Lieber Santa Klaus,
Wie du weißt, bin ich stets ein braves Mädchen gewesen. Ich habe auf alles geachtet, was es zu beachten gab und stets versucht alles richtig zu machen. Ich habe alle Regeln blind befolgt und versucht keine Sünden zu begehen. Ich habe nicht gelogen und größtenteils auch nicht genascht. Unkeusche Gedanken dürften dir Wurst sein, aber selbst die habe ich nicht provoziert. Was kann ich dafür, dass Max so heiß aussieht?
Jedenfalls, ich fände es überaus nett, wenn du dich endlich dazu überwundern bekämst mir nicht immer diese dämlichen Konzerttickets oder Bücher zu schenken. Okay, ich gebe zu : Ich mag es zu lesen und ich mag auch Greenday. Aber wie wäre es, wenn ich dieses Jahr mal etwas gescheites bekäme? Alle anderen Mädels in meiner Klasse haben schon einen Freund. Ich bin die einzige, die mit 17 noch Jungfrau ist und muss mich dafür schämen. (Ich wünsche mir sicher nicht, von dir besucht zu werden, du bist nicht mein Typ, aber kannst du nicht einen deiner schnuckeligen Gesellen vorbei schicken? Ich fänd das wirklich super von dir.)
Gruß,
Sveta R.
Ich verschließe den Brief und klebe eine Briefmarke in die obere rechte Ecke. Dann packe ich ihn in meine Tasche und gehe nach unten. Theoretisch sollte ich nur für meine Mutter einkaufen gehen, doch ich habe beschlossen aus Blödsinn einen Wunschzettel zu schreiben und im Supermarkt in die Tombola zu werfen. Als würden die auch junge Typen verschenken. Nein, im Supermarkt bekomme ich nur Milch und Spekulatiusgewürz und vielleicht auch ein wenig Marzipan für weniger als 5€. Man, ich liebe das Teil fast schon mehr, als Marshmallows, und das will was heißen.
Ich schnappe mir den kleinen Geldbeutel vom Küchentisch mit der Einkaufsliste und nehme den Bus. Es sind vier Tage vor Weihnachten und es ist die Hölle los. Überall irren Menschen wie verrückt durch die Regale und schmeißen auf Teufel komm raus Spielzeug und Schokolade in den Einkaufswagen. Eines habe ich schon festgestellt: Je fetter die Einkäufer, desto mehr Schokolade im Wagen. Ekelhaft, wie viel Geld die dafür ausgeben und sich dann noch nicht mal dafür schämen. Im Ernst, goldene Glitzerleggings mit Speckröllchen? Ich hasse Weihnachten, schon alleine wegen dem Anblick.
In der Kasse fragt die Kassiererin mich, ob ich Marken sammel'. Man kann mal wieder etwas Tolles gewinnen, wenn man dreihundertsechsundfünfzigtausendachthundertdreiundneunzig zusammen hat. Gefühlt, auf dem Flyer stehen nur fünfzig. Ich schüttle den Kopf. Was machen wir denn bitte schön mit einer Ansammlung von Duftkerzen und einen nach Schokolade riechenden Teddybären. Wer um alles in der Welt kauft den Mist überhaupt? Offensichtlich niemand, wenn sie die schon in einer mühsamen Aktion verschenken müssen.
Von dem Einkaufsgeld sind ungefähr 3€ über geblieben und ich frage mich, was ich damit machen kann. Mit den zwei Tüten voller Backzeugs und einem Stück Marzipan zwischen den Zähnen watschele ich in meinen dicken Boots durch die Einkaufspassage. Überall sind kleine Buden aufgebaut, in denen man Weihnachtsschmuck und überteuertes Naschzeug, sowie billigen Schmuck kaufen kann. Ich schaue in die verschiedenen kleinen Schaufenster mit dem Kunstschnee und den Wattedeckchen, die die Puppen mit authentischem Fake-Winter-Feeling ummanteln. Überall glitzert und strahlt es in rot, gold und schwarz. Ich fühle mich wie ein schillernder Nationalist.
Ich gehe an einer kleinen Holzkrippe vorbei nach draußen. Das ist deutscher Winter: ekelhaft kalt mit feinem Nieselregen. Matsch und Pfützen auf den Straßen, dunkle Stimmung und überall fröhlich vor sich hinsummende Weihnachstfanatiker. Bei dem Anblick dieses geheuchelten Frohsinns steigt mir die Magensäure in die Höh'. Ich gehe an dem Schulterhohen Lebkuchenhäuschen aus Plastik vorbei und werfe, so unauffällig es mir gelingt, meinen Brief in den Schlitz. Nachmittags sitzt hier immer einer der Freiwilligen in einem dicken Weihnachtsmannkostüm und versucht mit dieser penetrant fröhlich bimmelnden Glocke die Kinder auf sich und den Briefkasten aufmerksam zu machen.