach werden würde. Vielleicht könnten wir die Zeit totschlagen oder miteinander reden. Diese Einsamkeit macht mich krank.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 05, 2020 ⏰

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