V.

68 10 3
                                    


Sie stand noch gar nicht lange in der Bahn, zwei Stationen, vielleicht sieben Minuten, doch ihre Arme und Beine brannten und sie fühlte sich, als ob sie jeden Moment zusammensacken würde. Früher war sie eine leidenschaftliche Läuferin, nahm gerne an Wettbewerben teil und wurde sogar fünfte beim örtlichen City-Marathon, doch nun war daran nicht mehr zu denken. Sie lag so lange im Krankenhaus, ihre hart antrainierte Ausdauer war schon lange verschwunden, sodass sie nun schon bei einem Spaziergang um den Block außer Atem war. Doch die Ärzte sagten, sie schlage sich wunderbar, trotz der erschreckenden Diagnose, die sie vor zwei Jahren erhielt, und seither mit dem Brustkrebs zu kämpfen hatte.

Stadium Drei, hieß es damals, in der rechten Brust, doch der Krebs hatte bereits gestreut. Darauf folgten viele Untersuchungen, Monate im Krankenhaus, schmerzhafte Behandlungen, die Amputation der rechten Brust und dann Chemotherapie. Damals stand es wirklich nicht gut um sie, der Tod war ein halbes Jahr lang ihr unermüdlicher Begleiter, während sie sich vor Schmerzen übergab, nicht mehr genug Kraft hatte, um alleine aufs Klo zu gehen und ihre Familie sie nur einmal in der Woche besuchen kam, obwohl sie wussten, dass es jeden Moment mit ihr hätte zu Ende gehen können.

Die letzten zwei Jahre waren die Hölle. Anders konnte sie diese Zeit im Krankenhaus nicht beschreiben und sie wollte auch keine weiteren Gedanken daran verschwenden, nur um eine bessere Umschreibung zu finden. Bereits jetzt fingen ihre Augen an zu brennen und sie hob ihren erschöpften Arm, um die Tränen weg zu wischen. Sie war stark, sie war noch am Leben, sie stand an der Klippe des Todes und schaffte es wieder zurück, da würde sie jetzt nicht vor lauter Selbstmitleid in der Bahn anfangen zu heulen.

Die Bahn fuhr eine Kurve und plötzlich knickten ihre Beine ein, weshalb sie beinah hin fiehl, sich aber gerade noch halten konnte. Völlig fertig zog sie sich zurück auf ihre Füße und sah endlich ein, dass ihr Körper nicht mehr konnte. Sie war zu erschöpft, zu müde vom langen und harten Kampf. Sie musste sich ausruhen.

Schwerfällig lief sie zum Gang, quetschte sich an zwei Jungs vorbei und lies sich auf den ersten Sitz fallen, der frei war. Sie musste sich zusammenreißen ihren Atem zu kontrollieren und nicht wie ein Hund zu hecheln, so anstrengend war die Bahnfahrt.

Doch es waren ja nur noch zwei Stationen, bis sie aussteigen und zu ihrer einsamen, kalten Wohnung laufen würde. Denn ihr Freund hatte damals das Weite gesucht, kurz nachdem ihr das eine Körperteil abgenommen wurde.

-----

Das war es mit U-Bahn. Wie man hoffentlich gemerkt hat, wollte ich mit dieser Geschichte zeigen, dass jeder Mensch mit einer anderen Sache zu kämpfen hat, mal mehr, mal weniger schlimm, und man nicht immer auf den ersten Blick sieht, wie es jemandem geht.

Wenn es euch gefallen hat, würde ich mich sehr über einen Stern freuen.

Schönen Tag euch noch!

U-BahnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt