Schlacht bei Amiens

31 2 2
                                    

9. August 1918
Amiens, Frankreich nahe der Somme.
British 3rd Korps. 58. Division
British Expedition Force (BEF)

Thomas Gallaghan rauchte an seiner Zigarette und beobachtete den Feldsoldaten dabei wie er den Sack mit der Feldpost auf sein Pferd hievte und davon ritt. Die Stimmung war angespannt, es waren neue Soldaten eingetroffen, unerfahren und wild. Sie sehen den Krieg als Abenteuer, er schüttelte den Kopf. Thomas war damals 1916 an der Somme Schlacht beteiligt, kampferfahren und Teil der Berufsarmee. Er warf die Zigarette weg und suchte sich eine Stelle im Graben, die nicht völlig schlammig war. Seine Füße waren nass und seine Uniform vom Schlamm verspritzt. Unzufrieden war gar kein Ausdruck für seinen aktuellen Gemütszustand. Thomas setzte sich und legte sich eine Decke über seinen Oberkörper und begann langsam einzuschlafen.

Ein Donnern und Beben weckte ihn schlagartig auf. Er war sofort hellwach, um ihn herum schlugen Granaten ein, sie vernarbten die Erde und rissen nahe Häuser und Straßen mit sich. Thomas duckt sich in den Graben und presst sich an die Wand. Er sah nach rechts zu seinen Kameraden, auch sie pressten sich in geduckter Haltung an die feuchten Wände des Grabens. Einige schrien und weinten, andere schwiegen mit bleichen Gesichtern. Thomas hingegen blieb so ruhig er es konnte und setzte sich weiter auf, um einen Blick auf die nicht enden wollende Flut von Granaten zu bekommen. Erdbrocken und kleine Teile prasselten auf seinen stählernen Helm und sofort zog er seinen Kopf wieder ein und presste sich zurück an die matschige Grabenwand. Das an den Nerven zehrende Artilleriefeuer dauerte Stunden an. Thomas bewegte sich nicht und blieb kauernd sitzen. Die ganze Nacht lang schlugen unzählige Granaten in den Boden und in Teile des Grabens ein und machten das Land zu einem tödlichen Abschnitt der Front, eine Todeszone. Als der nächste Morgen anbrach endete das Donnern der Granaten, mit einem Schlag herrschte angespannte Stille. Thomas streckte vorsichtig seinen Kopf nach oben und sah das umgepflügte Feld. Vor zwei Tagen waren hier noch Blumen und Wiesen, jetzt eine vernarbte und umgewühlte Kraterlandschaft, die jenseits der menschlichen Vorstellungen seine Schrecken entfaltet. "Der Krieg um alle Kriege zu beenden" dieser Satz flog in Thomas Kopf umher als er sein Gewehr lud und auf die Sandsäcke, am Rande des Grabens, auflegte. Ein Artilleriefeuer war meistens die Ankündigung für einen Sturmangriff. Ein Kamerad neben ihm zitterte am ganzen Körper und schaute sich verängstigt um. Er ignorierte ihn und wartete auf den Sturm der Kaiserlichen Armee.

Es ertönte ein Pfiff aus einer Pfeife, ein britischer Offizier rannte zu ihnen herüber "Gefechtspositionen!" Thomas Augen richteten sich auf die kleine Anhöhe. Dann sah man die ersten Gestalten schreiend auf sie zu rennen, wie Ameisen kamen immer mehr von ihnen. Thomas hatte einen im Visier und schoss, der Knall ertönte und brachte das tödliche Geschoss auf seinen Weg. Der Rückstoß jagte durch seinen Oberkörper und er zog am Hebel seines Gewehres, mit einem Klacken fiel die Hülse aus dem Gewehr und eine neue Kugel lag bereit. Er feuerte erneut. Schießen, repetieren und das immer und immer wieder. Er duckte sich als er nachlud, inzwischen flogen ihnen die ersten Kugeln entgegen als die Deutschen ihre Maschinenpistolen abfeuerten. Die Geschosse pfiffen um Thomas Ohren und schlugen in Erde und Sandsäcke ein. Der Kamerad neben ihm blieb in Deckung und umklammerte sein Gewehr. Thomas klopfte ihm auf den Helm "Schieß! Sonst bist du tot!" Schrie er und der andere Junge nickte ihm zu. Sie kamen beide nach oben, er sah aus dem Augenwinkel wie der Junge wieder im Graben verschwand. Er drehte den Kopf und blickte auf den Jungen. Eine Kugel hatte seinen Unterkiefer zertrümmert und seinen Hals durchschlagen, er röchelte und zuckte vor sich hin. Er streckte seine Hand nach Thomas aus, dieser schüttelte teilnahmslos den Kopf. Er nahm sein Gewehr und schoss dem Jungen eine Kugel durch die Stirn und beendete so das Leid. Er kannte diese Verletzungen und wusste dass es keine Überlenschancen gab. Ein Kamerad rannte auf ihn zu ".... Graben. Sie sind im Graben!"

Thomas wurde nun bleich, gegen die deutschen Sturmtruppen kommen sie nicht so einfach an. Automatische Gewehre sind den Repetierern weit überlegen im Nahkampf. Reichweite war Überlebenswichtig, dieser Vorteil wurde den Briten nun genommen. Thomas duckte sich als weitere Kugeln um ihn herum einschlugen und richtete seinen Blick auf die Abzweigung im Graben. Sein Finger lag bereit am gespannten Abzug. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Oberkörper, von der Schulter ausgehend wurde er nach vorne gestoßen. Er fasste sich an die Schulter und spürte Wärme und  Feuchte an der Uniform , seine Finger waren rot. Er drehte sich herum und schoss auf einen Deutschen hinter ihm. Er fiel mit einer Kugel in der Brust zu Boden. Thomas schaute wieder in den Graben und plötzlich kamen weitere Feinde um die Ecke. Er zog am Verschluss, die Patronenhülse fiel heraus und er schoss erneut "Für Königreich und Vaterland!"Rief er. Dann kamen weitere von ihnen, einer schoss auf Thomas. Die Kugeln trafen ihn in den Unterleib, doch er bemerkte den Schmerz nicht, das Adrenalin machte seine Arbeit. Als er sein Gewehr erneut abfeuerte traf ihn der Rückstoß wie ein Hammerschlag. Er fiel zu Boden und plötzlich drang der Schmerz auf ihn ein. Er lag im Schlamm während Soldaten über ihn hinweg rannten. Regentropfen fielen vom Himmel, Thomas keuchte und fühlte sich plötzlich frei. Er wusste nicht wie lange er lag, doch die Schüsse waren längst verstummt. Thomas lag schwächer werdend im Matsch. Er zog sich unter großer Anstrengung aus dem Graben und lag nun auf dem offenen Feld. Ein deutscher Soldat erblickte ihn und lief sofort auf Thomas zu. Der Soldat kniete sich hin und gab ihm Wasser aus der Feldflasche und redete auf ihn ein, Thomas verstand kein Wort. Der Soldat sah die Wunde und hielt Thomas die Hand hin, dieser ergriff sie und hielt sie fest. Der Krieg würde hoffentlich bald enden, bald. Das sagte sich Thomas und sah den Deutschen Soldaten an, ihre Blicke trafen sich. Zwischen ihnen wurde kein Hass, nur Bedauern getauscht.....

London, 11. August 1918

Kathleen Gallaghan öffnete die Tür und begrüßte den Postboten "Briefe von der Front?" Ihre Stimme war Hoffnungsvoll. "Ja, neue Nachrichten. Warten Sie auf welche?" er suchte alle Briefe heraus. "Mein Mann kämpft für unser Land in Frankreich" sagte sie und klang dabei traurig. "Mrs.... Gallaghan, hier ist ihre Post. Mein Bruder kämpft dort auch. Schönen Tag noch" er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging, kämpfende Familienangehörige waren inzwischen normal. Kathleen ging hinein und öffnete begierig den Brief, nach den ersten Worten sank sie mit starrem Blick in einen Stuhl. "Ihr Mann, Thomas Gallaghan Geb. 4. April 1895, starb am 9. August 1918....." Sie waren seit drei Jahren verheiratet, zwei davon war Thomas im Krieg, dieser hatte sich nun auch ihren geliebten Mann geholt. Sie fing an zu schreien und zu weinen, ihre Tränen weichten das Briefpapier auf. Dies ist ein Schmerz den sie noch nie empfand und auch nie wieder empfinden wird.

London, 4. April 1919

Kathleen Gallaghan hing von dem Birnenbaum des ehemals gemeinsamen Gartens. Neben dem Baum, die Todesnachricht ihres Mannes.....

Schrecklich nicht wahr? Szenen wie diese zierten immer wieder die so genannte "Heimatfront" und zogen sich über 4 Jahre durch. Bis 1918 waren die Völker längst Kriegsmüde und wollten ein schnelles Ende.

Price of a Mile- 1914-1918Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt