Wie lange wir einfach so nebeneinander saßen und auf den Fernseher starrten, wusste ich nicht - aber es war lange. Wir schauten uns nach den Nachrichten einen Krimi an, dann einen Horror-Film, wobei Ares immer zu lachen anfing, wenn sich ein Sterblicher vor einem Zombie erschreckte. Ich konnte sowohl über Ares' Reaktion, als auch den grauenhaften Film nur die Augen verdrehen. Wie konnte man sowas unterhaltend finden? Das war einfach nur langweilig. Diese Zombies hätte ich im Nu besiegt, obwohl es wirklich eine Beleidigung für meine Messer - vor allem für die Zwillinge - wäre, gegen diese lahmarschigen Kreaturen zu kämpfen.
Irgendwann hatte dann auch der Kriegsgott die Nase voll und schaltete den Fernseher aus. Es musste nach Erdenzeit bestimmt schon lange nach Mitternacht sein, aber in dem Bunker gab es weder eine Uhr noch Fenster, also keine Ahnung.
"Und jetzt?", wandte sich Ares nun mir zu und ich zuckte mit den Schultern. Auf alle Fälle würde ich ihn nicht aus den Augen lassen, so viel stand fest.
"Ich würde mich gerne ein bisschen hinlegen", fuhr er fort und wies auf das Doppelbett. "Kann ich mich darauf verlassen, dass ich nicht mit einem Messer in der Brust aufwache?" Er hob skeptisch fragend eine Augenbraue.
"Natürlich nicht!", erwiderte ich entrüstet darüber, er könnte glauben, ich würde ihn nicht angreifen, wenn er einen falschen Schritt machte. Wie dieser Schritt auszusehen hat, würde ich dann in der jeweiligen Situation entscheiden.
"Hmpf", grummelte er und stand auf. "Dann muss ich dir wohl jemanden vorstellen." Zeus! Das war mein erster Gedanke, aber im nächsten Moment ging mir auf, dass das keinen Sinn machte, weil ich ihn ja kannte.
Bevor ich mir noch weitere Gedanken machen konnte, pfiff Ares einmal und neben ihm tauchte ein schwarzer Labrador auf. Ich runzelte die Stirn. Das war sein Plan? Mich mit einem Hündchen zu bewachen? Lächerlich! Als ob ich nicht schon schlimmere Kreaturen besiegt hätte.
"Darf ich dir Aiko vorstellen? Mein Jahrhunderte langer, treuer Begleiter." Der Hund bellte zustimmend, bevor das Tier sich an die Seite seines Herrchen setzte, den Kopf schieflegte und mich eingehend betrachtete. Aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht von seinen Hundeaugen lösen. Irgendwas war an Aiko faul, das spürte ich. Er konnte nicht so brav sein, wie er schien und gleichzeitig der Begleiter des Kriegsgottes sein. Das passte nicht zusammen.
Jeden Moment erwartete ich, dass das Tier sich in eine Bestie verwandelte und mich ansprang, aber nichts dergleichen passierte. Stattdessen fuhr sich Aiko mit der Pfote über die Schnauze und sah dann erwartungsvoll zu Ares hoch. Der Kriegsgott erwiderte den Blick, bevor er sich wieder an mich wandte.
"Sei nett zu ihm!" Er grinste mich an und strich seinem Hund liebevoll übers Fell.
"Ich werde mich bemühen", meinte ich, immer noch etwas irritiert, und blickte von ihm wieder zu dem Hund. Irgendwas an ihm machte mich nervös. Er hatte bestimmt irgendwelche Kräfte - wenn man mal von der Unsterblichkeit absah -, sonst würde Ares ihm nicht seine Leben anvertrauen.
Der Kriegsgott betrachtete mich eine Weile, grinste kopfschüttelnd und begann sich auszuziehen. Also nicht ganz. Nur die Lederjacke und das blutrote T-Shirt. Ich konnte nicht anders und starrte seine definierten Muskeln an. Irgendwie kam ich mir jetzt nicht mehr so selbstsicher und überlegen vor.
Natürlich bemerkte er meine Blicke und begann, mich noch selbstgefälliger anzugrinsen. Sofort wurde mein Ausdruck wieder grimmig und hart und ich wandte den Kopf ab. Das verhinderte allerdings nicht, dass ich sein schallendes Lachen hörte. "Beeindruckend, nicht?"
Argh! Wie konnte man nur so arrogant und selbstverliebt sein! Am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürzt und ihm das kleine Messer mit dem Gift in den Hals gerammt, sodass ich wenigstens eine kurze Zeit lang Ruhe hätte. Aber ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als Aiko sich beschützend vor den halbnackten Ares stellte und mich bedrohlich anknurrte.
"Aber, aber...", tadelte der Kriegsgott und strich seinem Hund besänftigend über den Kopf. "Lass sie ihre Mordgedanken haben. Sie wird es nicht durchziehen." Woher wollte er das wissen?
Ich starrte erst den Hund, dann Ares fassungslos an. "Der Hund kann meine Gedanken lesen?!", fragte ich schockiert.
"Nein, er spürt nur, wenn du mir ein Haar krümmen willst", erklärte er und streckte sich einmal ausgiebig. Das machte er so, dass ich einen perfekten Ausblick auf seinen behaarten Oberkörper hatte. Leider fand ich das nicht so eklig, wie ich es mir gewünscht hätte. Eher im Gegenteil musste ich zugeben, dass er ziemlich heiß so aussah. Stopp! Nein! Eilig schob ich diesen abwegigen Gedanken wieder beiseite und wandte mich schnell wieder Aiko zu, der mit seinen Hundeaugen jede meiner Bewegungen studierte. Was würde er wohl machen, wenn ich wirklich beschloss, Ares umzubringen - ich weiß, dass er unsterblich war und das genaugenommen nicht funktionieren würde, aber verletzen konnte ich ihn trotzdem noch. Das würde mir auch ausreichen, um mich aus dem Staub zu machen, bis er sich heilen und die Verfolgung aufnehmen konnte.
Aiko bellte einmal.
"Jaja, schon gut", entgegnete ich genervt. "Ich werde dein Herrchen schon kein Leid zufügen." Ich verdrehte die Augen und lehnte mich auf dem Sofa zurück.
"Wie nett!", hörte ich Ares lachen. Er hatte sich auf das Bett gelegt, die Hände hinterm Kopf verschränkt und starrte grinsend die Decke des Bunkers an.
"Das heißt gar nichts", sagte ich schnell und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ein falscher Schritt und mein Messer steckt dir im Hals."
Aiko reagierte nicht und das gefiel mir ganz und gar nicht. Es machte nicht nur Ares klar, dass das nur eine leere Drohung gewesen war, sondern auch mir, dass ich den Kriegsgott vielleicht doch mehr mochte, als ich jemals zugeben würde.
Wegen dieser Erkenntnis warf ich erst dem Hund und dann seinem Herrchen einen vernichtenden Blick zu. Letzterer sah mich mit seinen Flammen-Augen an. Ich hätte schwören können, dass sie einen Moment heller leuchteten. Doch ehe ich mich dessen vergewissern konnte, hatte er auch schon wieder den Kopf weggedreht und sagte laut und deutlich: "Licht aus!"
Der Sprachbefehl reagierte und es wurde dunkel um mich herum. "Dein Ernst? Licht an!", befahl ich, aber nichts passierte, nur Ares begann zu lachen.
"Der Sprachbefehl reagiert nur auf meine Stimme", erklärte er und ich grummelte mürrisch vor mich hin. War ja irgendwie klar gewesen.
Die einzige Lichtquelle kam nun von Ares' Augen. "Du solltest auch mal versuchen, ein bisschen zu schlafen", sagte er, nachdem sein Lachen verklungen war. "Die Sterblichen tun das nicht ohne Grund. Danach fühlt man sich wirklich um einiges besser."
"Ist klar", grummelte ich. "Und im nächsten Moment befinde ich mich auf dem Olymp Zeus gegenüber..."
Er erwiderte nichts darauf und dann war auch noch die letzte Lichtquelle im Raum erloschen - er hatte die Augen geschlossen.
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Ares - Freund oder Feind
Short StoryAuf der Flucht vor ihrem Vater Zeus, begegnet die Göttin Larea zufällig dem Kriegsgott Ares. Sie hat ihn noch nie leiden können, da sie aber von dem ewigen Wegrennen müde ist, nimmt sie sein Angebot an, mit ihm in ein Versteck vor Zeus zu gehen. Tro...