Kalt

21 1 0
                                    


Wach. Schon wieder. Seit mehreren Nächten schauen seine leeren, kühlen Augen nur die Decke seines Zimmers an. Schlaf und Träume scheinen für ihn nur noch Dinge zu sein, die sich ein Autor für seinen Fantasy-Roman ausgedacht hat. Draußen bellt ein Hund. Sein Zimmer scheint kühler zu werden. Er möchte sich bewegen. Doch der Gedanke des Schlafes schwirrt wie ein flüchtiger Schmetterling durch seinen Kopf, welchen er immer wieder versucht zu fangen. Sein Körper hat sich von allein aufgerichtet und auf das Bett gesetzt. Die Füße berühren den arktischen Boden. Bevor er realisiert, was überhaupt gerade geschehen ist, befindet sich sein Körper außerhalb des Zimmers.Langsam schließt er die Tür, auf welcher in roten, fetten Buchstaben seinen Namen geschrieben hat. "Tom Ners". Gleich einem Toten wandelt Tom den Gang entlang und begibt sich zur Wendeltreppe.Der Regen prasselt auf die Fenster. Schritt für Schritt nähert er sich dem Geländer. Sein Kopf wird langsam schwerer, wo hingegen die Füße große Eisblöcke zu sein scheinen. Er hört tausende kleine Flügelschläge. Mit schweren Schritten geht Tom zu den Zimmern seiner Geschwister und zu dem seiner Eltern. Doch keiner war da. Nur ein dunkler Fleck ist auf ihren Betten zu sehen. Es wird immer kälter. Langsam und genau betrachtet er die Haustür. Sie ruft nach ihm. Es scheint ein Tor zu einem Traum zu sein.

Seine rechte Hand ist kühler geworden. Er schaut nach unten und sieht, dass sie bereits die Klinke der Haustür festhält. Vollkommene Ruhe. Mit aller Kraft stämmt er sie, gleich einer riesigen Tresortür, auf. Hier ist es wärmer. Seine Füße tauen langsam auf und bewegen sich schneller Richtung Straße. Der Hund des Nachbarn bellt unaufhörlich. Übrig blieb nur ein Knochen.


Er spürt keinen Frost mehr, sondern nur noch die Hitze, welche durch seine Adern fließt und ihm Energie gibt. Er schaut in jedem Haus seiner Straße nach, ob er einen Menschen trifft, den erfragen könnte was hier los sei. Doch jedes Haus ist gleich. Flecken.Als Tom aus dem letzten Haus kam, huschte ihm ein Satz über die Lippen. „Wir haben keine Treppe". Nachdem Tom niemanden antraf,ging er weiter die dunkle Straße entlang. Ein Mantel der Nacht. Der Regen hatte vor kurzer Zeit aufgehört und durch zahlreiche Löcher haben sich große Pfützen gebildet. Tom ging wieder mit langsamen Schritten auf so eine Pfütze zu. Als er sein Spiegelbild darin sah,füllte sich sein Gehörgang mit dem Lärm Tausender Flügelschläge.Sein Kopf war kahl, sein Mund rot und zog sich mit scharfen Zähnen gefüllt fast über das gesamte Gesicht. Seine Augen waren ganz milchig und seine Haut blass. „Das bin ich nicht, das bin ich nicht, das bin ich nicht", dachte Tom. „Doch das bist du";sagte eine tiefe Stimme. Er drehte sich um und sah nur Dunkelheit.Der Schmetterling war tot. 

Fremde WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt