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Wieder ein düsterer, regnerischer Tag streicht ins Lande und das obwohl wir Mitte Juli haben..
Fraglich, ob solches Wetter gut oder schlecht für das Geschäft ist, in welchem ich arbeite.
Doch momentan kann sich mein Chef ganz bestimmt nicht beklagen!
Und falls er es doch wagen würde, erwürge ich ihn jetzt schon mal ganz innig in Gedanken.
Denn für einen Dienstag Abend ist die Bar mehr als nur gut besucht.
Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, da die neue Aushilfe mal wieder blau macht. Oh pardon, ich meine 'krank ist' und somit wieder alles an mir hängen bleibt.

Genervt, gleichzeitig aber auch erschöpft streiche ich mir die eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr und kremple meinen rechten Blusenärmel etwas ordentlicher nach oben.
Wieso musste mein Chef Sven auch so eine, ich zittiere, 'feinfühlige Seele mit gutem Führungspotenzial' einstellen?!
Wer braucht denn bitte schön 'Führungspotenzial' in einer Bar? Und dann auch noch feinfühlig..

Ein abschätziger Seufzer huscht mir über die Lippen und ich setze das längliche Bierglas an den Zapfhahnen an.
Die verlockende, goldfarbende Flüssigkeit fliesst gemächlich in das Glas und beginnt sogleich zu schäumen an.
In einer Bar, wie dieser, geht es doch eigentlich nur noch rau, sprich, trügerisch zu und her.
Obwohl..
Ich lasse meinen Blick durch den halbdunklen Raum schweifen, der mal wieder mit mehr männlichen Gästen, als weiblichen gefüllt ist.
..früher herrschte hier noch eine ganz andere Atmosphäre.
Da zollte man anderen Leuten gegenüber noch etwas mehr Respekt, hörte ihnen darum auch aufmerksam zu und gab den ein oder anderen ehrlich gemeinten Ratschlag mit auf den Weg.
Doch in der heutigen Zeit interessieren sich viele nur noch für sich selbst.
Sie schwärmen, wie gut sie doch sind oder klagen einem die Ohren voll, wegen einem unbedeuteten Wehwechen, welches ihr 'ach-so-perfektes-ich' gekränkt hat.
Hauptsache sie stehen im Mittelpunkt und dafür tun sie wirklich alles.
Sie merken es nicht mal dann, wenn man ihnen einen ordentlichen Denkanstoss verpasst.
Denn diese Leute sind und bleiben von sich selbst überzeugt.
Angeberei und Heuchlerei, nur damit sie die volle Anerkennung erlangen. ...sich aber im nachhinein fragen, warum man keine wahre Freunde hat, die einem in der Not helfen.
Gegenseitiges Vertrauen?
Wers glaubt, die Gesellschafft besteht doch fast nur noch aus Lügner und Betrüger.

Wieder entkommt mir ein kaum hörbarer Seufzer und ich stelle dem Gast schliesslich sein alkoholisches Getränk hin.
Ohne sich gross zu bedanken, drückt er mir den zerknitterten Geldschein als Gegenleistung in die Hand und meint barsch:
"Passt so!"
Ich schenke ihm ein aufgesetztes Lächeln und bedanke mich, ehe ich sogleich die nächste Bestellung entgegennehme.
Wie ich solche Leute doch verabscheue.. haben ständig das Gefühl, sie 'müssen' dem 'armen' Personal Trinkgeld spendieren... Dabei sieht man es ihnen doch ganz genau an, wie sehr es sie reut.
Was eine Heuchlerei, die von Oberflächlichkeit und Gerüchten geprägt wird.
Naja, aber es stimmt schon, dass man als Angstellte in einer Bar nicht sonderlich viel verdient. Trotzdem lässt es sich leben und wie Albert Einstein einst so schön sagte:
Es gibt viele Wege zum Glück.
Eines davon ist aufhören zu jammern.

Ich schüttle unterdessen den Shakebecher mit bestimmten, kräftigen Bewegungen, wobei mir die kupferfarbende Haarsträhne erneut ins Gesicht rutscht.
Schnell wische ich sie wieder hinter mein Ohr und fülle den leicht trüben Saft behutsam in zwei Coktailgläser ab.
Mit einem freundlichen "Bitte schön" erlange ich schliesslich die Aufmerksamkeit des Gastes, welcher gerade ungeniert vor seiner neuen Bekanntschaft mit seinem Wohlstand angibt.
Nicht mal 3 Sekunden gibt er sich mit mir ab, bevor er sich wieder der leicht bekleideten Frau widmet und weiter lautstark prahlt.
Dabei reisst er zusätzlich dämliche Witze, die nicht mal Ansatzweise lustig sind.
Doch seine Flamme ist anscheinend ganz angetan von seinen primitiven, billigen Sprüchen.
"Ach", seufze ich kopfschüttelnd und suche unterdessen das Rückgeld raus.
Die Menschen sind in gewisser Hinsicht so durchschaubar und naiv.
Als ich dem überaus entzückendem Mann, dessen Verstand dem eines Goldfisches gleicht, das Geld reichen möchte, lehnt er dies ab und meint herablassend:
"Lass gut sein Kleines, du brauchst es bestimmt dringender wie ich."
Unverzüglich steigt eine enorme Wut in mir auf und ich bin mir ernsthaft am überlegen, ob ich diesem Lügner ins Gesicht spucken soll.
Doch da ich mich, dank diesem Job, schon jahrelang in Selbstbeherrschung übe, beisse ich mir stattdessen auf die Zunge.
Schliesslich ist es dieser diskriminierende Fischkopf nicht wert.
Nebenbei ist er noch immer ein Kunde und.. der Kunde ist bekanntlich König.
Mit einem bitteren Geschmack im Mund, bedanke ich mich kurzerhand und wende mich dem nächsten Gast zu.

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