Der Clown

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Ein weiterer Abend, eine weitere Vorstellung. Neben den ganzen Kleinigkeiten,welche diese Arbeit mit sich bringt, habe ich so ein Maß an Menschenverachtung nicht erwartet. Trotz dessen, dass unser Zelt jeden Tag gut gefüllt und unser Kabinett stets gut besucht ist, glaube ich immer noch an den menschlichen Verstand, welcher all das hier verneint. Ich beginne mich zu schminken. Mit jedem neuen Pinselstrich weißer Deckfarbe in meinem Gesicht, scheint sich ein Schutz gegen dieses Elend aufzubauen. Ich bin ein anderer Mensch unter der Maskerade. Obwohl ich diese innere Abneigung empfinde, was meinen Beruf in diesem Zelt ausmacht, brauche ich ihn. Das Leben ist hart. Keiner bettelt umeinen arbeitslosen Einarmigen, damit er für ihn arbeitet und wahrscheinlich eher stört als nützt. Keiner. Deshalb ist das meine einzige sichere Unterkunft. Seltsam. Ich bin fast fertig.

Mein Gesicht ist beinahe mit der erstickenden, bunten und stinkenden Schminke bedeckt.

Die Vorstellung rückt näher. Ich schaue ein letztes mal in den Spiegel. Ich sehe....einen Clown. Nicht mich. Ich stehe von meinem klapprigen Stuhl auf und wende mich von meinem, durch Lampen strahlenden Schminktisch, ab.

Das Zelt für die sogenannten Künstler ist nicht groß und nur dürftig eingerichtet.In den Ecken jagt eine Ratte die andere. Sie sind nie in der Zeltmitte. Nie im Mittelpunkt. Seltsam.

Meine großen Schuhe machen es mir schwer schneller zu laufen, weshalb ich diesen Stoffhaufen noch einige Augenblicke länger ertragen muss. Außerhalb kann ich endlich durchatmen. Frische Luft. Das Gefühl, meilenweit-entfernt auf einem Berg zu stehen, unberührt und frei zu atmen,erfrischt meinen Körper. Meine Lunge füllt sich immer mehr und immer schneller mit dieser Luft. Sie scheint ein Suchtgefühl in mir auszulösen. Doch....keine Zeit! Es fällt mir schwer, meine Beine in Bewegung zu setzen, doch ich muss pünktlich sein. Pünktlichkeit ist wichtig. Vor jeder Aufführung nehme ich immer den Weg durch das Kabinett. Routine. Die Vögel scheinen erstummt zu sein. Die Nacht ist ruhig. Das Theater naht. Angekommen am Kabinett, betrete ich es mit schweren Schritten.


Jeder Käfig, jedes Gefängnis grenzt an das nächste. Es ist ein Zoo! Kein Zuhause. Ich laufe an ihnen vorbei. Luigi, ein mittel-alter Italiener aus Florenz,liegt auf seinem aufgerissenem Sofa. Sein Körper gleicht einem Streichholz. Die Glieder sind dünn und zerbrechlich. Als hätte er mehrere Jahre gehungert. Luigi schaut mich durch seine milchigen Augen intensiv an. Kurze Stille. Ich gehe weiter. Nach vielen gefüllten Käfigen, sehe ich unseren kleinen Jungen hinter den eisernen Gitterstäben. Wir nennen ihn alle nur Boy. Er würde kindlich und unschuldig wirken, wenn sein Gesicht noch zu Emotionen fähig wäre. Boy verlor wohl vor einigen Jahren sein Augenlicht. Da sind nur noch zwei schwarze Löcher. Zudem ist sein Mund bis zum äußersten Winkel zugenäht. Niemand weiß genau, was ihm zugestoßen ist. Doch es ist schrecklich. Viele vermuten es waren seine Eltern oder eine Art Sklavenhalter. An seinen Käfigwänden sind überall Kratzspuren zusehen. Ich verlasse das Kabinett. Meine Schminke verschmiert. Durch einen unauffälligen Hintereingang betrete ich das große Zelt. Das Publikum ist bereits zu hören und geiert nach den Attraktionen. Jedes mal. Ich schwitze. Langsam betrete ich die Bühne,nehme meine Haltung an und der Vorhang geht auf. Applaus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 17, 2020 ⏰

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