Unerträgliche Schmerzen

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„Üüüüberraaaaaaschung ...", flötete es ihm entgegen, gemächlich kam sein persönlicher Albtraum auf ihn zu. Die Finger umklammerten eine gusseiserne Brechstange. „Mal schauen, ob wir dir deinen Trotz nicht doch noch irgendwie austreiben können ..."

Klatschend ließ der Größere das Eisen in seine Handflächen fallen. Aus starren, blutunterlaufenen Augen sog er das Bild des Jungen in sich auf. Fasziniert und abgestoßen zugleich. Sein Gang war noch immer leicht schleppend, aber das hielt ihn nicht davon ab. Mit wachsendem Entsetzen nahm Hinata wahr, wie er das Brecheisen über den Kopf hob. Der Schock lähmte ihn, stählerne Ketten schnürten ihm die Kehle zu. Dieses Mal sah er ihn kommen. Ohne Vorwarnung holte das Monster aus und das war der Zeitpunkt, wo Hinata nicht mehr nachdachte, sondern nur noch reagierte. Beinahe waagerecht preschte die Stange abwärts. Es war reiner Überlebensinstinkt, der seinen Körper die Qual kurzzeitig ausblenden ließ. Selbst, wenn er sich geweigert hätte, er war machtlos. Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, rollte er sich zur Seite. Anstelle seines Schädels splitterten die Dielen unter dem Teppich.

„Verdammt! Lass den Scheiß!"

Um ein Haar hätte es dem Verrückten am anderen Ende der Brecheisen das Gleichgewicht gekostet. Fluchend setzte der dem Rotschopf nach. Erstaunlich geschickt nutzte er dagegen den entstandenen Schwung und schlug mit dem Eisen seitwärts aus. Hinata konnte das Metall riechen, den Luftzug auf der feuchten Haut spüren. Allein seinen schnellen Reflexen war es zu verdanken, dass er noch einmal mehr oder weniger heil davonkam. Ächzend flog er nach hinten weg, landete hart auf dem Rückgrat. Er glaubte das Knacken einer weiteren Rippe zu hören, aber das wurde von dem Getöse um ihn herum, verschluckt.

Irgendwo dröhnte es. „Fuck! Komm her!"

Verzweifelt rutschte Hinata rückwärts. Irgendetwas stach sich in eine seiner Fußsohlen, die Ellbogen platzten auf. Wie ein Wurm, der von einem hungrigen Vogel ins Visier genommen wurde, kringelte er sich auf dem Boden, versuchte, dem Unvermeidlichen zu entkommen. Adrenalin schoss ihm kochend heiß durch die Venen. Knapp an seinen nackten Zehen vorbei, riss der provisorische Totschläger krachend eine zweite Delle in das Parkett. Panisch stieß sich Shouyou zurück, robbte weiter, immer weiter, bis er mit dem Hinterkopf gegen ein Hindernis stieß und seine Flucht ein jähes Ende fand. Im Grunde, endete sie genauso wie sie begonnen hatte. Chancenlos.

„Hab ... ich ... dich ..."

Groß und düster fiel der Schatten auf ihn nieder. Keuchend, in dumpfes Licht getaucht, baute sich die Silhouette des Unbekannten vor dem Flüchtling auf. Beschwingt wog der das Schlagstück in den grobschlächtigen Pranken. Für Hinata gehörten sie hingegen dem Teufel persönlich. Hilflos ausgeliefert, drückte er sich gegen die Polster der Couch. Neckisch bohrten die sich in sein Genick und er wünschte sehnlichst, sie würden ihn verschlucken.

„Hier ist Endstation, Freundchen", höhnte sein Peiniger aufgedreht, und es war eindeutig, wie sehr dieser die Situation genoss. „Zeit, dir ein wenig Anstand beizubringen!" Mit der Grazie eines ehemaligen Leistungssportlers, schwang er die Brechstange wie einen stählernen Baseballschläger.

„Nein! Bitte!" Todesangst durchzuckte Hinata. Flehend warf er die Arme vor das Gesicht. „Nein! Nicht schlagen! Bitte! Es tut mir Leid! Bitte!", bettelte er. Heiser, brüchig. Die Stimme eines kleinen Kindes.

Sein Flehen verhallte wirkungslos.

Ein Feuerwerk farbenfroher Lichtblitze flutete das Zimmer. Flüssiges Feuer fraß sich druckwellenartig durch Knochen und Fleisch. Hinata sah den Boden näher kommen, doch schien er eine Ewigkeit schwerelos dahinzutreiben. Dann verschwamm die Umgebung, wurde stumpf. Kraftlos sackte er irgendwann und irgendwie in sich zusammen. Funken sprühten an seiner rechten Schulter, das Gesicht stand in Flammen. Blut und Reste von dem, was einmal seine hinteren Backenzähne gewesen waren, sprenkelten den Fußboden. Über ihm kreisten die trüben Umrisse des Monsters. Die gebogene Seite der Brechstange baumelte rhythmisch hin und her. Schmierige, dunkle Feuchtigkeit schimmerte auf der angerauten Oberfläche, sammelte sich und tropfte in einer dicken rostroten Perle hinab. Hinata wartete, wartete auf den nächsten Schlag, der ihn garantiert umbringen würde. Er würde ihn töten, ebenso wie er Kageyama höchstwahrscheinlich umgebracht hatte. Seltsam, aber auf einmal wurde sein Blick gestochen scharf und er konnte sich selbst sehen. Er sah sich dort liegen, vor dem Sofa, während sich die Polster mit seinem Blut vollsogen. Ohne, dass es ihm bewusst war, liefen ihm stille Tränen über die Wangen.

This isn't a Nightmare, is it?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt