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Abwesend blättere ich die Seiten des Tagebuches durch und denke dabei an die gestrigen Worte dieses Mannes.
°Es ist wirklich schön, Sie mal lachen zu sehen.°
Ich spüre, wie mir deswegen ganz warm ums Herz wird, obwohl es mir auch etwas unangenehm ist.
Schliesslich hat er mich beobachtet, wie ich andere Menschen beobachte, wobei ich zusätzlich gedanklich über diese gelästert habe..

Peinlich berührt klappe ich das Buch zu und schaue nach draussen.
Wieder regnet es an diesem warmen Sommerabend und die Lichter der vorbeifahrenden Autos spiegeln sich auf dem Asphalt wieder.
Ich stütze meinen Kopf auf dem Arm ab und seufze träge.
Im Gegensatz zu gestern ist heute ja mal gar nichts los!

Nach langem hin und her, beschliesse ich daher eine rauchen zu gehen.
Schnell schnappe ich Feuerzeug und Zigarettenschachtel aus meiner Handtasche und schreite geschwind nach draussen.
Die kleine Überdachung vor dem Eingang schützt mich genügend vor dem Regen, weshalb ich nicht mal eine Jacke benötige.
Sorgsam zünde ich die Kippe an und sauge sogleich an dieser.
Genüsslich lasse ich dann den entstanden Rauch durch meinen Mund qualmen und denke dabei mal wieder an diesen einen Herrn.
Er meinte, dass er noch eine Wette zu begleichen hätte.
Aber mit wem wohl?
Und um was es sich bei dieser Wette wohl gehandelt hat?

Nachdenklich ziehe ich erneut an der Zigarette und horche beiläufig dem Strassenverkehr.

Im Nachhinein ist er ja schon eine zwielichtige Gestalt..
Und ich muss zugeben, dass ich wirklich grosse Mühe habe ihn zu durchschauen.
Normalerweise sind solche Typen ziemlich einfach gestrickt und keine wirkliche Herausforderung. Vorallem dann nicht mehr, wenn man schon 8 Jahre diesen Beruf ausübt.
Aber er ist anders.. nicht nur seine Art, sondern auch seine Erscheinung ist speziell.
So eine blasse Haut habe ich wirklich nie zu vor gesehen! Und dann wären da auch noch diese spitzen Zähne..
Und von seinen wunderschönen Augen fangen wir erst gar nicht an!
"Rauchen gefährdet die Gesundheit Miss."
Erschrocken zucke ich zusammen und bekomme gleichzeitig einen Hustenanfall.
Verzögert drehe ich mich um und stosse dabei fast mit jemanden zusammen.
Während ich immer noch versuche meine Lunge zum schweigen zu bringen, begrüsst mich dieser charmant:
"Schön Sie wiederzusehen."
Mit einigen Schmerztränen in den Augen blicke ich schliesslich nach oben und treffe sogleich auf ein süffisantes Lächeln, welches von einem spitzen Kinnbart unterstrichen wird.
Der stilvolle Herr von gestern steht vor mir und hält wieder einmal einen Regenschirm in der Hand.
Seine überragende Körpergrösse schüchtert mich etwas ein, weswegen ich in seine giftgrünen Augen versinke.
"Hat es der Dame etwa die Sprache verschlagen?", fragt er mich daher und beugt sich leicht nach vorn, damit er meinem Gesicht noch näher sein kann.
Seine Augen, welche noch immer von dunkeln Augenringe geprägt werden, mustern mich amüsiert und ich spüre, wie sich meine Backen rot färben.
Völlig überfordert wende ich meinen Blick ab und drücke die Zigarette im Aschenbecher aus.
"Wieso müssen Sie sich auch immer so anschleichen", versuche ich mich mit leiser Stimme rauszureden.
Doch der Herr mit Zylinder grinst nur weiter vor sich hin.
"Ich bin ein Mann der überraschende Auftritte, mein Liebes!", und geht gelassen an mir vorbei.
Total verwirrt schaue ich seiner schlanken Statur hinterher, wie sie sich ins Innere begibt.

Während ich mich hinter den Tresen begebe, deponiert der dunkelvioletthaarige seinen Zylinder und Schirm bei der Gaderobe und setzt sich anschliessend vor mich hin.
"Das Gleiche wie gestern?", frage ich höflich und warte auf seine Reaktion ab.
Er nickt mir als Antwort zu und verschlingt zufrieden seine Finger auf dem Tresen ineinander.
Daraufhin suche ich auch schon das entsprechende Glas aus dem Regal.
"Sagen Sie Miss", höre ich ihn fragen, "Arbeiten Sie ganz alleine hier?"
Verwundert kehre ich mit dem Glas in der Hand an den Tresen zurück und gebe ein paar Eiswürfel in dieses.
"Momentan schon", und greife nach der Flasche mit der Aufschrift Dalwhinnie. "Denn die Aushilfe ist gerade krank."
Im Augenwinkel erkenne ich, wie mich der graziöse Gast nachdenklich beäugt.
"Hmm.. nach Ihrer Stimme zu urteilen, scheint Sie das nicht allzu sehr mitzunehmen", äussert er sich geschickt, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Ein Schmunzeln schleicht sich mittlerweile in mein Gesicht, da er äusserst aufmerksam ist.
"Gut erkannt", und schenke lächelnd den Whisky ins Glas ein. "Ich bin nicht auf einer Wellenlänge mit ihr."
"Verstehe. Und wie sieht es mit Ihrem Vorgesetzten aus Miss?", erkundigt sich der Grünäugige vornehm weiter.
Ich stelle ihm derweil den Whisky auf einen Untersetzer und biete ihm freundlich an:
"Sie müssen mir nicht ständig 'Miss' sagen, Stefi reicht schon."
Ein liebevolles Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht und er schaut mir tief in die Augen.
"Samael."
Dieses eine Wort sagt er mit so einer ausdrucksstarke, gleichzeitig aber auch ruhigen Stimme, dass ich regelrecht Gänsehaut kriege.
Während er mir weiter in die Augen blickt, pocht mein Herz immer lauter und für einen kurzen Moment habe ich sogar das Gefühl, dass die Zeit still steht.

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