Emma Connelly knirschte frustriert mit ihren Zähnen. Sie hatte in den letzten zwei Stunden versucht, eine bestimmte Szene zu schreiben, und alles, was sie bisher in ihren Computer eingegeben hatte, schien gekünstelt, unreif und einfach schrecklich.
Sie schob sich von ihrem Schreibtisch weg, stand auf und drehte ihr dichtes, lockiges Haar zu einem Dutt zusammen und sicherte ihn mit einem Bleistift.
"Jackie!"
Ihr Gold-beiger Labrador trottet auf sie zu und wedelte begeistert mit dem Schwanz.
"Ja, wir gehen spazieren, komm schon." Emma blieb an ihrer Haustüre stehen, um sich einen warmen Wollschal und einen Mantel anzuziehen, bevor sie ihre Haustürschlüssel packte und sie in ihre Tasche steckte.
Ein Spaziergang würde ihr guttun, entschied sie und hielt ein wachsames Auge auf Jackie, während sie in einem lockeren Tempo dahinschlenderte. Die Spinnweben in ihrem Kopf aufzuräumen und sich selbst eine Pause zu gönnen, um frische Luft einzuatmen. Egal was, nur keine Panik, sagte sie sich selbst. In dem Moment, als sie das jedoch dachte, stöhnte sie auf, als Angst sie erfüllte.
Es war dumm. Sie war unglaublich dumm. Wie hatte sie sich nur in diese Situation gebracht? Vor zwei Jahren war sie noch eine beliebte Dozentin für europäische Geschichte an der NYU. Sie hatte ihren Unterricht genossen, ihre Schüler hatten sie gemocht und alles war gut gelaufen.
Und dann, dann musste sie ja unbedingt ihrem Cousin aus dem Verlag Material zeigen, an dem sie in ihrer Freizeit gearbeitet hatte. Und bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte sie einen Vertrag bei dem Verlag unterschrieben und ihr Buch war im ganzen Land ausverkauft. Auf Drängen ihres Cousins hatte sie ein Urlaubsjahr genommen und sich dem Vollzeitschreiben zugewandt.
Bestsellerautorin! Sie würde sich wirklich geehrt fühlen, wirklich, aber ihr Buch wurde von jungen Mädchen und gelangweilten Hausfrauen gelesen, denn sie schrieb Romanzen. Absolut romantische Geschichten, in der die Helden immer gutaussehend und die Heldinnen immer schön waren, verwickelt in leidenschaftliche Liebesbeziehungen, die selbst die Götter eifersüchtig machten. Sie spottete über sich selbst. Ja, als ob das jeden Tag passierte.
Sie spürte, wie sie vor Verlegenheit rot wurde. Es war nicht leicht, als Emma Connelly: Göttin der Romantik oder was auch immer die Presse ihr für einen Spitznamen gegeben hatte, bekannt zu sein. Buchsignierungen waren immer demütigend, aber sie nahm sie in Kauf. Sie wurde sehr gut dafür bezahlt. Sie war professionell, wenn Hausfrauen sie lobten und ihr sagten, dass sie ein sehr erfülltes romantisches Leben führen musste.
Ja, Sexleben, meinst du wohl, wollte sie immer erwidern. Stattdessen lächelte sie höflich, signierte das verdammte Buch und ging zum nächsten Fan. Wenn sie nur das verdammte Geheimnis kennen würden, dass die ganze Nation über sie lachen lassen würde. Sie konnte sich das Gelächter kaum vorstellen, und deshalb hielt sie ihr eigenes Leben immer extrem privat und teilte niemandem, außer ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester, Details mit.
Im reifen Alter von 23 Jahren war Emma Connelly noch Jungfrau. Ihr Gesicht brannte vor Scham, als sie darüber nachdachte, aber sie durchlief schnell dieselbe vernünftige Betrachtung, an die sie immer dachte, wenn dieses spezielle Thema auftauchte.
Sie hatte nie die Zeit. Emma war mühelos durchs College gesaust und hatte ihren Masterabschluss innerhalb eines halben Jahr erzielt, bevor ihr die Stelle eines Dozenten an ihrer Alma Mater angeboten wurde. Sie arbeitete viel zu hart und wurde zu Recht belohnt. Schau dir ihr leben an. Sie war schuldenfrei, hatte ein schönes Haus, ein angenehmes Leben, was konnte sie mehr verlangen?
Ein bisschen Romantik, sagte die winzige Stimme in ihrem Kopf gereizt. Sie schüttelte den Kopf und zerstreute den Gedanken. Sie hatte reichlich Romantik. Sie lebte und atmete Romantik dieser Tage. Was sie zurück zu ihrem anfänglichen Problem brachte. Schreibblockade. Oder genauer gesagt, Sexszenen-Blockade.
Ihr zweites Buch war vollständig ausgearbeitet. Sie wusste genau, was sie schreiben wollte, aber die Sexszenen kamen einfach nicht zu ihr. Und wie konnte eine Bestsellerautorin einen lang erwarteten zweiten Roman ohne Sexszenen schreiben? Sie zitterte vor Elend bei der Vorstellung.
Jackie bellte dann und sie schaute auf. Sie hatten irgendwie den Häuserblock umrundet und sie ging fast an ihrem Haus vorbei.
"Jackie, du bist ein sehr schlaues Mädchen.", grinste sie und ihre Probleme waren für einen Moment vergessen. Sie ließ den Labrador ins Haus und schlenderte in die Küche, um Jackies Wassernapf mit frischem Wasser zu füllen, den sie dann auch sogleich vor ihr abstellte.
"Schau, du hast noch zwei Monate bis zum Stichtag, also hör auf, so viel darüber nachzudenken.", tadelte sich selbst streng. Was sie jetzt brauchte, war sich zu entspannen und sich inspirieren zu lassen. Sie schlüpfte aus ihrem Mantel, zog ihren Pyjama an, wählte eine Romanze aus ihrer umfangreichen DVD-Samlung aus und kuschelte sich auf ihre Couch.
Das Buch konnte warten.
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Emma Connelly: Goddess of Romance | deutsche Übersetzung
Short Story"Ich stecke fest. Ich kann keine Sexszenen schreiben. Einen Monat vor Ablauf der Frist. Fehlschlag." Der schlimmste Albtraum eines jeden Autors: Schreibblockade. Oder in Emma Connellys Fall Sexszenen-Blockade. Was kann eine Bestseller-Romanautorin t...