Kapitel 1

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L O U I S

Entspannt lehne ich mich im Stuhl zurück und starre an die kahle Wand gegenüber von mir. Um mich herum ist alles benebelt von Rauch, aber es stört mich nicht. Ich mag es sogar. Abermals nehme ich einen weiteren Zug und blase wieder den Qualm aus. Meine Gedanken scheinen wie weggeblasen, meine Probleme lösen sich in Luft auf. Die kurze Befreiung von meinem Leben beruhigt mich. In dem Moment hatte ich das Gefühl zum ersten Mal seit längerem wieder frei zu sein. Doch als plötzlich meine Tür aufspringt, wird mir bewusst, dass dieser Moment wieder vorbei ist.

»Das kann nicht dein ernst sein!« Mein bester Freund steht in der Tür, mit wütendem Ausdruck in seinen Augen. Desinteressiert sehe ich wieder von ihm weg und nehme einen weiteren Zug.

»Du hast mir versprochen damit aufzuhören!« Schon wieder diese nervige Stimme. Augenverdrehend drehe ich meinen Kopf in seine Richtung und halte ihn meinen Joint entgegen. Der Typ braucht unbedingt bessere Laune!

Jedoch schlägt er meine Hand weg, was ein großer Fehler ist.

Zügellos springe ich auf, stürme geradewegs auf ihn zu und gehe ihn drohend an die Kehle. »Was glaubst du wer du bist, du Pisser!«, schreie ich bedrohlich und drücke zu. Cem schlägt um sich, doch ich halte seinen jämmerlichen Schlägen stand.

»Das bist nicht du, Louis«, keucht er atemlos. Mit aller Kraft versucht er mich wegzudrücken, aber ich bin nun mal stärker als er und das soll er gefälligst wissen!

»Ach ja und wer dann?!«, brülle ich.

Sein Gesicht färbt sich bereits feuerrot; seine Augen drehen sich langsam nach hinten. Ich war bereit noch fester zuzudrücken, doch als ich in seine Augen sehe, blicke ich direkt in meine. In die Augen eines skrupellosen Mannes, der vor nichts mehr zurück schreckt. Entsetzt lasse ich von ihm ab und verdränge das abscheuliche Bild von mir.

Cem hustet und fällt kraftlos zu Boden. »Merkst du nicht«, japst er krampfhaft nach Luft. »Wie es dich kaputt macht?«

Ich ignoriere ihn, greife nach meinem Rucksack und eile aus unserer Wohnung heraus. Luft. Ich brauche dringend frische Luft, um klar denken zu können. Auf der einen Seite will ich diesen verdammten Pisser einfach nur zum Schweigen bringen, aber dann fällt mir wieder auf, wer er eigentlich ist.

Frustriert fahre ich mir durchs nass geschwitzte Haar. Hat er recht?

Selbst wenn, würde ich es niemals zugeben. Darauf wartet dieser Bastard doch nur! Soll er doch weiter glauben, dass ich ein elendiges Wrack geworden bin. Der hat doch gar keine Ahnung.

Wütend stampfe ich auf eine Mülltonne zu, trete drauf, sodass sie auf dem Boden fällt. Die Wut in mir bringt mich dazu noch viel mehr kaputt zu machen. Ganz egal, wer mir dabei in die Quere kommt.

V A L E R I E

In meinen Gedanken versunken laufe ich den dunklen Weg entlang. Oder wohl eher torkeln. Der letzte Drink ist doch ein kleines bisschen zu viel für mich gewesen. Aber ich musste es einfach vergessen. Moment, was wollte ich nochmal vergessen? Grinsend setze ich einen Fuß vors andere. Anscheinend habe ich es gut hinbekommen, wenn ich mich nicht mehr daran erinnern kann. War wohl nicht ohne Grund, schätze ich. Soweit funktioniert mein Gehirn noch.

Während ich versuche so gut es ging zu laufen, stolpere ich beinahe über meine eigenen Beine. Zum Glück steht neben mir die wundervolle, dreckige Straßenlaterne. Oh, habe ich etwa dreckig gesagt? Kichernd drücke ich mich wieder von ihr ab und sehe, so gut es geht, nach hinten. Warum auch immer. Doch schnell merke ich, wie dämlich es ist, denn um mich herum fängt an sich plötzlich alles zu drehen. Es dauert nicht lange und im nächsten Augenblick spüre ich den kalten Boden unter mir. Obwohl ich einfach wieder aufstehen sollte, bleibe ich lieber sitzen. Der Boden ist viel zu bequem, um einfach in Stich gelassen zu werden. Außerdem kann ich kaum noch geradeaus sehen. Irgendwie ist das schon wieder so fürchterlich witzig, dass ich am liebsten lachen will.

The man who stole my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt