Jemanden Vermissen

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Kurze Anmerkung: Ursprünglich hatte ich die Geschichte für den #ValentinesContest2020 geschrieben. Aber das Buch habe ich heute Morgen zurückgezogen und poste hier jetzt die überarbeitete, wesentlich längere Version.

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„Ab ins Wohnzimmer mit dir“, wuschle ich Collin durch sein helles Fell. Sofort flitzt der Golden Collie los und bringt sein Halsband zum Klirren. Damals fand ich es lustig, seinen Namen so ähnlich klingen zu lassen, wie seine Rasse. Mittlerweile weiß ich nicht mehr so recht, was ich von meinem Humor halten soll.

Nachdem ich das Geschirr zu meiner Jacke an die Garderobe gehangen habe, folge ich meinem treuen Weggefährten. Der Geruch von Keksen schwebt durch das Erdgeschoss und eine wohlige Wärme empfängt mich, als ich den Eingangsbereich verlasse. Jedes Mal aufs Neue erinnert es mich an meine Kindheit, wenn meine Großmutter backt. Es ruft mir ins Gedächtnis, wie froh ich bin, sie zu haben.

„Bin wieder da“, schaue ich kurz in die Küche hinein. Der Geruch nach Zitrone steigt mir nun besonders stark in die Nase. „Ich habe deine Lieblingskekse gebacken“, wendet sich meine Oma kurz zu mir, während sie weiterhin mit dem heißen Blech hantiert. Lächelnd setze ich meinen Weg ins Wohnzimmer fort. Ich hoffe nur, dass meine Großmutter keine Herzen ausgestochen hat.

Noch bevor ich es sehe, höre ich, dass im Fernseher wieder die Werbung läuft, die jedem zum Hals raushängt. „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship“, tönt es mir entgegen.  Auf dem Bildschirm prangt ein großes Textfeld, das sonst nicht da ist. Scheinbar gibt es zehn Prozent Sonderrabatt, wenn man sich heute anmeldet. Ein bisschen bizarr, wenn man mich fragt. „Ich parshippe jetzt“, äffe ich die Blondine nach, die viel zu breit in die Kamera lächelt.

Einige Stunden bevor ich den vierzehnten Februar überstanden habe, muss ich nicht mit so etwas belästigt werden. Blind greife ich nach der Fernbedienung und schalte den Flimmerkasten aus. Dann lasse ich mich auf das Sofa fallen. Keine Sekunde später versinke ich nicht nur in den Kissen, sondern auch in meinen Gedanken. 

Man könnte meinen, dass es zwei Gruppen gibt, die sich am heutigen Tag bilden.

In der einen sammeln sich die Leute, die lieben. Die glücklich vergeben sind. Die ihren Partner über alles schätzen und ihm das auch mitteilen wollen. Die es nicht schlimm finden, doppelt so viel Geld für eine herzförmige wie für eine normale Schokolade auszugeben.

In der anderen Gruppe werden die Personen zusammengepfercht, die alleine sind. Die erst kürzlich aus einer Beziehung entflohen sind. Die sich mit ihrem Partner gestritten haben. Die von dem einen auf den anderen Tag verlassen wurden. Die vielleicht für immer alleine bleiben werden.
Menschen aus der ersten Gruppe mögen den Valentinstag. Wohingegen diejenigen, die sich in der zweiten Gruppe befinden, den Valentinstag verabscheuen.

Aber ich - ich bin wie ein Flummi, der zwischen den zwei Gruppen hin- und hergeworfen wird. Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll, wenn ich in die Schaufenster sehe und von dem grellen Rot und den vielen Herzen regelrecht erschlagen werde. Soll ich mich ärgern, dass es dieses Jahr schon wieder niemanden gibt, mit dem ich den Tag feiern kann? Bin ich froh darüber, dass ich auf den ganzen Kitsch verzichten kann? Reicht es, wenn ich mir sage, dass ich mir selbst genug bin?

Dabei weiß ich genau, dass es nicht ausreichend ist, zu sagen, dass ich mich selber liebe. Jeder braucht jemanden, dem er seine Zuneigung schenken kann. Ich will jemanden, der zu mir gehört. Diesen einen bestimmten Jungen und nicht irgendjemanden.

Obwohl es gar nicht meine Absicht war, kommt mir sofort eins seiner Lieder in den Sinn. Jemanden vermissen. Wieder einmal aufs Neue frage ich mich, wer wohl die Frau ist, von der Wincent singt. Der rationale Teil in mir redet davon, dass es schwachsinnig ist, eifersüchtig zu sein. Doch ein wenig bin ich es trotzdem.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 26, 2020 ⏰

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Oneshots WINCENT WEISSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt